Dixon, Annette (Hrsg.): Women Who Ruled. Queens, Goddesses, Amazons in Renaissance and Baroque Art. London 2002 : Merrell Holberton, ISBN 1-85894-166-0 192 S. € 32,00

: The Monstrous Regiment of Women. Female Rulers in Early Modern Europe. New York 2002 : Palgrave Macmillan, ISBN 0312213417 312 S. € 52,72

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Pauline Puppel, Institut für Archivwissenschaft Marburg

„Als einen allgemeinen Saz kan man annehmen, daß das Frauenzimmer ordentlicher Weise von Regierungen der Staaten [...] ausgeschlossen seye [...] und ob zwar auf den ansehnlichsten Tronen Europens Damen mit unsterblichen Ruhm gesessen sind, und noch sizen [...] und sich also durch so viele Beispiele die natürliche Fähigkeit des Frauenzimmers zur Genüge erprobet hat; so gehöret doch alles dieses um so gewisser [zu] Ausnamen von dem besondern Rechte.“ 1 So lautet das Diktum des württembergischen Hofrats Karl Röslin über die Regierungsausübung von Frauen – eine Lehrmeinung, die in einer jahrhundertealten Tradition steht und noch bis heute Historiografie und historische Forschung prägt. Zu den dominanten Narrativen der abendländischen Gesellschaft zählt der prinzipielle Ausschluss von Frauen aus öffentlichen Institutionen: Sollte es zufällig, aufgrund spezifischer Machtverhältnisse vorgekommen sein, dass eine Frau das Szepter ergriff und mehr oder weniger erfolgreich regierte, dann habe es sich um eine Ausnahme von der Regel gehandelt. Aufgrund eines linearen Geschichtskonzepts sowie eines ahistorischen Politikbegriffs sind Herrscherinnen in der politikgeschichtlichen Forschung und in genealogischen Übersichtswerken bislang fast absent.

Demgegenüber formulieren Sharon Jansen sowie Annette Dixon, Merry Wiesner-Hanks, Mieke Bal und Bettina Baumgärtel den Anspruch, diese Narrative zu hinterfragen und sie neu zu konturieren. Sie betonen, dass selbst die klassische Politikgeschichte nicht länger ohne die Einbindung von Frauen als legitimen Akteurinnen fortgeschrieben werden kann. Denn die Herrschaftsausübung von Frauen war strukturell und institutionell durchaus in den meisten politischen Systemen frühneuzeitlicher Staaten angelegt.

Sharon L. Jansen weist in der Einleitung ihrer Studie „Female Rulers in Early Modern Europe“ auf die Diskrepanz zwischen dem gelehrten Diskurs über die Herrschaft von Frauen und der empirisch belegbaren Regierungspraxis von Fürstinnen in Mittelalter und Früher Neuzeit hin. Ausgehend von Isabella von Kastilien, Margaret Beaufort, Caterina Sforza und Anne von Frankreich, die Jansen als "foremothers" mit Modellcharakter versteht und im ersten Kapitel biografisch vorstellt, zeichnet die Verfasserin in den vier folgenden, geografisch angelegten Kapiteln die Traditionslinien zwischen verschiedenen Generationen von Frauen nach, die in Spanien und der Habsburgermonarchie, in England, in Italien und in Frankreich regierten. Ausführliche Stammbäume in jedem Kapitel erleichtern das Verständnis der mitunter unübersichtlichen dynastischen Verbindungen zwischen den Frauen.

Schon auf der Basis der kritischen Lektüre von Editionen und Monografien kann Jansen zeigen, dass das Urteil der Historiografie häufig unreflektiert von der modernen Geschichtswissenschaft übernommen wurde und so zu einer verzerrenden Konstruktion der historischen Figuren beitrug. Es wird daher in Zukunft nötig sein, auch die archivalische Überlieferung zu dieser Thematik neu zu sichten. Insgesamt führt Jansen die Bedeutung von Frauen für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Staaten vor Augen. Sie legt überzeugend dar, dass regierende Fürstinnen keine Ausnahmen waren, sondern ebenso wichtige Positionen innehatten wie Fürsten. Die große Anzahl regierender Fürstinnen und die Legitimierung ihrer Regierungspraxis belegen die institutionelle Verankerung und die Anerkennung ihrer Herrschaft.

Der Herrschaft von Frauen und ihrer Darstellung in der Kunst der Renaissance und des Barock war eine Ausstellung des University of Michigan Museum of Art in Ann Arbor und des Davis Museum and Cultural Center im Wellesley College über „Women who Ruled“ gewidmet, deren Katalog Annette Dixon herausgegeben hat. Nicht nur in gelehrten Diskursen und in den Schriften der ‚Querelle des Femmes‘ fanden sich Argumente über den Platz von Frauen in der Gesellschaft, sondern auch in der Kunst wurde die Thematik aufgegriffen. Auch die Fürstinnen selbst nutzten die visuelle Kultur ihrer Zeit für die Repräsentation und die Legitimierung ihrer Ansprüche.

Dixon liefert in ihrem Beitrag dazu einen thematischen Überblick. Sie fächert die verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten weiblicher Herrschaft auf – Gemahlinnen und Mütter, Jungfrauen, Verführerinnen, Heldinnen, Kriegerinnen und Göttinnen auf Gemälden, Stichen, als Skulpturen, auf Münzen, Vasen und anderen Kunstgegenständen. Sie analysiert die Strategien regierender Fürstinnen, sich in verschiedenen Rollen abbilden zu lassen – wie Christina von Schweden, die als Diana und als Minerva porträtiert wurde. Darüber hinaus weist sie auf die Ambivalenz von Bildern hin, die weibliche Tugenden und Laster thematisieren.

Aus historischer Perspektive wendet sich Merry Wiesner-Hanks den rechtlichen Grundlagen weiblicher Autorität in Haus und im Staat zu. Königinnen wie Isabella von Kastilien oder Elizabeth Tudor, Regentinnen wie Katharina von Medici oder Anna von Österreich waren gleichzeitig Subjekt und Objekt der staatstheoretischen und der christlich-anthropologischen Diskurse über Herrschaftsfähigkeit und Herrschaftsausübung von Frauen. Wiesner skizziert bekannte und weniger bekannte Aussagen zugunsten und zuungunsten weiblicher Regierung. Herrschaft verortet sie zum einen auf der Ebene des Staates, zum anderen auf derjenigen des Haushaltes. Da der Haushalt gleichsam als Abbild des Staates galt, waren Rolle und Funktion der Hausmutter nicht weniger umstritten als die der regierenden Fürstin.

Die Auswirkung dieser Diskurse auf die Gesetzgebung erläutert Wiesner insbesondere am Beispiel Frankreichs. Aber auch in den anderen Regionen Europas habe die Festigung der eheherrlichen wie der staatlichen Position zu einem Kontrollverlust der Frauen über ihre Person und ihr Vermögen geführt. Denn Frauen schuldeten ihrem Vater oder Gemahl Gehorsam und waren in rechtlicher Hinsicht immer auf männliche Vertreter angewiesen. Jedoch ebenso wie die Herrschaft einer Königin anerkannt war, wurde der Hausmutter die Aufsicht und Kontrolle über Kinder und Gesinde zugesprochen. Wiesner differenziert abschließend zwischen Herrschaft und Macht, indem sie darauf hinweist, dass unabhängig von ihrer ständischen Zugehörigkeit jede Frau die Emotionen ihres Gegenübers beeinflussen konnte. Ihrer Meinung nach sind daher sogar die positivsten Darstellungen weiblicher Herrschaft zutiefst ambivalent.

Diese Ambivalenz wird auch in dem Beitrag der Literaturwissenschaftlerin Mieke Bal „Women as the Topic“ thematisiert. Ihrer Ansicht nach helfe die Fokussierung der Ausstellung nicht nur, Bilder und ihre Entstehungszusammenhänge zu erkennen und führe daher nicht nur zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Gender-Rollen, sondern trage darüber hinaus zur De-Konstruktion der dominierenden Geschichtsschreibung bei. Bal analysiert, weshalb visuell-literarische Darstellungen einer schönen und todbringenden Heldin so große Popularität erreichten und belegt ihre Beobachtungen anhand mehrerer Darstellungen einer der ambivalentesten Figuren des Alten Testaments: Judith rettete ihr Volk, aber sie enthauptete Holofernes. Bal erläutert den Subtext dieser Gemälde, die die Botschaft transportierten, dass Frauen ausschließlich durch List und durch den Einsatz ihrer körperlichen Reize das erreichen, was Männern „natürlicherweise“ zustehe. Die Rolle der Frau als Opfer untersucht sie am Beispiel der Lucretia, deren Freitod nur noch als Allegorie auf die Demokratie verstanden werde. Ihrer Meinung nach dient die Zusammenschau der Darstellung von tatsächlichen Herrscherinnen mit entmachteten und mit machtlosen Frauen der Antike, der Mythologie oder der Bibel einer Unterminierung der historiografischen Narrative.

Die Kunsthistorikerin Bettina Baumgärtel, die 1995 die Düsseldorfer Ausstellung „Galerie der starken Frauen“ betreute, wendet sich in ihrem Beitrag den Strategien von Herrscherinnen zu, die ihre Position visuell legitimierten. Ausgehend von Kantorowicz’ Ausführungen über die zwei Körper des Königs, den natürlichen und den politischen 2, stellt sie die These auf, die Königin besäße ausschließlich ihren natürlichen Körper. Daher seien Herrscherinnen gezwungen gewesen, ihre Position und ihre Ansprüche auf den Thron plausibel zu machen. Die französischen Regentinnen bedienten sich zum einen der Figur der Minerva, um die politische Botschaft ihrer Weisheit und Fähigkeiten zu visualisieren. In der Figur der Artimisia stellten sie sich zum anderen als trauernde Witwen des verstorbenen Landesherrn dar; so betonten sie ihre Treue und nacheheliche Keuschheit. Als Personifikation der thronenden Justitia stellte sich beispielsweise Maria von Medici dar, um ihre Herrschaft als Herrschaft der Gerechtigkeit zu apostrophieren. Solche Tugenden und Fähigkeiten qualifizierten die Königinnen für die vormundschaftliche Regentschaft. Christina von Schweden ließ sich als Minerva Pacifera porträtieren, um ihren Beitrag zum Westfälischen Frieden augenfällig zu machen. Während auch Herrscher sich als Göttin Minerva repräsentieren ließen, sind jedoch keine Darstellungen von Königinnen als Mars oder Herkules bekannt. Baumgärtel schließt daraus, dass das Gender der Fürstin sowohl im mythologischen als auch im allegorischen Körper von grundsätzlicher Bedeutung gewesen sei.

Kontext und Kunst – so das eindrucksvoll vor Augen geführte Ergebnis – beeinflussen sich gegenseitig. Bilder sind machtvolle Mittel für die Meinungsbildung. Die Ausstellung und der reich bebilderte Katalogband laden gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein zur Reflexion über die Macht von Bildern, die der Konstruktion wie der Dekonstruktion von Geschlechterverhältnissen dienen.

Die Autorinnen des Katalogbandes stützen sich ebenso wie Jansen insbesondere auf die Ergebnisse der anglo-amerikanischen sowie der französischen Forschung, die sich auf die großen europäischen Monarchien und auf die Stadtrepubliken Italiens konzentriert. Die Herrschaft von Frauen in den Territorien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation wird kaum erwähnt: Zahlreiche Erbtöchter, Äbtissinnen, Stellvertreterinnen und Regentinnen harren daher nach wie vor ihrer ‚Entdeckung‘. Die Kenntnis einzelner Herrscherinnen und ihrer rechtlichen wie faktischen Handlungsspielräume kann erst den Vergleich dieser Herrschaftsformen untereinander sowie mit männlicher Herrschaft ermöglichen und dazu beitragen, regierende Frauen nicht mehr – und schon gar nicht als bemerkenswerte – Ausnahmen zu betrachten.

Anmerkungen:
1 Röslin, Karl L.Chr., Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. 1, Stuttgart 1775, 2. Buch, 2. Abschnitt, § 1, S. 27f. Ende des 20. Jahrhunderts heißt es ähnlich bei Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2002, S. 40: „Politik im allgemeinen und Monarchie im besonderen [war] grundsätzlich Männersache. [...] Frauen waren in Europa [...] zwar nirgends rechtlos und nicht einmal immer benachteiligt, kamen aber als politisch Handelnde in der Regel nicht vor. [...] Eine Geschichte der Monarchie muß aber auch von bemerkenswerten Ausnahmen handeln und prüfen, wie sie in das Bild der Männerpolitik passen.“
2 Vgl. Kantorowicz, Ernst H., Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990.

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