T. Magnusson: The Urban Transformation of Medieval Rome

Cover
Titel
The Urban Transformation of Medieval Rome, 312-1420.


Autor(en)
Magnuson, Torgil
Erschienen
Sävedalen 2004: Paul Åströms förlag
Anzahl Seiten
162 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ursula Lehmann, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Geschichte Roms im Mittelalter stellt nicht eine bloße Zwischenphase dar von dem Verlust der imperialen, antiken Größe der Stadt bis zum endlich gut tausend Jahre späteren Erstrahlen in neuem Glanz während Renaissance und Barock. Sie hält selbst Phasen des Niedergangs und der Erholung - üblicher Weise „Renaissancen“ genannt - bereit, wodurch sich das toposartige Verdikt des steten Verfalls verbietet. Das „Schicksal einer Stadt“, so der deutsche Titel von Krautheimers Standardwerk über Rom im Mittelalter 1, wird im Bild, in der Textur einer Stadt sichtbar. Doch können wir darüber hinaus auch erkennen wie Rom, das caput mundi, zum symbolischen und geistigen Bezugspunkt der westlichen Welt wurde? Hat sich dies in der Topografie für uns sichtbar niedergeschlagen? Erfahren wir durch ihre Erforschung wie es wurde, was es ist?

Den Prozesscharakter dieses Werdens benennt Torgil Magnuson bereits im Titel seiner Arbeit. Deren Ziel ist nach Angaben des Verfassers, der sich selbst primär nicht als Mediävist sieht und vor allem mit einer umfangreichen Arbeit zu Bernini und dem Quattrocento in Rom hervorgetreten ist, eine Einführung für Studenten und andere Neugierige in die römische Architektur und Kunstgeschichte des Mittelalters zu bieten. Hierfür hat er die größtmögliche Zeitspanne gewählt: vom Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke 312 bis zur Rückkehr des Papsttums nach Rom unter Martin V. 1420, nach dem Ende des Abendländischen Schismas.

Die Behandlung von über tausendeinhundert Jahren Geschichte einer Stadt wie Rom auf knapp 150 Seiten stellt eine ambitionierte Aufgabe dar, wobei Magnuson dafür gedankt werden muss, das sonst so oft wegen der Abwesenheit der Päpste vernachlässigte 14. Jahrhundert in seine Betrachtung mit einbezogen zu haben. Er hat seinen Stoff chronologisch in sechs Kapitel gegliedert und eine kommentierte Bibliografie vorangestellt, die sich leider weniger umfangreich und aktuell ausnimmt als wünschenswert wäre, aber als Einstieg brauchbar ist.

Magnuson beginnt mit einer ausführlichen topografischen Beschreibung Roms im vierten Jahrhundert, wobei er sich auf die paganen Aspekte konzentriert und das frühchristliche Rom erst im zweiten Kapitel beleuchtet. Konstantins Rom bildet nach Magnusons Ansicht, „the underlying structure for developments during the early Middle Ages” (S. 22), weshalb er einen umfangreichen Gang durch das spätantike Rom macht, der aber aufgrund mangelnder Karten den Neuling überfordert und den Kenner langweilt.

Die seit Konstantin nachweisbare kirchliche Topografie betrachtet Magnuson weniger aus einem kunsthistorischen Blickwinkel, als vielmehr die greifbaren Änderungen und Akzentverschienungen im Stadtbild zu erläutern. Mit den Basiliken am Lateran und St. Peter entstanden zwei neue Pole innerhalb deren Spannung sich die Orientierung gegenüber der antiken Stadt verschob. Folgten die Verkehrsachsen dort einer Süd-Nord Linie, wurden nun die Straßen, die das Marsfeld in südöstlich-nordwestlicher Richtung durchschnitten, zu den Adern der Stadt.

Ein markanter Einschnitt in die Topografie Roms erfolgte mit der Ummauerung St. Peters und seiner näheren Umgebung im 9. Jahrhundert, der so genannten Leostadt. Zu diesem Zeitpunkt war der Ausbau des Lateranpalastes zum liturgischen und administrativen Zentrum Roms bereits im vollen Gange. Die Bevölkerung hingegen zog es weniger an den Lateran, sie konzentrierte sich vor allem in der Tiberschleife und verließ nach und nach die Hügel. Dies wurde häufig dem Wassermangel zugeschrieben, doch muss diese Annahme nach Magnusons Auffassung wohl revidiert werden, waren die „waterless Middle Ages not as dry as they often thought to have been“ (S. 82).

Der durch feindliche Eroberungen und Plünderungen schrittweise verursachte Bevölkerungsverlust und Verfall der Stadt über fünf Jahrhunderte hinweg fand seinen Tief- und Wendepunkt mit den militärischen Auswüchsen des Investiturstreits, namentlich der Normanneninvasion im Jahr 1084. Die politischen Folgen für die Stadt bestanden darin, dass sich die Päpste selten ganz dort etablieren konnten, stattdessen der stadtrömische Adel an Einfluss gewann und seine Ansitze zu Festungen ausbaute, häufig unter Nutzung antiker Bauten, etwa des Marcellustheaters. Magnuson schildert mit viel Bildmaterial die zunehmende Aufteilung der Stadt unter die einzelnen Adelsfamilien.

Bei der Betrachtung der Römischen Kommune mit ihrer programmatischen Renovatio Senatus als Gründungakt 1143 interessiert sich Magnuson weniger für ihre ideologisch-symbolische Anknüpfungen an antike Traditionen als für das damit einhergehende baupolitische Programm, wie es am eindrücklichsten auf dem Kapitol sichtbar wird. Auch präsentiert er neuere Beobachtungen im Bereich der Wohnhäuser, doch lässt er großartige Kirchenbauten des 12. Jahrhunderts unverständlicherweise ungenannt.

Roms Bedeutung als Pilgerzentrum wächst. Dem verleiht Bonifaz VIII. einen weiteren Schub mit der Erfindung des „Jubeljahrs“, erstmals 1300; auch gründet er 1303 Roms Universität. Doch der Papst agierte immer weniger als Bischof von Rom, sondern als Haupt der Universalkirche. Dieser langfristige Selbstverständniswandel ist, so auch Magnuson, nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Papst innerhalb seiner Stadt nur eine Macht von vielen rivalisierenden darstellte. 1308 verlässt der Papsthof Rom und verlegt seinen Sitz nach Avignon. Magnuson betont, der Rückzug des Papsttums aus Rom in die so genannte Babylonische Gefangenschaft habe das Amt gestärkt, „in sharp contrast to what is generally believed“ (S. 125).

Eine der schillerndsten Figuren des 14. Jahrhunderts in Rom stellt wohl Cola di Rienzo dar, dessen Ideen von einem geeinten, unabhängigen Italien jedoch Roms Spaltung in die Machtbereiche zweier rivalisierenden Familien, der Colonna und Orsini, nicht beenden konnte. Magnuson vermittelt auch hier einen anschaulichen Eindruck, wie sehr sich diese Trennung in zwei Hoheitsgebiete auf die Stadtlandschaft auswirkte. Darüber hinaus widmet er sich eingehend den Straßenanlagen und vor allem den Wohnhäusern und Zweckbauten in dieser Zeit.

Die Rückkehr des Papsttums aus Avignon gelang trotz aufwändiger Befriedung des Kirchenstaates nicht vollständig. 1378 etablierte zwar Urban VI. seinen Hof in Rom, doch wählten Teile des Kardinalskollegiums im selben Jahr einen weiteren Papst, Clemens VII., der seine Residenz rasch nach Avignon zurückverlegte. Und obwohl nun wieder ein Papst in Rom residierte, litt die Stadt unter dem Schisma, das erst 1417 auf dem Konstanzer Konzil beendet werden konnte. Unter den Schisma-Päpsten, die nun nicht mehr am Lateran, sondern dauerhaft am Vatikan residierten, betätigte sich vor allem Bonifaz IX. als Bauherr in der Stadt, der vor allem auf Grund der Pilgermassen - zumal während der Jubeljahre - das Straßennetz Instand setzte und erweiterte.

Magnuson beschließt seine Arbeit mit einem Epilog, in dem er einige der Entwicklungen Roms während der Renaissance skizziert.

Das Buch verfügt neben einigen guten Karten und Plänen der Stadt, die er zum Teil selbst neu angefertigt hat, über ausführliche Personen-, Orts- und Sachregister. Auch überzeugt der Betrachtungszeitraum, gegenüber seinem Publikum bleibt der Autor leider unentschieden. Einem Kenner Roms kann er nicht viel Neues berichten, der „neugierige Einsteiger“, den Magnuson ansprechen möchte, muss jedoch viel Hintergrundwissen mitbringen. Der Verfasser versucht zwar häufig, den politischen Hintergrund zu umreißen, dies kann aber auf Grund der Anlage des Buches nur oberflächlich bleiben. Die Konzentration auf neue Ergebnisse bei den Profanbauten Roms geht leider zu Lasen der Kirchenbauten, doch ist es Magnuson insgesamt gelungen, in einer verständlichen Sprache gut tausend Jahre Baugeschichte einer Stadt wie Rom auf etwa 150 Seiten anschaulich zu komprimieren. Als Einstiegsliteratur findet man wohl zurzeit nichts Handlicheres, für den Rest bleibt Krautheimer.

Anmerkung:
1 Krautheimer, Richard, Rom. Schicksal einer Stadt, München 1982.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Land
Sprache der Rezension