Wirtschaftsgeschichte und New Institutional Economics

Ellerbrock, Karl-Peter; Wischermann, Clemens (Hrsg.): Die Wirtschaftsgeschichte vor den Herausforderungen durch die New Institutional Economics. . Münster 2004 : Ardey Verlag, ISBN 3-87023-196-3 296 S. € 28,00

: Die institutionelle Revolution. Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2004 : Franz Steiner Verlag, ISBN 3-515-08477-0 309 S. € 24,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Großbölting, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Um den methodischen Zugang der Wirtschaftsgeschichte wird zur Zeit mit erfreulicher Verve gerungen: Nachdem 1995 unter dem Eindruck von Stellenstreichungen und akuter Pläne für weitere Kürzungen die Redaktion der traditionsreichen Zeitschrift Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dazu aufgerufen hatte, den wissenschaftlichen Standort zu reflektieren 1, ist es aktuell die Herausforderung durch die Kulturgeschichte, die Vertreter des Faches und der Nachbardisziplinen umtreibt. Kulturwissenschaft und Kulturgeschichte einerseits und Wirtschaftsgeschichte andererseits, so hat Mark Spoerer vor einigen Wochen in einer Rezension auf dieser Liste resümiert, hätten sich zwar nie nahe gestanden, aktuell aber entwickelten sie sich zunehmend zu Antipoden.2 Für die Wirtschaftsgeschichte bedeutet dieses, dass das von vielen Fachvertretern reklamierte Selbstverständnis als „Brückenfach“ zwischen der allgemeinen Geschichte, der Ökonomie und der Sozialwissenschaften nun auch von Seiten der Geschichtswissenschaft gefährdet scheint: Wo die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten diejenigen Lehreinheiten, die sich speziell der historischen Dimension der Ökonomie widmen, eher dulden als fördern, da droht nun auch von Seiten der ‚allgemeinen’ Geschichtswissenschaft Ungemach. Der dortige mainstream hat sich unter dem (immer noch) unscharfen Sammelbegriff der „Kultur“ zu neuen Ufern aufgemacht: Diskurs-, Mentalitäts-, Gedächtnis- und Erfahrungsgeschichte betonen schon seit einiger Zeit die vormals vernachlässigten symbolischen, anthropologischen und subjektiven Dimensionen historischer Prozesse, blenden jedoch die wirtschaftlichen Grundlagen und Folgen weitgehend aus. Die neue kulturwissenschaftliche Sensibilität rückt die scheinbar „harten“ Fakten der Ökonomie mehr und mehr an den Rand.3

Dass das interpretatorische Potenzial ökonomischer Theorien auf insgesamt wenig Resonanz stößt, erklärt sich aber nur zum Teil aus den Interessen von HistorikerInnen. Auch die „Angebotsseite“ trägt zu dieser Situation bei: Die Mainstream-Ökonomie, so ertönt die Kritik aus den Reihen der Ökonomie selbst, habe sich zu einer abstrakt-theoretischen Wissenschaft entwickelt, die sich bei voranschreitender Mathematisierung und mit stark idealisierten Modellen in Scheinwelten flüchte.4

Die vor allem mit den Namen Douglas North und Ronald H. Coase verbundene Neue Institutionenökonomie (NIÖ) bietet Abhilfe oder zumindest Anregungen, wie diese wachsende Entfremdung zu überwinden sei, so die Überzeugung der Autoren und Herausgeber der zu besprechenden Publikationen. Sowohl die von Clemens Wischermann und Anne Nieberding verfasste „Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ wie auch die von Karl-Peter Ellerbrock und Clemens Wischermann herausgegebene Tagungsdokumentation „Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics“ setzen sich mit den Grenzen und Möglichkeiten der Neuen Institutionenökonomik für eine historische Analyse ökonomischer Prozesse auseinander. Während die „Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ an eine breite Leserschaft adressiert ist, dokumentiert der Tagungsband einen innerwissenschaftlichen Meinungsaustausch, der die NIÖ und ihr Potenzial für die Wirtschaftsgeschichte durchaus kontrovers diskutiert. Trotz der unterschiedlichen Zielrichtungen – das sei vorweg geschickt – verfolgen beide Publikationen ihr Anliegen auf eine ungewöhnlich produktive und anregende Weise.

1. Die institutionelle Revolution

Was die NIÖ beinhaltet und welche „tiefgreifende Modifizierung ihrer zentralen Erklärungsansätze“ (S. 11) damit für die Wirtschaftsgeschichte verbunden ist, demonstrieren Nieberding und Wischermann am Beispiel der Industrialisierung. Die Frage nach den Ursachen für die Ausbildung einer Wachstums- und Wettbewerbswirtschaft gehört zu den traditionellen Großproblemen der Wirtschaftsgeschichte. Gewöhnlich sind die Antworten darauf allerdings am „neoklassischen Wachstumsparadigma“ orientiert, wie Nieberding und Wischermann in einem ersten informativen Kapitel ausführen: In der neoklassischen Vorstellung der Welt der Wirtschaft vollziehen sich die Güterströme in einem geschlossenen volkswirtschaftlichen Kreislauf. Angebot und Nachfrage gleichen sich über das Scharnier der Preisbildung bis hin zu einem Gleichgewicht aus. Die Akteure des Marktes werden modellhaft als homo oeconomici gefasst, die von der Vernunft gesteuert und umfassend informiert primär zu ihrem eigenen Vorteil agieren. Das diesem Modell zu Grunde liegende Ziel ist eine möglichst optimale Gestaltung der einzelnen Kontexte, um zu Produktivität, Wachstum und Gütervermehrung zu gelangen. Das davon abgeleitete „Programm“ wirtschaftshistorischer Forschung zielt folgerichtig darauf, „Stadien wirtschaftlichen Wachstums“5 zu identifizieren und die Rahmenbedingungen auszumachen, die eine Output-Steigerung pro Kopf in regionaler, nationaler oder internationaler Perspektive ermöglichten oder behinderten. Im Mittelpunkt dieser Darstellungen stehen technische und industrielle „Revolutionen“; die Fabrik, die Eisenbahn und die Dampfmaschine avancieren zu den Lieblingskindern dieser Lesart der Geschichte, die bis heute die Hand- und Lehrbücher füllt. Der „entfesselte Prometheus“ ist das vielleicht wirkmächtigste Bild, welches David Landes für diesen Prozess geprägt hat.6

Dieser Sichtweise stellen Nieberding und Wischermann eine alternative Perspektive entgegen: Nicht technische und industrielle Innovationen, sondern die Institutionen und ihre Veränderungen gehören zu den wirkungsmächtigsten Faktoren der europäischen Wirtschaftsentwicklung in der Neuzeit. Adam Smiths immer wieder bemühte „unsichtbare Hand“ des Marktes setzte ein System von Institutionen und Verfügungsrechten voraus, welches die Funktionsfähigkeit liberaler Marktmechanismen erst ermöglichte. Aus dieser Perspektive sei die industrielle Revolution im engeren Sinne lediglich eine Oberflächenerscheinung institutioneller Innovation gewesen.

Die NIÖ selbst ist wegen ihrer Vielfältigkeit wohl eher als ein Forschungsprogramm denn als eine geschlossene ökonomische Theorie zu charakterisieren. Vielleicht gerade deshalb hielt die Ökonomik damit „erstmals seit dem Sieg der Neoklassik […] ein Theorieangebot bereit, das auch für nicht-kliometrisch arbeitende Wirtschafts- und Sozialhistoriker attraktiv war“.7 „Institutions matter“, so das zentrale Credo der NIÖ, welches in der Weiterentwicklung durch die Überzeugung „history matters“ ergänzt wurde. Was im Sinne der NIÖ als „Institution“ zu fassen ist, ist auch im engeren Kern ihrer Anhänger immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Neuausrichtungen. Als kleinster gemeinsamer Nenner hat sich eine Definition herausgeschält, die die Institution als „ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente“ beschreibt, deren Zweck es ist, „das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern“. Auf diese Weise „strukturieren sie unser tägliches Leben und […] verringern dessen Unsicherheiten“.8

Auf Grund dieses offenen Forschungsdesigns und eines eklatanten Mangels an empirisch ausgerichteten Forschungen zu den vielfältigen Ansätzen der NIÖ konzentrieren sich Nieberding und Wischermann auf eine Analyse aus der Perspektive der sich dramatisch ändernden Verfügungsrechte, um auf diese Weise die ökonomischen Veränderungen des „langen“ 19. Jahrhunderts darzustellen. Damit treten diejenigen Akteure und Institutionen ins Rampenlicht, welche das neoklassische Paradigma als exogene Rahmenbedingungen in die Kulissen verwiesen hatte, wie an einigen Schlaglichtern verdeutlicht werden kann: So wird der Übergang von der vorindustriellen Welt zur industriellen Welt wirtschaftshistorisch vor allem durch den Übergang von der moralisch legitimierten Ökonomie, die über einen hohen Anteil gemeinschaftlicher Verfügungsrechte bestimmt war, zu einer liberalisierten Wettbewerbsordnung mit individuellen Besitztiteln und Verfügungsansprüchen (S. 30-71) konturiert. Seit Mitte des Jahrhunderts etablierte sich die Marktgesellschaft vollends. Nachdem Gewerbe- und Agrarreformen zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Märkte geöffnet hatten, wurden sie nun durch die Kommunikations- und Transportrevolution integriert (vor allem S. 146-149). Die Gründerkrise nach der Reichsgründung offenbarte dann die strukturellen Defizite einer von staatlicher Seite aus weitgehend ungeregelten Marktwirtschaft. Unter anderem in der Folge des verlorenen Vertrauens verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum über zwei Jahrzehnte hinweg. Viel stärkeres Gewicht als in der traditionellen Darstellung erhalten in dieser Geschichte der industriellen Revolution diejenigen Institutionen, die die Transaktionskosten beeinflussten: das Geld als gesetzliches Zahlungsmittel, die Wirtschaftswerbung als Vermittler zwischen Produzent und Konsument oder die Aktiengesellschaft als eine „Schlüsselrevolution“ (S. 288), mittels derer sich Kapital kumulieren ließ.

Bei dem hier nur angedeuteten Abriss der Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts stehen die formgebundenen Institutionen im Vordergrund. Diese Einschränkung begründen Nieberding und Wischermann mit Verweis auf den derzeitigen Forschungsstand, skizzieren in ihrer Reflexion aber weit darüber hinaus Überlegungen zu einer Modifizierung des Institutionenbegriffs. Dass die formellen Institutionen allenfalls einen Teil der Erklärung bieten, hat insbesondere North im Laufe der 1990er-Jahre entwickelt.9 Ob und wie diese funktionieren, darüber entscheiden maßgeblich informelle Institutionen. Fundamentale Überzeugungen, Werthaltungen und Gewohnheiten sind historisch gewachsen und vor allem kulturell determiniert. Wo die Theoretiker der NIÖ die Funktion von Institutionen maßgeblich damit bestimmen, dass Informationen koordiniert werden, da führen Nieberding und Wischermann die Größe Kultur ein: Diese „kann man auch als Chiffre für kollektiv geteilte Sinnmuster bezeichnen, die individuelles Denken und Handeln – auch im ökonomischen Rahmen bestimmen“. Nach wirtschaftlichen Wandel zu fragen hieße dann, nicht mehr allein Institutionen zu untersuchen, sondern die „Institutionalisierungsprozesse von Sinnentwürfen und ihren Regeln in den Mittelpunkt“ zu stellen. Dass die wirtschaftshistorische wie die ökonomische Debatte darüber noch ganz in den Anfängen steckt, streichen Nieberding und Wischermann deutlich heraus. Es wäre zu begrüßen, wenn sich ihre Prognose erfüllt, dass „wir auf diesem Feld die schärfsten Auseinandersetzungen zwischen Wirtschafts- und Kulturwissenschaften noch vor uns haben“ (S. 29).

In seinen theoretischen und methodischen Anstößen geht das Buch weit über das Genre „Einführung“ hinaus, dennoch trägt es diesen Namen völlig zu Recht: Die beiden Autoren legen ihre methodischen Prämissen offen und regen auf diese Weise eine hoch reflektierte Lektüre an. Zugleich demonstrieren sie, dass sich eine dichte, stringente Argumentationsführung und eine anschauliche Präsentation nicht ausschließen, im Gegenteil: „Die institutionelle Revolution“ genügt beiden Ansprüchen auf exemplarische Weise.

2. „Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics“

Der von Karl-Peter Ellerbrock und Clemens Wischermann herausgegebene Band „Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics“ macht 18 Vorträge publik, die auf einer Tagung des Westfälischen Wirtschaftsarchivs und der Universität Konstanz in Dortmund 2001 gehalten wurden. Nicht die Genese, wohl aber die Publikationstermine lässt beide Veröffentlichungen in einen unmittelbaren Zusammenhang rücken. Inhaltlich ergänzt, problematisiert und führt der Sammelband in vielerlei Hinsicht fort, was die „Einleitung“ nur en passant anreißt.

Der Band gliedert sich in drei Sektionen: Im ersten Teil „Wirtschaftsgeschichte im institutionellen Paradigma“ diskutieren neben Herausgeber Clemens Wischermann die Beiträger Werner Plumpe, Hartmut Berghoff und als Kommentator Toni Pierenkemper Vor- und Nachteile des neuen Zugriffs oder vertiefen die Überlegungen an einzelnen Segmenten. Dabei kommen die Autoren zu durchaus kontroversen Einschätzungen zur Leistungskraft der NIÖ. Der „totale“ Erklärungsanspruch, den die NIÖ-Theoretiker vertreten, wird die Wirtschaftsgeschichte nicht befruchten (Berghoff), wohl aber weisen ihre Überlegungen die Richtung zu einer Auseinandersetzung mit den Theorieangeboten benachbarter Sozial- und Kulturwissenschaften (Wischermann). Eine zweite Sektion vereint Beiträge zu „Institutionellem Wandel und Wirtschaftsleistungen in der Neuzeit“: Nach der Einführung von Mitherausgeber Karl-Peter Ellerbrock beleuchtet Michael North „Institutionelle Faktoren der Wirtschaftsgeschichte des Alten Reichs“. Gerold Ambrosius nimmt eben diese Thematik auf und führt sie fort am Exempel der Regulierung von Lebensmitteln im Kaiserreich. André Steiner versucht sich an einer Skizze von „Etablierung, Reformen und Niedergang“ des DDR-Wirtschaftssystems und Harm G. Schröter analysiert Prozesse der Amerikanisierung, die er insbesondere am Beispiel der Einführung der Selbstbedienung aus institutionentheoretischer Perspektive thematisiert. Der dritte Teil „Das Unternehmen in institutioneller Perspektive“ vereinigt neben der Einführung von Peter Borscheid die Überlegungen Ulrich Pfisters zu „protoindustriellen Produktionsregimes in institutionenökonomischer Perspektive“ und Marcel Boldorfs Ausführungen zu „Märkten und Verlagen“ in der Leinenregion Niederschlesiens. Nach außen gewandte unternehmerische Sinnkonstruktionen und innerbetriebliche Kommunikationsprozesse thematisieren die Beiträge von Anne Nieberding und Gert Kollmer-von Oheimb-Loup. Thomas Welskopp analysiert die „Entwicklungslinien der institutionellen Bindung von Kapital und Arbeit“, bei der er NIÖ-inspiriert den historiografischen Nutzen einer begrifflichen Unterscheidung zwischen Kapitalismus und Industrialisierung produktiv für das 19. und 20. Jahrhundert exemplarisch vorexerziert. Methodisch weiterführend greifen Christian Kleinschmidt und Alfred Reckendress einzelne Anregungen der NIÖ auf und entwickeln diese in Fallanalysen weiter. Kleinschmidt fragt nach dem „Lernen von Organisationen“ und testet das methodische Angebot am Beispiel der Adaption von amerikanischen und japanischen Managementmethoden in deutschen Unternehmen. Reckendress modifiziert den Property Rights-Ansatz der NIÖ und macht ihn so nutzbar für die Analyse der institutionellen und organisatorischen Entwicklung der Vereinigten Stahlwerke.

Selbstverständlich greift die solchermaßen methodisch ausgerichtete Analyse nicht überall in gleicher Weise erfolgreich. In der Globalskizze des DDR-Wirtschaftssystems beispielsweise wird zwar den Transaktionskosten und dem Prinzipal-Agent-Problem mehr Bedeutung beigemessen, ohne damit aber über traditionelle Analysen hinaus zu gelangen (S. 112-131). Als empirisch besonders fruchtbar erweist sich der neue Zugriff im Bereich der Unternehmensgeschichte, wie die Beiträge zur dritten Sektion „Das Unternehmen in institutioneller Perspektive“ zeigen. Ohne zu einer „von Details überbordende Beschreibung von Betriebsabläufen oder Marktereignissen“ zu degenerieren, so das treffende Urteil von Kommentator Peter Borscheid, ermöglicht der institutionenökonomische Ansatz in diesem Bereich eine neue Qualität der Realitätsnähe (S. 159).

Die Wirtschaftsgeschichte wird kaum Nutzen daraus schöpfen, die Theorieelemente der NIÖ sklavisch auf die von ihr analysierten Vergangenheitsmomente zu übertragen. Die deutsche Rezeption ist, so zeigen die Beispiele des Sammelbandes, weit davon entfernt. Durch die produktive Aneignung ausgewählter Elemente scheint ein Brückenschlag zu den neuen Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft möglich. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise durch den Transaktionskostenansatz Begriffe wie Vertrauen, Reputation oder Moral in die Sprache der Ökonomie übersetzen, was Forschungen auf beiden Seiten beflügeln kann. Nicht zuletzt nährt sich daraus auch die Hoffnung, die Welskopp in seinem Beitrag angedeutet hat (S. 192). Über eine historisch fundierte Kapitalismusanalyse könnte die Wirtschaftsgeschichte auch bei der Reflexion aktueller ökonomischer Veränderungen gewinnen, was die neoklassische Ökonomie oftmals verloren hat – Relevanz.

Postscriptum: Auch wenn der wissenschaftliche Duktus, wie er von einer (falsch verstandenen) Objektivitätsfassade geprägt ist, dieses manchmal suggeriert, schreiben sich Bücher nicht von selbst. Hinter den Publikationen stehen Menschen und Schicksale. Anne Nieberding, die Mitautorin des besprochenen Bandes „Die institutionelle Revolution“, ist im Sommer 2004 auf Grund einer Krankheit im Alter von 34 Jahren verstorben. Ihr Tod hinterlässt nicht nur in ihrer Familie und unter ihren Angehörigen eine tiefe Lücke.

Anmerkungen:
1 Vgl. Pohl, Hans, Wirtschafts- und Sozialgeschichte – Neue Wege? Zum wissenschaftlichen Standort des Fachs, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 82,3 (1995), S. 387.
2 Vgl. Mark Spoerer: Rezension zu: Berghoff, Hartmut; Vogel, Jakob, Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels. Frankfurt am Main 2004. In: H-Soz-u-Kult, 20.12.2004, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-198>.
3 Vgl. als aktuellen Hinweis darauf die Beobachtungen zur Stellung der Wirtschaftsgeschichte in der Zeitgeschichte, die Patrick Wagner vom Kieler Historikertag berichtet. Ders, HT 2004: Eine „zweite Gründung“? 1968 und die langen 60er Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=485.
4 Vgl. dazu die einleitende Skizze bei Berghoff, Hartmut; Vogel, Jakob (Hgg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt am Main 2004, S. 10f.
5 Vgl. den Klassiker Rostow, Walt W., The stages of economic growth. A non-communist manifesto, Cambridge 1959.
6 Landes, David, Der entfesselte Prometheus. Technologischer Wandel und industrielle Entwicklung in Westeuropa von 1750 bis zur Gegenwart, Köln 1973.
7 Volckart, Oliver, Institutionenökonomische Erklärungen und wirtschaftshistorische Modelle, in: Schulz, Günther u.a. (Hgg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. 100 Jahre Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 2004, S. 619-638, S. 620
8 Richter, Rudolf, Institutionen ökonomisch analysiert. Zur jüngeren Entwicklung auf einem Gebiet der Wirtschaftstheorie, Tübingen 1994, S. 2.
9 North, Douglas C., Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992, S. 167f., vgl. dazu auch Priddat, Birger P., Historische Methode und moderne Ökonomie. Über das Methodische in der Historischen Schule und das Historische in der Neuen Institutionenökonomie, in: Berghoff, Hartmut; Vogel, Jakob (Hgg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt am Main 1994, S. 99-116.

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