Titel
Liberty and Freedom. A Visual History of America's Founding Ideas


Autor(en)
Fischer, David Hackett
Reihe
America: A Cultural History
Erschienen
Anzahl Seiten
851 S.
Preis
$50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Holger Loettel, Historisches Seminar, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

David Hackett Fischer ist eine Ausnahmeerscheinung unter den amerikanischen Historikern. Seine auch kommerziell erfolgreichen Bücher bestechen durch exzellente Lesbarkeit und ein hohes Maß an Originalität; sie richten sich an ein breites Publikum und verstehen sich dennoch als Beitrag zu aktuellen Fragen der Forschung. In ambitionierter Manier suchen Fischers grand narratives nach der Zusammenführung von Struktur, Prozess und Ereignis in der Geschichte.

Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist sein Werk unter seinen Fachkollegen nicht unumstritten. Heftige Kritik erntete der an der Brandeis University lehrende Historiker insbesondere für den ersten Teil einer mehrbändigen Kulturgeschichte der Vereinigten Staaten, den er 1989 unter dem Titel Albion’s Seed: Four British Folkways in America veröffentlicht hat. In dieser voluminösen, an Detailreichtum kaum zu übertreffenden Arbeit unternahm Fischer eine Umdeutung beinahe der gesamten neueren Kolonialgeschichtsschreibung. Einer Forschung, die für lange Zeit eher das Besondere der amerikanischen Erfahrung hervorzuheben geneigt war, setze er ein klar definiertes Konzept kultureller Kontinuität zwischen Alter und Neuer Welt entgegen, das insgesamt zwar originell und anregend, in vielem aber auch problematisch erschien. Durch das minutiöse Studium von Alltagspraktiken, Ritualen und Lebensweisen („folkways“) kam er zu dem Ergebnis, vier britische „Regionalkulturen“ im frühneuzeitlichen Amerika identifizieren zu können, die auf verschiedene Einwanderungswellen im 17. und 18. Jahrhundert zurückgingen: die strenge puritanische Lebenskultur Neuenglands, eine pseudo-feudale „Kavalierkultur“ in Virginia, die egalitäre Quäckerkultur im Delawaretal sowie die rauhe, individualistische Grenzkultur des südlichen Hinterlandes. In ihrer Zählebigkeit, so Fischer, prägen diese „four british folkways“ das Bild der US-Gesellschaft bis auf den heutigen Tag.1

Selbst Historiker wie James Horn, die dem Exzeptionalismusparadigma für die Kolonialzeit ebenfalls kritisch gegenüberstehen, sind Fischers Revisionismus nicht gefolgt.2 Dennoch hat er nun, fünfzehn Jahre nach dem Erscheinen von Albion’s Seed, mit Liberty and Freedom einen weiteren Band seiner Kulturgeschichte vorgelegt. Gemäß dem Anspruch der Reihe, die Ursprünge der offenen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten mit den Mitteln der neueren Kulturgeschichtsschreibung zu erklären, stehen Beständigkeit und Wandel des amerikanischen Freiheitsbegriffs im Mittelpunkt der Untersuchung.

Die im Englischen eng auf einander bezogenen Begriffe „liberty“ und „freedom“ besitzen separate Sprachwurzeln. Wie Fischer einleitend darlegt, bezeichnete „liberty“ in der Tradition römisch-antiker „libertas“ ein Maß persönlicher Unabhängigkeit in einer hierarchischen Gesellschaft. Die Freiheit des Einzelnen meint somit das Gegenteil von Knechtschaft und Sklaverei. „Freedom“ hingegen bezog sich in seiner germanisch-keltischen Herkunft auf die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Freien, dem Haushalt etwa, der Familie oder dem Stamm. Auch wenn diese Freiheitsbegriffe in der einen oder anderen Form schon früh in der westlichen Welt verankert waren, entwickelten sie sich als Wortpaar doch nur im Englischen zu einem festen Bestandteil der Alltagsprache. Erkennbar auf der umstrittenen Kernthese von Albion’s Seed beharrend, macht Fischer den Ursprung solch unterschiedlich akzentuierter Freiheitsideen in den „Regionalkulturen“ Amerikas zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung (S. 12f.). Hier wird er sich nach wie vor den Angriffen seiner Kritiker ausgesetzt sehen. Ohne ganz zu verschwinden, löst sich der Fokus auf die „Regionalkulturen“ freilich im Fortlauf des Buches zusehends auf, das die Evolution des amerikanischen Freiheitsdenkens epochenübergreifend nachzeichnet. Von der Kolonialära, der Revolution und der frühen Republik erstreckt sich das Panorama über Bürgerkrieg, Rekonstruktion und „Gilded Age“, um schließlich im Zeitalter der Weltkriege, der Ost-West-Konfrontation sowie der unmittelbaren Gegenwart zu münden.

Dass Liberty and Freedom seinem umfassenden Anspruch im Großen und Ganzen gerecht wird, hat vor allem mit seiner gelungenen methodischen Konzeption zu tun. Der Formel vom „visual turn“ 3 in der Geschichtswissenschaft Leben einhauchend, entfaltet Fischer seine Thesen entlang der Analyse von Bildern, Skulpturen, Symbolen und nationalen Ikonen. Die reichhaltige Bebilderung des Buches, die stets in direktem Bezug zum Text steht, macht die Lektüre zum lehrreichen Vergnügen. An den besten Stellen gelingt es ihm, über die visuelle Methode den Zugang zu unterschiedlichen, mitunter rivalisierenden Freiheitskonzepten zu erschließen. Mitten im amerikanischen Bürgerkrieg etwa verwendeten Künstler das Thema der Sklavenbefreiung zur Illustration ihrer jeweiligen Freiheitsideologie. Ein Ölgemälde des Nordstaatlers David Gilmore Blythe zeigt Abraham Lincoln als Autor der Emanzipationsurkunde, vertieft im Studium der Verfassung und erhellt vom Licht der Aufklärung. Sein Bild verweist deutlich auf das neu definierte Freiheitsbewusstsein, das die Kriegsziele der Union nach ihrer „new birth of freedom“ 4 von 1862/63 bestimmte. In der Skizze des Südstaatensympathisanten Adalbert Vock erscheint die gleiche Szene indes in einer ganz anderen Lesart: Ein diabolisch wirkender Lincoln tritt die Verfassung mit Füßen und lässt sich vom Teufel die Tinte für die Niederschrift des Befreiungsedikts reichen. Der tyrannische Präsident wirkt als Zerstörer jener „liberty“, die den Sklavenhaltern ihre persönliche Unabhängigkeit durch das Recht auf menschlichen Besitz garantiert. In beiden Kunstwerken spiegelt sich der Glaube an die universale Rechtmäßigkeit der jeweiligen Freiheitsidee (S. 357).

Gleichwohl werden die Grenzen von Fischers ikonografischem Ansatz dort deutlich, wo er zu Urteilen gelangt, die sich unter Heranziehung schriftlichen Quellenmaterials durchaus bestreiten lassen. So schreibt er etwa im Hinblick auf die vorgeblichen Defizite der konföderierten Nationalsymbolik: „In the end, the South was defeated not merely by material difficulties but by the moral weakness of its cause.“ (S. 314) Jedoch beweist allein die Fülle von erhaltenen Soldatenbriefen, in welchem Ausmaß die „Idee von Freiheit als Unabhängigkeit“ (ebd.) den Süden über Klassengrenzen hinweg zu mobilisieren vermochte.5 Die insbesondere von Richard Beringer formulierte und hier wieder aufgegriffene Auffassung einer inhärenten „moralischen Schwäche“ der Konföderation als kriegserklärende Ursache ist mit guten Argumenten von James McPherson und Gary Gallagher zurückgewiesen worden.6

Anders als in Albion’s Seed, wo das relativ knappe Abschlusskapitel über die Persistenz der „four british folkways“ eher holzschnittartig ausfiel, stellt Fischer hier die Dialektik von Kontinuität und Wandel im amerikanischen Freiheitsdenken überzeugender dar. Die überlieferten Freiheitssymbole der Gründerepoche wurden von späteren Generationen aufgegriffen und in gewandelte Sinnzusammenhänge übertragen. Äußere Katalysatoren für die Debatten über den Stellenwert von „liberty“ und „freedom“ waren vor allem die Kriege Amerikas, von der Revolution über den Bürgerkrieg bis zu den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und dem so genannten Krieg gegen den Terrorismus. All diese Konflikte gingen mit zum Teil erheblichen Einschränkungen der Bürgerrechte einher und reflektieren somit das fundamentale Problem einer offenen Gesellschaft im Krieg, die zwischen den Anforderungen nationaler Sicherheit und den Erfordernissen ziviler Freiheit abwägen muss. Die äußeren Herausforderungen waren auch stets gekoppelt an den Kampf um die Deutung des Freiheitsbegriffes im Inneren. In den Depressionsjahren der Zwischenkriegszeit beispielsweise paarte er sich mit dem Verlangen nach sozialer Gerechtigkeit, und die Bürgerrechtsbewegung der Nachkriegsära formierte sich um eine von rassischer Ungleichheit gereinigte Idee der Freiheit. Stets wurden „liberty“ und „freedom“ an die Erfordernisse einer sich wandelnden Zeit angepasst, was ihre Popularität sogar bis in die Subkulturen der 1960er und 1970er-Jahre hinein zu erklären vermag. Ikonen der Hippiebewegung wie Jimi Hendrix und Janis Joplin brachten durch ihren Lebenswandel und in ihrer Musik ein radikal alternatives, existenzialistisches und fatalistisches Freiheitsverständnis zum Ausdruck: „Freedom’s just another word for nothin’ left to lose“, sang Janis Joplin in der Interpretation von Me and Bobby McGee, Kris Kristoffersons „neuer Freiheitshymne“ (S. 640).

Wie hieran deutlich wird, präsentiert Fischer seine Thesen mit einer schier unerschöpflichen Zahl von Beispielen, anhand derer er seine Talente als „storyteller“ voll entfalten kann. Bisweilen zwingt ihn die Bewältigung seiner Stoffmasse jedoch zu arg gerafften Kapiteln, in denen die Präsentation der Quellen eher zur Aufzählung gerät („yet another…“). Die Schwächen des Buches werden im Übrigen vor allem dann sichtbar, wenn es den amerikanischen Bezugsrahmen seines Gegenstandes verlässt. So stören die konsequente Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Faschismus, fehlerhafte Übersetzungen fremdsprachlicher Begriffe oder deren zweifelhafte Interpretation: Das die Rechtlosigkeit der Geächteten bezeichnende deutsche Wort „Vogelfreiheit“ meint nicht, wie Fischer annimmt, einen Zustand ungezügelter Freiheit („free as a bird“) und hat auch keinen symbolischen „Freiheitsvogel“ hervorgebracht (S. 91).

Man mag es Fischer als Stärke und Schwäche zugleich auslegen, dass er kaum Berührungsängste bei der Bestimmung des Verhältnisses von Geschichte und Gegenwart kennt. In den späteren Kapiteln seiner Arbeit tritt er als Miterlebender seiner Epoche hervor, schildert persönliche Erfahrungen und äußert – ab und an mit pathetischem Gestus – Meinungen, die man teilen mag oder nicht (S. 571, 701). Und obwohl er sich hütet, die Vergangenheit an den Prämissen der heutigen Zeit zu messen, lautet sein historiografisches Credo: „The past is not a foreign country. Our ancestors lived here. Their acts and thoughts are an important part of our own world, and we have much to learn from their experience.“ (S. 820)

Liberty and Freedom ist ein mutiges, ein bemerkenswertes Buch. Wer etwas über das Selbstverständnis der Amerikaner und die Motive ihres Handelns in der Welt lernen möchte, sollte es lesen.

Anmerkungen:
1 Fischer, David Hackett, Albion's Seed. Four British Folkways in America, Oxford 1989.
2 Horn, James, Adapting to a New World. English Society in the Seventheenth Century Chesapeake, Chapel Hill 1994. Zur Diskussion um Fischers Buch vgl. ferner das historiografische „Forum“, in: William and Mary Quarterly 48 (1991), S. 223-309.
3 Roeck, Bernd, Visual turn? Kulturgeschichte und die Bilder, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 294-315.
4 Lincoln, Abraham, Gettysburg Address, 4.7.1863, in: Basler, Roy (Hg.), The Collected Works of Abraham Lincoln, Bd. VII, New Brunswick 1953, S. 22-23.
5 Vgl. McPherson, James M., For Cause and Comrades. Why Men fought in the Civil War, New York 1997.
6 Vgl. McPherson, James M., Für die Freiheit streben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges, München 2000 (EA 1989); Ders., American Victory, American Defeat, in: Boritt, Garbor (Hg.), Why the Confederacy Lost, New York 1992, S. 17-42; Gallagher, Gary, The Confederate War. How Popular Will, Nationalism, and Military Strategy Could Not Stave Off Defeat, Cambridge 1997; Beringer, Richard E. u.a., Why the South lost the Civil War, Athens 1986.

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