C. Walker: Gender and Politics in Early Modern Europe

Cover
Titel
Gender and Politics in Early Modern Europe. English Convents in France and the Low Countries


Autor(en)
Walker, Claire
Erschienen
Basingstoke 2003: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
$95.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne Conrad, Universität Saarbrücken, Institut für Katholische Theologie

Untersuchungen zu den religiösen Verhältnissen im frühneuzeitlichen England haben bislang erstaunlich wenig Widerhall in der kontinentalen Konfessionalisierungsforschung gefunden. England erscheint geradezu als ein isoliertes, von den Entwicklungen auf dem Kontinent unabhängiger Fall; übergreifende und vergleichende Untersuchungen stehen noch aus.1 Der vorliegende Band – entstanden aus einer PhD-Thesis der australischen Historikerin – mag dazu einen neuen Anstoß geben.

Walker beginnt mit einem Forschungsüberblick zur kontroversen Einschätzung der Reformation und des nachtridentinischen Katholizismus (Kap. 1: „Female Monasticism Revived: Foundations and Vocations“). Im Mittelpunkt stand bisher die Frage nach Bedeutung und Erfolg der katholischen Mission und nach deren politischen Auswirkungen im 16. und 17. Jahrhundert, wobei besonders die religiöse und politische Rolle katholischer Laien, vor allem aus der Gentry herausgestellt wurde. Da katholische Kleriker ihr Amt nicht ausüben durften, waren es diese Laien, die in ihren Hausgemeinschaften für ein Fortleben der katholischen Traditionen und Riten sorgten – den Repressionen der anglikanischen Herrschaft zum Trotz und um den Preis hoher Strafgeldzahlungen und des Verlusts der öffentlichen Reputation. Im Untergrund entwickelten diese „recusants“ auch ein neues, aus dem Widerstand genährtes Selbstbewusstsein. Dass Frauen bei diesen Aktivitäten eine wesentliche Rolle spielten, klang dabei bereits gelegentlich an 2, wobei der Fokus vor allem auf die in der gegenreformatorischen Mission aktiven Frauen, wie Mary Ward, gerichtet war.

Walker hingegen widmet ihre Untersuchung einer anderen, bislang wenig beachteten Gruppe von Frauen, deren Selbstverständnis und Lebensweise wenig zu den missionarischen Aktivitäten der Katholiken zu passen scheint, die aber gleichwohl in diesem Kontext eine tragende Rolle spielten: den Mitgliedern kontemplativer Frauenklöster, die durch und für englische Frauen auf dem Festland, vor allem in den Niederlanden und in Frankreich, gegründet wurden. Sie rekrutierten sich aus jenen weiblichen „recusants“, die religiös und politisch ein Zeichen gegen die protestantische Regierung setzen wollten.

Die Autorin verfolgt die Entwicklung dieser englischen Klöster auf dem Kontinent bis zur Säkularisierung. Sie fragt nach dem Kontext der Gründungen, dem Selbstverständnis der Nonnen, ihrer Spiritualität und ihrer öffentlichen Wirksamkeit. Konkret handelt es sich um 22 Klöster, die zwischen 1598 und 1678 u.a. in Brüssel, St. Omer, Löwen, Antwerpen, Gent, Brügge, Cambrai, Paris, Lüttich und Rouen gegründet wurden und in denen insgesamt etwa tausend Nonnen lebten. Die Konvente gehörten dabei zu unterschiedlichen Ordensdenominationen: Benediktinerinnen, Klarissen, Augustinerinnen, Karmelitinnen, Dominikanerinnen, Franziskanertertiarinnen u.a. (s. tabellarische Übersicht, S. 17). Besonders viele Klöster wurden in den Jahren zwischen 1619 und 1629 gegründet. Auch im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts lassen sich bestimmte Hochphasen erkennen, die, wie Walker zeigen kann, zu den politischen und gesellschaftlichen Konjunkturen in England in einem engen Verhältnis stehen. Walker skizziert dabei die großen Entwicklungslinien und belegt sie mit biografischen Details einzelner Nonnen.

Die Motivation der Gründungen stand in einem doppelten Kontext: zum einen die allgemeine, im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts einsetzende katholische Reformbewegung des 16. und 17. Jahrhunderts, zum anderen der nachreformatorische katholische Widerstand in England. Die katholische Reform, die ebenso wie die reformatorischen Bewegungen an die spätmittelalterliche, kleruskritische Laienfrömmigkeit anknüpfte, brachte eine Erneuerung des monastischen Ideals hervor. Innovativ war vor allem die Entstehung neuer Orden, die auf ein starkes gesellschaftliches Engagement (Seelsorge, Sozialfürsorge) zielten und über ein hohes Maß an Mobilität – im Gegensatz zum traditionellen Ideal der „stabilitas“ als Bindung an einen Ort – und Flexibilität bei der Seelsorge verfügten Die kontemplativen Klöster erlebten in dieser Zeit einen Aufschwung, meist verbunden mit einer Revision der traditionellen Vorgaben wie der strengen Klausur und der Distanz zur „Welt“, die weder mit öffentlicher Seelsorge noch mit Mobilität in Einklang zu bringen waren. Für sie wurde nun die katholisch-konfessionalistische Mädchenerziehung zu einem neuen Betätigungsfeld. Die Gründung der englischen Frauenklöster auf dem Kontinent fügt sich in diesen Zusammenhang ein, war darüber hinaus jedoch durch die speziellen politischen Verhältnisse in England in besonderer Weise geprägt. Der Eintritt in ein Kloster war für die Frauen nicht nur Ausdruck ihrer dezidierten katholischen Frömmigkeit, sondern auch ein politisches Signal an die Heimat: Die englischen Konvente auf dem Kontinent waren „focal points for worship and community identity among the exiled recusants“ (S. 15). Enge Verbindungen gab es dabei zu katholischen Priestern, vor allem zu Jesuiten, die illegal in England als Missionare tätig waren und von den Nonnen ideell, finanziell und organisatorisch unterstützt wurden. Zusammen mit verwandtschaftlichen Beziehungen entstand so ein eng geknüpftes Netzwerk.

Dass diese Beziehungsgeflechte nicht unproblematisch waren und zu Machtkämpfen und internen Konflikten in den Konventen führen konnten, gehört zu den Aspekten, die Walker im 2. Kapitel thematisiert („The Monastic Family: Order and Disorder in the Cloister“). Verbindungen zu konkurrierenden Männerklöstern und Geistlichen, wie Jesuiten und Franziskanern, brachten ebenso wie abweichende politische Positionen unter den Frauen Unruhe in den Konvent. Die internen Machtverhältnisse waren ohnehin fragil, weil das Kirchenrecht den Frauenklöstern strenge Klausurbestimmungen auferlegte und der Selbstverwaltung der Konvente enge Grenzen setzte. Trotz oder gerade wegen dieser Vorgaben ist die Diskrepanz zwischen Norm und Praxis offensichtlich: Die Frauenklöster unterliefen weithin die rechtlichen Regelungen, agierten oft selbstständig, verfügten über beachtliche wirtschaftliche Möglichkeiten und sicherten sich so ihr Ansehen in der Öffentlichkeit.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse (Kap. 3: „The Monastic Economy: Prayer and Manual Labour“) wurden nicht nur bestimmt durch Stiftungen aus England und die Mitgiften der Frauen, sondern auch durch Gebet und Handarbeit: Ganz in der Tradition der mittelalterlichen Klöster gehörte das Gebet für andere zu den wichtigsten Funktionen und Einnahmequellen der Nonnen. Nicht zuletzt die Differenzierung zwischen Chor-Nonnen, die für das Gebet, und Laienschwestern, die für die Handarbeit zuständig waren, ermöglichte die Aufrechterhaltung von Handwerksbetrieben, z.B. im Bereich der Textilverarbeitung und des Brau-Gewerbes. Daneben gewann jedoch ein weiterer Bereich Bedeutung: Erziehung und Unterricht für Mädchen in Internaten und Schulen. Der Zeit entsprechend, wurde dies im 17. Jahrhundert das wichtigste Betätigungsfeld der Nonnen, obwohl sie offiziell strengen Klausurvorschriften unterlagen.

Kapitel 4 („Beyond the Cloister: Patronage, Politics and Society“) nimmt den anfänglichen Faden wieder auf und richtet den Blick auf die Netzwerke und das ‚Sponsoring‘ der Klöster. Finanziell und ideologisch wurden die Insassen von ihren Familien in England, aber auch von den politischen und religiösen Eliten vor Ort, besonders aus dem Adel, unterstützt. Die Kontakte wurden dabei oftmals über englische Priester auf dem Kontinent vermittelt. Hier zeigt sich erneut, wie eng Politik und Religion in einander verwoben waren. Das 5. Kapitel („Active in Contemplation: Spiritual Choices and Practices“) stellt schließlich die Spiritualität der Nonnen in den Mittelpunkt. Die für den frühneuzeitlichen Katholizismus charakteristische Tendenz wird dabei noch einmal sehr deutlich: Die „vita activa“ als Ausdruck des offensiven und öffentlich wirksamen Bekenntnisses zum Katholizismus stand im Vordergrund. Die für die traditionellen Orden kennzeichnende „contemplatio“ galt nach wie vor als Ideal, wurde aber durch vielfältige Akti- vitäten in Mission, Seelsorge und Bildungswesen so ergänzt, dass sie faktisch zur „actio“ wurde. Befördert wurde dieser Wandel des Selbstverständnisses durch die Orientierung an der Spiritualität der Jesuiten, die am engsten mit den Nonnen zusammenarbeiteten und ihr Selbstverständnis am markantesten prägten. Auch dies war allerdings wiederum eine Gratwanderung, denn die Ordensrichtlinien verlangten eine deutliche Distanz der Jesuiten zu weiblichen Klostergemeinschaften. An mehreren Beispielen verdeutlicht Walker, wie diese Spannung im Einzelfall bewältigt wurde.

Insgesamt gibt Walkers Untersuchung einen sehr guten Einblick in die ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnisse der Klöster. Eine Untersuchung über kontemplative Nonnenklöster unter dem Titel „Gender and Politics“ ist zwar zunächst irritierend, bei näherem Hinsehen jedoch sehr plausibel, denn genau darum geht es: um die öffentliche, also politische und religiöse Wirksamkeit der monastischen Frauenklöster. Interessant wäre allerdings die Frage, ob sich unter den spezifischen äußeren Bedingungen der „recusants“ auch eine spezifische – vom tridentinischen Katholizismus abweichende? – Theologie entwickelte, wie es von anderen „Untergrundkirchen“ bekannt ist. Dass Walker als Historikerin diese Fragen nur wenig berührt, ist kein Defizit des Buches, sondern zeigt, wie anregend seine Lektüre auch für TheologenInnen sein kann.

Anmerkungen:
1 Vgl. dazu den informativen und problemorientierten Forschungsüberblick bei Ehrenpreis, Stefan; Lotz- Heumann, Ute, Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, S. 99-111.
2 So bereits: Bossy, John, The English Catholic Community. 1570-1850, London 1975.

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