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Titel
Stadt und Stift. Studien zur Geschichte Münstermaifelds im hohen und späteren Mittelalter


Autor(en)
Escher-Apsner, Monika
Erschienen
Trier 2004: Kliomedia
Anzahl Seiten
640 S., 5 s/w Abb., 11 Tab., 6 Kart.
Preis
€ 75,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tillmann Lohse, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Das Münstermaifeld des 21. Jahrhunderts präsentiert sich der global vernetzten Öffentlichkeit als ein „liebliches Landstädtchen“ unweit der Mosel, das „in gesunder Landluft [...] jedem Erholungssuchenden Behaglichkeit und frohe Stunden“ bieten könne.1 Bislang wurde auch dem mittelalterlichen Münstermaifeld eine eher „ländliche[.] Prägung“ 2 attestiert. Doch jüngst hat Monika Escher-Apsner mit einem dicken Buch versucht, diese Ansicht zu widerlegen. Ihre für den Druck geringfügig überarbeitete Dissertation von 2001 führt notgedrungen in die Untiefen lokalhistorischer Forschung – und wird trotzdem mit einer breiteren Leserschaft rechnen dürfen. Es handelt sich nämlich um eine Fallstudie zu einem jener „Zentren mittlerer Ebene“ 3, denen das Teilprojekt B-2 des Trierer SFB 235 zuletzt seine besondere Aufmerksamkeit schenkte und deren Urbanität im hohen und späten Mittelalter demnächst eine monumentale Dokumentation erfahren wird.4 Arbeitsgrundlage ist ein „‚kombinierte[r] Stadtbegriff‘ mit der Berücksichtigung einer Vielzahl städtebildender Kriterien“ (S. 19f.), d.h. ein Kriterienkatalog, mit dessen Hilfe die Überlieferung geordnet und ihre Interpretation kartografisch umgesetzt werden soll.5

Escher-Apsner legt den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Zeit vom Beginn des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts und berührt somit unweigerlich eine der beliebtesten Fragen lokalhistorischer Forschung: die ‚Stadtwerdung‘ des jeweiligen Ortes. Teleologische Interpretamente, die sich vor allem in der älteren Forschung großer Beliebtheit erfreuten, werden mit Recht verworfen. Die ‚Stadtwerdung‘ Münstermaifelds könne nicht als kontinuierliche Entwicklung beschrieben werden, an deren Ende das von den Bürgern angestrebte Ziel einer als städtisch zu bezeichnenden Siedlung gestanden habe. Vielmehr sei davon auszugehen, „daß sich die Gemeinde vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Gegenwart [...] zu begreifen und zu arrangieren hatte, ohne die ‚Vollendung‘ ihrer Gemeinschaft in einer bestimmten Form und Qualität von Stadt anzustreben“ (S. 22; auch S. 260f.). Eben jener Hintergrund ist es, um dessen Erhellung Escher-Apsner sich bemüht. Als prägende Faktoren identifiziert sie zum einen die Wechselwirkungen zwischen dem Stift St. Martin/St. Severus und der Münstermaifelder Stadtgemeinde, zum anderen deren „gleichgeordnete[s] Verhältnis zum Trierer Erzbischof als Landes- und Stadtherren sowie als geistlichem Oberhirten“ (S. 16).

Das Buch zerfällt in neun systematische Kapitel, die von einer gedrängten Einleitung und einer schmalen ‚Schlussbetrachtung‘ zusammengehalten werden. Ein roter Faden sind die bereits erwähnten Wechselwirkungen zwischen Stadt und Stift, auf die Escher-Apsner immer wieder stößt; etwa im Zusammenhang mit der Entstehung eines Wochenmarktes (S. 95ff.), der Ausdifferenzierung des Gewerbes (S. 163f., 185ff., 193, 221f.), dem Unterhalt der Befestigung (S. 252f., 256) oder der Ausbildung eines Schöffenkollegiums (S. 265, 301, 319, 336, 349f.). Leider verzichtet Escher-Apsner jedoch auf eine erkenntnisleitende Modellbildung. Ansätze in diese Richtung – das Stift gewährleiste eine kultisch-religiöse Versorgung und habe Vorbildfunktionen für die sich herausbildende Stadtgemeinde, von der wiederum Zuwendungen an das Stift zurückflössen (S. 382) – bleiben recht allgemein und haben eher resümierenden Charakter. Dies lässt beim Leser allzu oft den Eindruck entstehen, alles hänge irgendwie mit allem zusammen, und leistet mitunter hilflos wirkenden Formulierungen Vorschub. So sieht Escher-Apsner z.B. in der Vollendung des spätestens 1225 in Angriff genommenen und zwischenzeitlich ins Stocken geratenen Neubaus der Stiftskirche den „Beginn einer neuen Sozialverantwortlichkeit [?!], die zunächst von den Mitgliedern des Stifts, dann aber auch von den mit diesen verbundenen bürgerlichen Einwohnern Münstermaifelds wahrgenommen“ (S. 145f.) worden sei. Personengeschichtliche Überlegungen zu den familiären Interdependenzen zwischen Stiftsherren und Bürgern, die sich wechselseitig als coopidani bezeichneten (S. 507), erfolgen erst im 8. Kapitel („Begegnungsräume von Stadtgemeinde und Stiftsgemeinschaft“) und führen zu dem Ergebnis, dass „mit dem allmählichen Wandel in den dominierenden Schöffenfamilien auch eine Umstrukturierung des stiftischen Personals einherging respektive auch umgekehrt Veränderungen innerhalb des Stiftskapitels auf die Stadt zurückwirkten“ (S. 371). Wenig später heißt es dann: „Insgesamt lassen sich derart enge Verzahnungen zwischen Stift und Stadt auf der Ebene der personellen Zusammensetzung konstatieren, daß die Trennung beider Gemeinschaften nur noch methodisch-funktionalen Charakter haben kann, sich realiter aber eine ‚Schicksalsgemeinschaft‘ gebildet habe.“ (S. 375) Spätestens jetzt fragt sich der Leser, ob man das Miteinander von Stift und Stadt nicht präziser mit einem stiftungsgeschichtlichen Ansatz und dem Nekrologium von St. Martin/St. Severus als Leitüberlieferung hätte erfassen können. 6

Überzeugend ist hingegen die Einordnung von Stift und Stadt Münstermaifeld in das zentralörtliche Gefüge der ‚mittelrheinischen Städtelandschaft‘ (S. 479ff., 502f.). Hier schöpft Escher-Apsner aus der Erfahrung und den Ergebnissen jahrelanger Erfassungsarbeit 7, mit der offensichtlich eine solide Grundlage für vergleichende Studien geschaffen wurde. Die lokalhistorische Forschung wird ihr darüber hinaus dankbar sein für die Sammlung zahlreicher Erstbelege (z.B. S. 147ff.), eine tabellarische Übersicht zur Zusammensetzung des Münstermaifelder Schöffengremiums (S. 322-334), ein vierzig-seitiges Orts- und Personenregister sowie fünf optisch ansprechende Karten.

Anmerkungen:
1 Vgl. http://www.muenstermaifeld.de/index.html.
2 So etwa Meuthen, Erich, Stift und Stadt als Forschungsproblem der deutschen Geschichte, in: Ders. (Hg.), Stift und Stadt am Niederrhein. Referate der 3. Niederrhein-Tagung des Arbeitskreises niederrheinischer Kommunalarchivare (30. September bis 1. Oktober 1983 in Emmerich-Borghees), Kleve 1984, S. 9-26, hier S. 16.
3http://www.uni-trier.de/infos/sfb235/projects/nziele.htm.
4 Escher, Monika; Hirschmann, Frank G., Die urbanen Zentren des hohen und späten Mittelalters. Untersuchungen zu Städten und Städtelandschaften im Westen des Reichs und in Ostfrankreich. Kommentiertes Kartenwerk, 3 Bde., Trier [im Druck]. Geplant sind über 450 Ortsartikel, vergleichende Analysen und etwa 20 Karten; vgl. http://www.kliomedia.de/klimax/templ/euterpe.asp?BandID=73&id=5010021002.
5 Vgl. Escher, Monika; Haverkamp, Alfred; Hirschmann, Frank G., Städtelandschaft – Städtenetz – zentralörtliches Gefüge. Einleitung, in: Dies. (Hg.), Städtelandschaft – Städtenetz – zentralörtliches Gefüge. Ansätze und Befunde zur Geschichte der Städte im hohen und späten Mittelalter, Mainz 2000, S. 9-53, S. 14 mit Anm. 24; eine Zusammenstellung und Gewichtung der Zentralitäts- und Urbanitätskriterien ebd., S. 52f.
6 Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 144, Nr. 1431. Escher-Apsner greift wiederholt auf diese Handschrift zurück, kommt bei der Auswertung aber über zaghafte Ansätze nicht hinaus (z.B. S. 200 mit Anm. 244); vgl. hingegen vorbildlich für Speyer: Grafen, Hansjörg, Forschungen zur älteren Speyerer Totenbuchüberlieferung. Mit einer Textwiedergabe der Necrologanlage von 1273, Mainz 1996, bes. S. 159-181, 238-246.
7 S.o. bei Anm. 4.

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