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Titel
Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht


Autor(en)
Welwei, Karl-Wilhelm
Erschienen
Stuttgart 2004: Klett-Cotta
Anzahl Seiten
438 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Link, Historisches Institut, Universität Paderborn

Das wissenschaftliche Interesse am griechischen Sparta hat in den letzten Jahren gerade auch im deutschsprachigen Raum eine bemerkenswerte Renaissance erlebt. Ihr vorläufig jüngstes Kind ist die als Überblick konzipierte Gesamtdarstellung von Karl-Wilhelm Welwei - ein Werk, dessen Anschaffung lohnt. Nach Ausweis des Vorworts darauf angelegt, "die mannigfachen neuen Perspektiven der Geschichte Spartas auch einem [...] breiteren Leserkreis zu erläutern" (S. 9), schildert es auf knapp 350 Seiten in leichtverständlicher Sprache die politische, institutionenkundliche und gesellschaftliche Geschichte der Stadt Sparta und seiner verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Ein knapp 50-seitiger Anmerkungsapparat schließt sich an; ein Abkürzungsverzeichnis (das die Bibliografie ersetzen soll, in seiner gekürzten Version aber leider nicht ganz zu ersetzen vermag), eine Zeittafel, ein Kartenteil und ein mehrfach untergliedertes, zuverlässiges Register runden das Werk ab.

Welweis Hauptaugenmerk liegt auf der ausführlich erzählten und bisweilen (wie etwa im Falle der Thermopylenschlacht) geradezu packend geschilderten politischen Geschichte. Die institutionen- und gesellschaftskundlichen Ausführungen bettet er - mehr oder weniger in Form von Exkursen - in den ereignisgeschichtlichen Ablauf ein. Dieses Verfahren präjudiziert freilich bestimmte Entscheidungen und schließt durchaus offene Fragen aus: Allein eine Kapitelfolge wie "Der erste Messenische Krieg - Die Große Rhetra - Der zweite Messenische Krieg" (Kap. I.7-9) stellt von vornherein klar, in welche Epoche und welches sachliche Umfeld der Leser das nach Zeitstellung und Inhalt höchst umstrittene Dokument einzuordnen habe (ähnlich etwa Kap. I.9-11). Dass Welwei sich bei seinen Entscheidungen in solchen Fragen zumeist der communis opinio oder zumindest sehr weitverbreiteten Einschätzungen anschließt, entspricht dem Charakter eines Überblickswerkes gut und entschärft das mit der Gliederung verbundene Problem. Dennoch mag man sich fragen, warum ein Phänomen wie das der spartanischen Knabenliebe - in ihrer ganz eigenen, typisch spartanischen Ausprägung einigermaßen wichtig für ein tieferes Verständnis der Gesellschaft während der gesamten klassischen Zeit - zunächst aufs Engste mit dem Beginn des Peloponnesischen Krieges verknüpft und sodann überhaupt in seiner Bedeutung bestritten wird ("Sicherlich hat es in Sparta auch Päderastie gegeben, aber es ist nicht klar, ob sie hier weiter verbreitet war als in anderen antiken Gesellschaften", S. 209): Nicht allein die enge zeitliche Anbindung an bestimmte politische Ereignisse, sondern auch ganz sachfremde Vorentscheidungen lassen die Knabenliebe hier zu einer "strafbaren Päderastie" (S. 209) und anderswo den spartanischen Feldherrn Lysander, den Liebhaber des nachmaligen Königs Agesilaos II., zu dessen "Jugendfreund" (!) werden (S. 278).

Doch sind solche offenkundigen Fehlurteile selten - verweisen könnte man etwa noch auf die Annahme, die spartanische Sitte der Polyandrie, der Vielmännerehe, habe die Fertilität steigern können oder gar sollen (S. 312; beschränkender Faktor ist jedoch vor allem die weibliche, nicht die männliche Fruchtbarkeit), auf die wie selbstverständlich eingestreute Behauptung, der spartanische Feldherr Brasidas habe sich vor allem als ehemaliger Ephor hervorgetan und könne somit das Phänomen eines Autoritätsgewinns für "verdiente Ephoren" belegen (S. 204; vgl. dazu aber auch S. 218, 225, 227, wo der "'Kriegsheld' Brasidas" ausdrücklich als solcher bezeichnet wird) oder auf die Vermutung (S. 205), Xenophons Bericht über den Aufstand des Kinadon (Hell. 3,3,8) lasse den Rückschluss auf eine politisch herausgehobene Bedeutung der Gerusie zu; Xenophon schreibt vielmehr, dass dieses Gremium im vorliegenden Fall gar nicht erst zusammengerufen wurde; stattdessen berieten sich die Ephoren formlos mit einigen der Geronten und übergingen offenbar andere.

Recht schwierig erscheint mir etwa auch die Annahme, die Frage nach einer gleichen Zuteilung messenischer Landlose an die spartanischen Sieger des zweiten Messenischen Krieges sei als Frage nach der Präzision griechischer Messtechnik zu stellen oder zu beantworten (S. 77). Und schließlich kann auch die Tatsache, dass Welwei sich bisweilen über ganze Passagen hinweg etwas einseitig allein an nur eine Forschungsrichtung anlehnt (wie etwa in seinen Ausführungen zum frühen Sparta an die Studien von Mischa Meier) einzelne seiner Urteile beeinträchtigen (wie etwa hier seine Ausführungen zu räuberischen Beutezügen und kriegerischen Landgewinnen, deren grundverschiedene Struktur er nicht bedenkt; S. 57), nicht aber den Wert des Werkes als Ganzem mindern. Im Allgemeinen bietet es vielmehr sehr wohlabgewogene Einschätzungen, so etwa in der Frage nach der Bedeutung der Helotie für die gesellschaftliche und politische Entwicklung Spartas (S. 9, 79, 88f.) und in der wichtigen Frage nach den Anfängen und Wurzeln der spartanischen Institutionen (S. 55). Hervorzuheben ist auch, dass Welweis solide Quellen- und breite Literaturkenntnis in Verbindung mit den ständigen Erläuterungen zu älteren und jüngeren Forschungsmeinungen auch für den vor Augen stehenden "breiteren Leserkreis" ein profiliertes Bild entstehen lassen. Von gutem methodischem Gespür und gleichermaßen umfassender wie differenzierter Sachkenntnis zeugen schließlich die weiterführenden ebenso wie die zusammenfassenden Gedanken des Epilogs (S. 342-355).

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