Cover
Titel
Ex bibliotheca regia Berolinensi. Galaxie des Wissens. Schöne und rare Bücher multimedial entdecken


Herausgeber
Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM + Beil.
Preis
€ 29,90
ISBN
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marcus Schröter, Universitätsbibliothek, Universität Rostock

Für die Entdeckungsreise durch die „Galaxie des Wissens“, zu der die Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz mit dieser CD-ROM, erstmals präsentiert auf dem IFLA-Kongress 2003 in Berlin, einlädt, wird ein visueller Einstieg über ein einprägsames Bild gewählt: Die Reise führt durch den universal ausgerichteten historischen Druckschriftenbestand der Bibliothek von Fixstern zu Fixstern – von Kostbarkeit zu Kostbarkeit. Diese stehen in einem universalen System zueinander in Beziehung, so dass der Leser (und Hörer) bei seiner Expedition auf einen solchen Fixstern nicht nur diesen selbst kennen lernt, sondern zugleich neue Perspektiven auf andere Fixsterne und vielfältige Einblicke in die Tiefen der Galaxie mit ihren Planeten, Monden und Himmelskörpern, die unbekannter sind, weil sie nicht von selbst leuchten, gewinnt.

Die CD-ROM ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie eine Publikation aus der zweidimensionalen „Gutenberg-Galaxis“ in eine mehrdimensionale „Multimedia-Galaxis“ überführt werden kann: Die wenige Jahre zuvor erschienene Printversion 1 beschreibt in traditioneller Form ausgewählte Sammlungsteile und bildet einzelne Objekte statisch ab. In der „Galaxie des Wissens“ werden „Gutenberg-“ und „Multimedia-Galaxis“ zwanglos vom Inhalt der Sammlungen her aufeinander bezogen: Die Kostbarkeiten werden dynamisch präsentiert, indem sich der Leser (und Hörer) ihnen mit Augen und Ohren durch statische und bewegte Bilder annähert.

Wie werden die spezifischen formalen Möglichkeiten des digitalen Mediums inhaltlich genutzt? Da die verbale, nur auf ein einziges Medium beschränkte Beschreibung eines multimedialen Werkes diesem unzureichend gerecht wird, kann hier nur ein allgemeiner Einblick in Inhalt und Funktionalität der CD-ROM als Gesamtwerk vermittelt werden. Der besondere Reiz der multimedialen Präsentation der Sammlungen besteht zuallererst darin, dass die ausgewählten Beispiele aus einem halben Jahrtausend Druckgeschichte einerseits die Entwicklung des Mediums Buch verdeutlichen und als Repräsentanten einzelner Gattungen beschrieben werden, dass sie andererseits als individuelle Denkmäler lebendig werden, indem ihre Provenienz aus historisch gewachsenen Sammlungen erklärt wird – Buchgeschichte wird mit den spezifischen Möglichkeiten der Multimediapublikation als Kulturgeschichte „vielsinnig“ erlebbar.

Die Qualität einer multimedialen Publikation, die auf einer wissenschaftlich zuverlässigen Printausgabe basiert und Text, Bild, Ton und Video kombiniert, bemisst sich insbesondere an den Funktionalitäten ihrer Erschließung und Präsentation. Das mit der Berliner Firma „märzdesign“ entwickelte Konzept ist übersichtlich und kommt ohne Hilfemenü aus. Nach Auswahl der Sprache (Deutsch oder Englisch) auf dem Startbildschirm erscheint die Menüleiste mit folgenden Bedienelementen: „Navigator“, „Zurück“, „Vorwärts“, „Text ein“, „Leiser“, „Lauter“, „Andere Sprache“, „Beenden“. Wer sich nicht aufs Geratewohl direkt in die „Galaxie des Wissens“ hineinbegeben möchte, indem er auf einen der funkelnden Fixsterne klickt und sich überraschen lässt, wo er landet, gelangt über den Navigator zu folgenden Einstiegsmöglichkeiten: „Intro“, „Sammlungen“, „Fachgebiete“, „Fixsterne“, „Kurztitelregister“, „Personenregister“, „Stichwortregister“, „Volltextsuche“, „Notizen“.

Das „Intro“ bietet ein Video, das in Geschichte und Aufgaben der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz einführt und die Abteilung Historische Drucke vorstellt. Herzstück der CD-ROM – wie der Printfassung – sind deren einzelne Sammlungen: Rara-Sammlung, Sammlung 16. Jahrhundert, Luther-Sammlung, Historische Flugschriften, Flugschriften der Reformation, Aldinen, Libri impressi rari, Libri in membrana impressi, Messkataloge, Bibliothek Meusebach, Bibliothek Diez, Bibliothek Savigny, Bibliothek Varnhagen, Bibliothek Kaiser, Einbandsammlung, Künstlerische Drucke. Auch jeder einzelnen Sammlung geht ein Video voran, gefolgt von der Präsentation einzelner Exponate, die bewusst fachübergreifend ausgewählt wurden, um die „Galaxie des Wissens“ auch in den einzelnen Sammlungsteilen erlebbar zu machen. Drei Beispiele seien stellvertretend herausgegriffen:

1. An Einzelstücken der von Max Joseph Husung (1882-1944) aufgebauten Einbandsammlung wird die Entwicklung der Einbandkunst nachgezeichnet. Durch die dreidimensionale Präsentation hat der Leser die Illusion, das Buch selbst in den Händen zu halten, er kann es auf dem Bildschirm spielerisch drehen und den Einbanddekor von allen Seiten analysieren.

2. Albrecht Dürer (1471-1528) wird in seinem oft weniger bekannten Schaffen als Kunsttheoretiker vorgestellt. Bei der Präsentation der „Vier bücher von menschlicher Proportion“ (1528) ist es den Designern der CD eindrucksvoll gelungen, mittels Überblendtechnik die Metamorphose der menschlichen Physiognomie des Gesichtes zu visualisieren – ein weiteres Beispiel dafür, dass die multimediale Aufbereitung der Quellen keinen Selbstzweck verfolgt, sondern das vorgestellte Werk didaktisch sinnvoll interpretieren hilft.

3. Aus der Bibliothek des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von Meusebach (1781-1847) stammt der Tafelband zu Goethes Farbenlehre aus dem Jahr 1810. Das von Goethe fehlerhaft durchgeführte Experiment sowie der Versuchsaufbau Isaac Newtons, durch den er das gesamte Farbspektrum erkannte und folgerte, dass Licht in verschiedene Farben gespalten werden kann, sind als animierte Versuchsaufbauten charakteristische Elemente der Multimediapräsentation, welche die Möglichkeiten der Printversion sprengen.

Wer nicht die nach Gattungen oder Provenienzen geordneten Sammlungsteile seiner Expedition zugrunde legen möchte, wählt den systematischen Zugang über „Fachgebiete“: Architektur, Geografie, Geschichte, Jurisprudenz, Klassische Philologie, Kriegskunst, Kunst, Landwirtschaft, Medizin, Naturwissenschaften, Philosophie, Psychologie, Sprachen und Literaturen, Technik, Theologie, Wirtschaft, Wissenschaftskunde. Hierbei ist zu beachten: Nach dem Aufrufen eines Exponates aus dem gewählten Fachgebiet lässt sich über die Menüleiste nicht zum nächsten Objekt dieses Fachgebietes springen, vielmehr muss man in den Navigator zurückkehren – die in der Menüleiste angezeigte Reihenfolge bezieht sich nämlich nicht auf die aktuelle Reihenfolge innerhalb der Fachgebiete, sondern auf die Reihenfolge der Exponate innerhalb der „Sammlungen“, die das zugrunde liegende Referenzsystem darstellt.

Die Wahl der „Fixsterne“ führt direkt zu dreißig besonderen Kostbarkeiten, während bei der Reise in die „Galaxie“ das Zufallsprinzip darüber entscheidet, zu welchem auf einem der funkelnden Fixsterne verborgenen Exponat man gelangt.

Erschlossen wird die CD-ROM durch unterschiedliche Register, deren Handhabung einzelne Unschärfen besitzt, die an dieser Stelle aber nicht auszuführen sind: „Kurztitelregister“, „Personenregister“, „Stichwortregister“. Die „Volltextsuche“ bietet ein weiteres differenziertes Instrument des Zugriffs auf die reichen Inhalte der CD-ROM.

Mit der Funktion „Notizen“ lassen sich interessierende Objekte in eine persönliche Liste übernehmen und mit eigenen Anmerkungen versehen.

Fazit: Durch Texte, Bilder, Töne und Videosequenzen bietet die CD-ROM einen dreifachen Genuss: intellektuell durch die Lektüre der Texte, visuell durch die Bilder und auditiv durch passend ausgewählte Musik. Die gesprochenen Texte sind präzise und angenehm artikuliert. Die aus der Printfassung übernommenen Texte sind auch für das digitale Medium geeignet: Gut lesbare Beschreibungen der Objekte, exakte Titelaufnahmen und Quellenangaben aller in der Präsentation verwendeten Objekte sowie Literaturhinweise können jederzeit ein- und ausgeblendet werden, die Druckfunktion ermöglicht ihre weitere Bearbeitung. An geeigneter Stelle sind die Digitalisate mit einer Lupenfunktion ausgestattet, die eine genaue Analyse der Feinheiten der grafischen Gestaltung, der Drucktype oder des Einbandes erlaubt.

Die mit Mitarbeitern der Abteilung geführten Interviews sind ein Appell, die Sammlungen als lebendiges Erbe zu verstehen, das nicht nur bibliothekarisch konserviert, museal präsentiert oder wissenschaftlich erforscht wird, sondern Teil der „Galaxie des Wissens“ auch des modernen Menschen bleibt.

Die Vorteile der digitalen Publikation von Handschriften und Seltenen Drucken liegen nicht allein in der Sicherung der Originale, den komfortablen Reproduktionsmöglichkeiten, der Anregung und Intensivierung der Forschung. Besonders wichtig ist auch ihre öffentlichkeitswirksame Präsentation. Die vorliegende CD-ROM ist auch für ein breiteres Publikum, das sich mit den Mitteln multimedialer Möglichkeiten in didaktisch ansprechender Weise in die „Galaxie des Wissens“ entführen lässt, sehr geeignet. Die optimale Nutzung der Möglichkeiten des digitalen Mediums gelingt nur, solange nicht lediglich versucht wird, das Printmedium abzubilden. Die phantasievolle und durchweg ansprechende Art, mit der die Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz eine Einführung in ihre Sondersammlungen gelingt, bewältigt dieses Kunststück und setzt mit Sicherheit Maßstäbe, an denen zu orientieren sich für Bibliotheken und Museen lohnt.

Anmerkung:
1 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Hg.), Ex Bibliotheca Regia Berolinensi. Schöne und seltene Bücher aus der Abteilung Historische Drucke, Wiesbaden 2000.

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