U. Mennecke-Haustein: Conversio ad Ecclesiam

Cover
Titel
Conversio ad Ecclesiam. Der Weg des Friedrich Staphylus zurück zur vortridentinischen Katholischen Kirche


Autor(en)
Mennecke-Haustein, Ute
Erschienen
Anzahl Seiten
396 S.
Preis
€ 44,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kai Bremer, Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Universität Osnabrück

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erfreute sich die Erforschung des Phänomens der nachreformatorischen Konversionen vor allem von Seiten der katholischen Kirchengeschichtsschreibung großer Beliebtheit – gipfelnd in Andreas Räß’ „Die Convertiten seit der Reformation“. 1 Seit dieser Zeit war es lange still um das Thema ‚Konversion’. Das änderte sich jedoch vor einigen Jahren merklich. Zunächst war es Ute Mennecke-Haustein, die im von Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling herausgegebenen Band zur katholischen Konfessionalisierung eine grundlegende Neuperspektivierung des Themas ‚Konversion’ im Hinblick auf das Konfessionalisierungsparadigma unternahm. 2 Bereichernd wirkte auch der von Friedrich Niewöhner und Fidel Rädle herausgegebene Tagungsband „Konversionen im Mittelalter und in der Frühneuzeit“, in dem erstmals Konversionen jenseits der Reformation in den Blick genommen wurden. 3 In diesem Herbst wird eine von Ute Lotz-Heumann, Jan-Friedrich Mißfelder und Matthias Pohlig initiierte Tagung zum Thema „Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit“ an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfinden.

Die Zentralgestalt der nachreformatorischen Konversionen aber war – das sahen seine Zeitgenossen im 16. Jahrhundert ebenso wie die Kirchenhistoriker des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts – Friedrich Staphylus (1512-1564), dem nicht zuletzt deshalb 1904 eine Biografie gewidmet wurde. 4 Auch die auf die ‚Konfessionalisierung’ ausgerichtete Beschäftigung mit dem Thema ‚Konversion’ kommt nicht an der Zentralgestalt Friedrich Staphylus vorbei, zu dem Mennecke-Haustein ebenfalls grundlegende Artikel publiziert hat. 5 Ein erster Blick in das Literaturverzeichnis der vorliegenden Monografie bestätigt nun sofort, dass die Quellengrundlage der Arbeit hervorragend ist, ja alles bisher zu Staphylus Publizierte in den Schatten stellt. Umfangreich werden seine Handschriften dokumentiert, die heute primär im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, und im Archiv der Benediktinerabtei Ottobeuren liegen. Sodann schließt sich eine Bibliografie der Werke Staphylus’ an, die erstmals alle seine bekannten Schriften zusammenführt, was wegen der teilweise unübersichtlichen Druckgeschichte äußerst hilfreich ist: So erschienen von Staphylus wohl berühmtester Schrift, den „Theologiae Lutheranae Trimembris Epitome“, bereits im Jahr des Erstdrucks 1558 drei Nachdrucke.

Die Abhandlung selbst besteht im Kern aus zwei Teilen, nämlich einem historisch-biografischen und einem über Staphylus als Publizist und Propagandist. Allerdings liefert Mennecke-Haustein nicht eine sein Leben von der Kindheit bis zum Tod vollständig darstellende Biografie nebst Werkcharakteristik, was sie ausdrücklich in der Einleitung betont (S. 43). Das zeigt sich ferner daran, dass Staphylus’ Tätigkeiten als Ratgeber und Theologe in Ingolstadt in seinem letzten Lebensjahrzehnt nur am Rande erwähnt werden. Lediglich seine Publizistik für den katholischen Glauben seit Mitte der 1550er-Jahre wird präzise analysiert (vgl. S. 184-212). Das ist aus der Gesamtanlage des Buches heraus schlüssig und überzeugend. Denn die Verfasserin geht theologiegeschichtlich vor: Zunächst entwirft sie Staphylus’ theologisches Profil, indem das Wirken des durch Melanchthon geförderten, humanistisch geprägten Theologen in Königsberg etwa im Verfahren gegen Wilhelm Gnapheus und sodann (nach einem Breslauer Zwischenspiel) der umfangreiche Konflikt mit Andreas Osiander (um 1550) rekonstruiert werden. 6 Dieser Streit beendet nicht nur die Königsberger Zeit von Staphylus. Er zeitigt vor allem eine Veränderung seiner Rechtfertigungslehre, die zu einer ambivalenten Hinwendung zur thomistischen Gnadenlehre bei gleichzeitigem Festhalten an der bleibenden Sündhaftigkeit des Menschen und dessen Abhängigkeit von der Gnade Gottes führt – als im Kern evangelischer Gedanken, „von denen er sich auch nie getrennt hat“ (S. 152).

Im zweiten Teil zu „Staphylus als Publizist und Propagandist“ gibt Mennecke-Haustein zunächst eine Übersicht über seine wichtigsten Schriften nach der Konversion, allen voran die bereits erwähnten „Theologiae Lutheranae Trimembris Epitome“. Im Kern seiner Argumentation steht das Prinzip der unitas ecclesiae, das sich schon in den Auseinandersetzungen mit Gnaphaeus und Osiander angekündigt hat. Dieses Prinzip ist gleichzeitig zentrales Argument in den „Theologiae Lutheranae Trimembris Epitome“ gegen die unterschiedlichen lutherischen Positionen – besonders im dritten Teil, „De successione et concordia discipulorum Lutheri in Augustana confessione.“ Das religionspolemische Potential dieses Arguments wurde auch von lutherischer Seite umgehend wahrgenommen. Jacob Andreae etwa klagte nach dem Wormser Religionsgespräch: „Sie fangen ein new Geschrey an/ von unser vneinigkeit/ vnd geben bey den einfeltigen Leuten für/ wann sie gleich gern wolten auch zuo dem Euangelio tretten/ so seien die Lutherischen […] vnder jnen selbst so vneins/ das sie selbst nicht wissen, was sie glauben“ (zitiert nach S. 315). Wie wesentlich Staphylus’ dogmatische und kontroverstheologische Positionen außerdem für die sich konsolidierende und in Trient gewissermaßen konfessionalisierende katholische Kirche war, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass seine deutschsprachigen Werke wiederholt von Laurentius Surius ins Lateinische übersetzt und dadurch auch jenseits der Alpen dem papsttreuen Publikum zugänglich gemacht wurden – so dass Staphylus’ Promotion zum Doktor der Theologie in Ingolstadt am 19. Mai 1559 nur folgerichtig erscheint, auch wenn er nur wenige Monate später seinen 10. Hochzeitstag feiern sollte.

Ute Mennecke-Haustein rekonstruiert also Staphylus’ Weg hin zum vortridentinischen Katholizismus primär anhand seiner Ekklesiologie, wie es bereits der Titel präzise ankündigt. Dadurch aber gewinnt ihr Werk nicht nur für Theologen, sondern gerade auch für Historiker an Bedeutung. Denn erst durch die systematische und dogmengeschichtliche Deutung wird dem Leser ein präziser Eindruck von der Durchlässigkeit und Flexibilität der religiösen Meinungen und Positionen im nachreformatorisch-vortridentinischen Deutschland vermittelt. Das Buch wird somit nicht nur für die theologie-, sondern auch für die ideengeschichtliche Forschung zum 16. Jahrhundert in Zukunft von großer Bedeutung sein. Es ist zu hoffen, dass dieses Werk der Konversionsforschung der Frühen Neuzeit so intensive Impulse verleiht, dass nicht ein weiteres Jahrhundert vergehen muss, bis sich die Forschung erneut des Themas ‚Konversion’ annimmt.

Anmerkungen:
1 Räß, Andreas, Die Convertiten seit der Reformation nach ihrem Leben und aus ihren Schriften dargestellt, 13 Bde., Freiburg im Breisgau 1866-1880.
2 Menecke-Haustein, Ute, Konversionen, in: Reinhard, Wolfgang; Schilling, Heinz (Hgg.), Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993, Münster 1995, S. 242-257.
3 Niewöhner, Friedrich; Rädle, Fidel (Hgg.), Konversionen im Mittelalter und in der Frühneuzeit, Hildesheim 1999.
4 Soffner, Johannes, Friedrich Staphylus. Ein katholischer Kontroversist und Apologet aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, gest. 1564, Breslau 1904.
5 Mennecke-Haustein, Ute, Friedrich Staphylus (1512-1564). Von Wittenberg nach Ingolstadt, in: Scheible, Heinz (Hg.), Melanchthon in seinen Schülern, Wiesbaden 1997, S. 404-425; Dies., Die Konversion des Friedrich Staphylus (1512-1564) zum Katholizismus, eine ‚conversio’?, in: Niewöhner; Rädle (wie Anm. 4), S. 71-84; Dies., Art. Staphylus, Friedrich, in: TRE 32 (2000), S. 113-115.
6 Das Kapitel II, 5 „Der Konflikt mit Osiander“ (S. 117-152) bietet damit außerdem gewissermaßen das Pendant zur bekannten Studie von Hirsch, Emmanuel, Die Theologie des Andreas Osiander und ihre geschichtlichen Voraussetzungen, Göttingen 1919.

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