Cover
Titel
Good Bye Bayern, Grüß Gott America. Auswanderung aus Bayern nach Amerika seit 1683


Herausgeber
Hamm, Margot; Henker, Michael; Brockhoff, Evamaria
Reihe
Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 48/04
Erschienen
Augsburg 2004: Primus Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Emmerich, Heidelberg Center for American Studies, Universität Heidelberg

„Jetzt ist die Zeit und Stunde da, wir reisen nach Amerika...“ mit diesem alten bayerischen Auswandererlied beginnen die Herausgeber Margot Hamm, Michael Henker und Evamaria Brockhoff den Ausstellungsband „Good bye Bayern – Grüß Gott Amerika. Auswanderung aus Bayern nach Amerika seit 1683“. Dieser Katalog erscheint begleitend zur gleichnamigen Ausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte vom 25. Juni bis zum 26. September 2004 in Nördlingen.

Schon in der Einleitung versuchen die Herausgeber einige Fragen, die sich durch den Titel unweigerlich aufdrängen, zu beantworten. Eine dieser Fragen bezieht sich auf die Festlegung des Beginns der bayerischen Auswanderung. 1683 ist als das Jahr der Einwanderung mennonitischer Siedler aus Krefeld für die deutsche Emigration nach Nordamerika bedeutendend, da diese die erste permanente deutsche Siedlung, Germantown, in der Nähe von Philadelphia gründeten. Unter diesen ersten Siedlern war auch der fränkische Einwanderer Franz Daniel Pastorius, der bis heute eine Symbolfigur der Deutschamerikaner geblieben ist. Ihm widmet sich Frank Trommler in seinem Aufsatz „Franz Daniel Pastorius – Ein Franke als Begründer deutschamerikanischer Identität“ in dem biografieorientierten Teil des Ausstellungskataloges.

Die Definition der beiden Territorien ist eine weitere Frage, die sich stellt: Was wird als die Ausgangskultur „Bayern“ bezeichnet, was als das Empfängerland „Amerika“? Auch hierauf geben die Herausgeber eine Antwort. Der territoriale Begriff Bayern umfasst das heutige Gebiet des Freistaates Bayern, hinzu kommen die damaligen bayerischen Besitztümer im heutigen Rheinland-Pfalz, also der linksrheinische Teil der ursprünglichen Kurpfalz. Der Begriff Amerika ist ähnlich weit gefasst. Er umfasst ausschließlich Gebiete, die zu dem heutigen Staatsgebiet der Vereinigten Staaten gehören, aber in der Vergangenheit nicht immer zwangsläufig ein Teil der amerikanischen Union waren. Kanada und lateinamerikanische Länder mit umfangreicher deutscher Einwanderung sind nicht Gegenstand dieses Kataloges. Mit diesen beiden Definitionen gelingt es den Herausgebern auf der einen Seite, die verschiedensten Facetten der Transatlantikmigration weitläufig zu umreißen, und auf der anderen Seite, diese Wanderung in einem konkreten Rahmen zu untersuchen.

Die Themenvielfalt der bayerischen Einwanderung nach Nordamerika zeigt sich in den diversen Aufsätzen und Kurzbiografien. Die Herausgeber stellen die Migranten und ihre Probleme in den Mittelpunkt der Untersuchungen. Ihr Ziel ist es, von den einzelnen Menschen zu berichten, „[da diese] es sind, die Geschichte machten“. So gelingt es den Herausgebern, dem Leser einen umfassenden Überblick über das Phänomen der deutschen Überseeauswanderung nach Nordamerika zu verschaffen.

Neben Essays verschiedener Autoren, die einen Überblick über die Auswanderung und deren gesetzlichen Rahmen liefern, gehen andere auf Einzelaspekte des Phänomens Migration ein. Cornelia Oelwein beschäftigt sich z.B. mit der Organisation der Auswanderung durch Agenturen, während Stanley Nadel die Ankunft und das Leben der bayerischen Einwanderer in den verschiedenen Jahrhunderten beschreibt.

Don Yoder befasst sich in seinem Aufsatz mit den kulturellen Einflüssen der Bayern auf ihre Empfängerkultur. Hierbei untersucht er religiöse, säkulare und schließlich individuelle Motivationen der Immigranten. Der Beitrag von Horst Rößler liefert einen Überblick über die Erfahrungen der Reise, über die Reisewege sowie über den für die bayerische Auswanderung wichtigsten Auswanderungshafen Bremen bzw. Bremerhaven. Barry Moreno, Archivar im Ellis Island Immigration Museum, beschäftigt sich in seinem Essay „Castle Garden und Ellis Island: Tore zu einer neuen Welt“ mit den beiden Aufnahmestationen im Haupteinwanderungshafen der USA in New York City. Lediglich Marita Krauss sticht mit ihrem Aufsatz über „Emigration aus Bayern in die Vereinigten Staaten von Amerika in der Zeit des Nationalsozialismus“ aus der Reihung der Essays thematisch etwas heraus.

Die Kurzbiografien erlauben einen weiteren Einblick in die Themenvielfalt der bayerischen Auswanderung nach Nordamerika. Sie umfassen skizzenhaft das Leben von Personen aus drei Jahrhunderten. Neben vielen der breiten Masse unbekannten Einzelschicksalen gewähren diese Kurzbiografien auch einen Einblick in das Leben berühmter Auswanderer. Siegfried Fischbacher, der durch das Showduo Siegfried & Roy weit über die Grenzen Las Vegas’ hinaus bekannt ist, und Levi Strauss, der Begründer der heutigen Jeans-Weltmarke Levi’s, sind nur einige Beispiele. Leider befindet sich unter den Lebensdarstellungen kein Aufsatz über den m.E. weltweit bekanntesten aller Auswanderer aus Bayern, Henry Kissinger.

Der abgesteckte Rahmen der Ausstellung liefert einen detaillierten Einblick in die bunte Themenvielfalt der deutschamerikanischen Kultur in der neuen Welt. Die Organisatoren stellen das deutschamerikanische Leben anhand von dreizehn Ausstellungsabteilungen wirkungsvoll dar, und präsentieren selektierte Exponate und Beschreibungen wissenschaftlich aufbereitet in ihrem Katalog. Diese Abteilungen sind im Einzelnen: „Von Bayern nach Amerika“, „Motive“, „Der Behördenweg“, „Abschied“, „Reise“, „Ankunft“, „New York“, „Westwärts“, „Niederlassungen“, „Arbeiter und Unternehmer“, „Kulturelles Leben“, „Verbindungen“ und „Auswandererschicksale“. Die Exponate dieser Ausstellung stammen aus Archiven, Editionen und aus privaten Sammlungen von beiden Seiten des Atlantiks.

Dieser gelungene Katalog wirft durchaus auch einige Probleme auf und zeigt die Grenzen, die solch umfassenden Überblicken zu eigen sind. Das ehrgeizige Projekt, die bayerische Auswanderung nach Amerika seit 1683 bis in die Gegenwart nachzuzeichnen, bietet einige Angriffspunkte. Bedingt durch Veränderungen in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in Bayern wie auch generell in Deutschland im vorgegebenen Zeitraum existieren unterschiedlich angelegte Wanderungsformen, Wanderungsentschlüsse und verschieden zu definierende Ausgangskulturen der Migranten. Dieser Vielschichtigkeit des Phänomens Auswanderung kann der Katalog natürlich nur zum Teil Rechnung tragen. Bei der Gewichtung der einzelnen Unterthemen spielt die bayerische Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jahrhundert mit vielen unterschiedlichen Aspekten die größte Rolle. Andere Themenbereiche werden demgegenüber lediglich angeschnitten.

Das gleiche Problem besteht auch bei der Interaktion und der Interdependenz der eingewanderten Deutschen und ihrer Nachfahren mit der amerikanischen Empfängerkultur. So liefert der Ausstellungskatalog einen umfangreichen Einblick in die deutschamerikanische Kultur, da die Perspektive dieses Bandes die der Zuwanderer ist. Spannungsfelder der deutschamerikanischen Beziehungen, wie der aufkommende Nativismus und die Krise und Verfolgung der Deutschamerikaner im ersten Weltkrieg, werden nur andeutungsweise innerhalb der verschiedenen Essays behandelt.

Trotz dieser Einwände liefert dieser Ausstellungskatalog einen umfassenden Überblick über die bayerische und somit auch über die gesamtdeutsche Einwanderung nach Nordamerika. Zu diesem Sammelband trugen verschiedenen namhafte Autoren beiderseits des Atlantiks bei. Ihre Expertise und die abgedruckten Quellen, Dokumente und Zeitzeugnisse schaffen einen interessanten Einblick in das deutschamerikanische Leben jenseits des Atlantiks für Laien genauso wie für das Fachpublikum.

Die Ausstellungsmacher setzten sich zum Ziel, nicht nur das Phänomen der Massenauswanderung zu betrachten, sondern vielmehr den Fokus auf den einzelnen Menschen zu richten. Dies glückt ihnen mit den Lebensbeschreibungen bekannter und unbekannter, erfolgreicher und gescheiterter Auswanderer aus Bayern auf eindrucksvolle Weise. Mehr zu dieser Ausstellung gibt es im Internet unter www.auswanderung.hdbg.de. Dort finden sich weitere, umfangreiche Informationen sowie die Beiträge des vorbereitenden Kolloquiums, Quellenmaterial und Fotografien.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension