K.-W. Weeber: Luxus im alten Rom

Cover
Titel
Luxus im alten Rom. Die Schwelgerei, das süße Gift ...


Autor(en)
Weeber, Karl-Wilhelm
Erschienen
Darmstadt 2003: Primus Verlag
Anzahl Seiten
176 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beate Wagner-Hasel, Historisches Seminar, Universität Hannover

Mit gewohnt leichter Feder führt der Wuppertaler Altphilologe Karl-Wilhelm Weeber, der schon oft mit kultur- und alltagsgeschichtlichen Themen ein breites Publikum zu gewinnen vermochte, durch die antike Genusskultur der Römer. Ausgehend vom Tischluxus eines Lucullus und den reichen Fischteichbesitzern der späten Republik entfaltet er in vierzehn Kapiteln ein Panorama antiker Sinnesfreuden, die von den Genüssen des Gaumens über den Augenschmaus antiker Villenanlagen und erotischen Ausschweifungen eines Tiberius bis hin zum weiblichen Kleider- und Schmuckluxus reichen.

Weeber betrachtet den Luxus vor der Kontrastfolie Armut. Den Berechnungen von S. J. Bastomskys folgend kommt er für die Zeit der späten Republik und frühen Kaiserzeit zu Relationen zwischen den Einkünften von Arm und Reich, die ein Vielfaches über den uns geläufigen Spannen liegen. Das Vermögen der Reichen in der späten Republik schätzt er auf das 714-fache der Mittel der Armen; auf ein Verhältnis von 1 zu 17.142 kommt er für die Kaiserzeit (S. 13). Die Zahl der wirklich Reichen in der römischen Kaiserzeit belief sich nach Weeber auf einen Kreis von 150 bis 200 Personen. Sie sollen über ein jährliches Einkommen von 20 Millionen Sesterzen verfügt haben. Bei 50 bis 80 Millionen Einwohnern des Römischen Reiches ist dies ein extrem kleiner Anteil an der Bevölkerung. Von den Genüssen eben dieses Kreises handelt das Buch.

Ausgangspunkt der Betrachtung über den Tafelluxus bilden der republikanische Politiker und Feldherr Caius Licinius Lucullus (117-56 v.Chr.), dem antike Autoren die Einführung von Bau- und Tafelluxus zuschrieben (S. 17), und der kaiserzeitliche "Kochbuchautor" Marcus Gavius Aspicius (1. Jahrhundert n.Chr.), dem nachgesagt wurde, dass er sein Vermögen von 140 Millionen Sesterzen in üppigen Gastmählern verprasst habe (S. 21). Aber auch der "kaiserlichen Völlerei", den "kulinarischen Perversionen" eines Vitellius oder Elagabal, deren Exzesse von der senatorischen Geschichtsschreibung aufgespießt wurden, widmet Weeber breiten Raum. Den Gipfel ihrer Gaumengenüsse bildeten Geflügel und Meeresfrüchte: Fasane, Pfauen, Drosseln, Austern, Muränen, Meerbarben, Flamingozungen ... Weeber weiß zahlreiche Beispiele für die Unmengen an Geflügel und Fisch anzuführen, die bei nur einem einzigen Gastmahl verspeist wurden.

Den Fischteichbesitzer (piscinarii), wie reiche Senatoren der späten Republik ob ihres Übermaßes an luxuria gescholten wurden, widmet Weeber ein eigenes Kapitel. In ihm stellt er die praktische Seite der Fischzucht vor, den Bau von Fischteichen, und referiert ausführlich die Anekdoten, die von der unangemessenen Zuneigung der piscinarii zu ihren Meerestieren erzählen. Denn nicht alle Zuchtfische endeten in den Mägen ihrer Besitzer: Lucius Licinius Crassus, Zensor des Jahres 92 v.Chr., soll seiner Lieblingsmuräne Ohrringe und mit Edelsteinen besetzte Halsbänder angelegt und wie um eine Tochter getrauert haben, als das Tier verendete (S. 42).

Orte dieser Fischleidenschaften bildeten die Landgüter in Latium und Kampanien, von Weeber zu "Urlaubsorten der mondänen Gesellschaft" stilisiert (S. 86). Zwei Kapitel handeln vom Villenbau in Kampanien, der nach den Punischen Kriegen im 2. Jahrhundert v.Chr. seinen Anfang nahm. Ursprünglich landwirtschaftliche Güter, waren Villen zugleich als Orte der standesgemäßen Muße (otium) und als Stätten der Bildung konzipiert: Säulenhallen, Bibliotheken, Pinakotheken und Palästren gehörten zur Ausstattung einer Villa. Ein Großteil der inzwischen von der archäologischen Forschung gut untersuchten Anlagen konzentrierte sich in der regio Baiana in Kampanien, wo ihnen in der Kaiserzeit zuweilen strategische Bedeutung zugeschrieben wurde. Statius bezeichnete Meeresvillen auch als Späher über das Tyrrhenische Meer.

Wo Muße (otium) als Gegengewicht zur Pflicht am Gemeinwesen verstanden wird, ist sie dem kontrollierenden Blick der Standesgenossen ausgesetzt, die über das rechte Maß wachen. Als malum otium galten vor allem erotische Genüsse, ein Gegenstand der - wie Weeber meint - "Klatschsucht" der "schmähversessenen Bürgerschaft" Roms, die auf "Indiskretionen aus der Privatsphäre" ausgewesen sei (S. 76). Ausgewertet werden im Kapitel über Erotik und Sexualität vor allem die Kaiserbiografien der senatorischen Geschichtsschreibung, in denen die Verstöße der "schlechten" Kaiser gegen die republikanischen Tugenden der pudicitia ("Schamhaftigkeit", "Sittsamkeit") aufgespießt werden, sowie die unzähligen sexuellen Invektiven, mit denen republikanische Politiker ihre Gegner überzogen.

Purpurstoffe, griechische Statuen, welche die Gärten der Villen schmückten, Perlen, Tische aus Zitrusholz, Goldschmuck und Parfüm, Sklaven und Grabbauten bilden die Gegenstände des Luxuskonsums, die mehr als andere der Statusdemonstration dienten. Gerade Kleidung und Schmuck galten in der von Weeber besprochenen Zeit als äußere Zeichen von Rang und waren zur Visualisierung von Status unabdingbar. Schmückten Goldringe auch Männerhände, so waren Perlen nahezu Frauen vorbehalten. Sie trugen auch wesentlich mehr Goldschmuck als ihre Männer: Ringe, Ohrringe, Armreifen sind in den verschütteten Städten am Vesuv, in Pompeji und Herculaneum, an weiblichen Skeletten gefunden worden. Die Aufhebung der lex Oppia im Jahre 195 v.Chr., die Römerinnen zur Zeit des Zweiten Punischen Kriege den Besitz von Gold über eine halbe Unze hinaus versagt hatte, ist für Weeber keine Sternstunde der Emanzipation (S. 122), weil diese Maßnahme die Römerin in seinen Augen zum reich geschmückten Aushängeschild des Mannes gemacht habe. Offizielle Rangabzeichen seien ihr aber versagt geblieben.

Der reich bebilderte Band besticht durch seinen "Ausstattungsluxus". Der Autor kennt seine Quellen, die er ansprechend präsentiert. Das Bildmaterial ist erlesen. Die inhaltlichen Darbietungen vermögen indes weniger zu beeindrucken. In der Tradition der traditionellen Sittengeschichte trägt Weeber Spektakuläres zum Luxuskonsum zusammen, reiht vielfach Anekdote an Anekdote. Zwar weiß er um die Tücken der Überlieferungslage. Oft handelt es sich bei den Quellen, aus denen er schöpft, um satirische Übertreibungen oder Schmähschriften der Luxuskritiker. Weeber belässt es bei der gewiss nicht falschen Feststellung, dass auch Übertreibungen einen Wirklichkeitsbezug haben müssen. Weitergehende Überlegungen zu den Gründen und Zielsetzung der Übertreibungen bietet er jedoch ebenso wenig wie quellenkritische Analysen der Rede über den Luxuskonsum. Vorherrschend ist eine am individuellen Begehren ausgerichtete Perspektive: Persönliche Bequemlichkeit, Arroganz und Protzerei (Luxus an Sklaven), weibliche Lust an Verschwendung (Schmuckluxus) bilden unhinterfragte Gründe für den Luxusaufwand. Sozialgeschichtliche Einordnungen erschöpfen sich in der allgemeinen Feststellung, daß Luxuskonsum der Statusdemonstration diente. Luxuskritik und Luxusgesetze erklärt er als vergeblichen Versuch der Eindämmung von Statuskonkurrenz, die dem kollektiven Charakter der politischen Führung geschuldet sei (S. 164). Da jede Elitenbildung des "ostentativen Konsums" (Thorstein Veblen) bedarf, wäre es jedoch darauf angekommen, den spezifischen Charakter des Konsums zu analysieren, um die Eigenart des Luxuskonsums der römischen Elite zu verstehen. Gold und Edelsteine hatten in vormodernen Gesellschaften zentrale Schatzbildungsfunktion und lassen daher weiblichen Schmuckluxus in einem ganz anderen Licht erscheinen, als Weeber ihn taucht.

Auch die Einbeziehung diskursanalytischer Verfahrensweisen, die Weeber gänzlich fremd sind, hätte weitergehende Einsichten ermöglicht. Das gilt gerade für die Deutung des Tafelaufwandes. So hat John Davidson in seiner Studie "Kurtisanen und Meeresfrüchte" von 1999 deutlich gemacht, dass Aussagen über die Genüsse des Körpers häufig als Reden über den politischen Köper zu verstehen sind und die Aussagen griechischer Autoren über den Fischkonsum in den Kontext eines Diskurses über die Tyrannis gehören. Ein Vergleich mit den römischen Befunden hätte sich angeboten, zumal es in der späten Republik auf politischer Ebene eben um diese Frage der Errichtung einer Alleinherrschaft geht. Von Nutzen wären auch Analysen zur sexuellen Invektive gewesen, wie sie etwa von Eckkard Meyer-Zwiffelhoffer vorliegen ("Im Zeichen des Phallus", 1995). Derartige Invektiven gehörten zum Topenarsenal der politischen Redner und besaßen ein hohes Gewicht, da Gerichtsverhandlungen als Ausscheidungskämpfe im Wettbewerb um politische Ämter fungierten. Gerade die hohen Ämter wie Prätur und Konsulat verhießen nicht nur politische Mitsprache, sondern auch ganz konkret Zugriff auf die materiellen Ressourcen des Reiches, insofern auf die Ausübung des Amtes die einträgliche Verwaltung einer Provinz folgte. Jeder Vorwurf, der die Lebensführung betraf, gehört damit in den politischen Zusammenhang eines Diskurses über Eigen- und Gemeinnutz. Weebers Anliegen aber, mit der Darstellung des Luxuskonsums Einblick in die Privatsphäre reicher Römer darzustellen, geht am Tenor antiker Luxusdiskurse vorbei.

In dem steten Bemühen, die Leser da abzuholen, wo sie stehen, bedient sich Weeber der Sprache der modernen Regenbogenpresse und nimmt deren Schlüssellochperspektive ein, mit der er einen Einblick in die "Privatsphäre" der "pekuniäre(n) high society" (S. 13) bzw. "Neureichen-Klasse" (S. 23) suggeriert, welche trotz der "Neidkampagne(n)" (S. 43) und "Schmutzkampagne(n)" über das im "Wellness-Dorado" Kampaniens (S. 63) geführte "Lotterleben" zum "Trendsetter" (S. 16) in allen Fragen des Wohllebens wurde. Sparsam genutzt, vermögen solche Modernismen vielleicht "Appetit" zu machen, sich auf den Gegenstand einzulassen. Ohne weitergehende Analyse hinterlassen sie den schalen Geschmack des Überdrusses und setzen allein auf voyeuristische Begierden des Lesepublikums. Mehr war vielleicht nicht gewollt. Aber eben diese Begrenzung lässt schnell Langeweile aufkommen.

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