H. G. Thümmel (Hg.), Gesch. der Medizinischen Fakultät Greifswald

Thümmel, Hans G. (Hrsg.): Geschichte der Medizinischen Fakultät Greifswald. Geschichte der Medizinischen Fakultät von 1456 bis 1713 von Christoph Helwig d.J. und Dekanatsbuch der Medizinischen Fakultät von 1714 bis 1823. Stuttgart 2004 : Franz Steiner Verlag, ISBN 3-515-07908-4 367 S. € 45,00

Schmidt, Roderich; Spieß, Karl H. (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Greifswald und die Dekanatsbücher der Theologischen, der Juristischen und der Philosophischen Fakultät 1700-1821. Band 1: Text der Matrikel November 1700 bis Mai 1821, Band 2: Text der Dekanatsbücher, Band 3: Register. Stuttgart 2004 : Franz Steiner Verlag, ISBN 3-515-08044-9

Alvermann, Dirk; Peters, Barbara (Hrsg.): Die Studenten der königlichen Universität Greifswald 1821-1848. Kommentiertes Verzeichnis nach der Matrikel und den Akten des Universitätsarchivs. Greifswald 2003 : Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, ISBN 3-86006-222-0 256 S. € 14,50

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nils Jörn, Historisches Institut, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Im Jahre 2006 feiert die Universität Greifswald den 550. Jahrestag ihrer Gründung und sie bereitet sich offenbar langfristig und angemessen darauf vor. Denn wie könnte man ein solches Jubiläum würdiger begehen als durch die Herausgabe zentraler Quellen zur Universitätsgeschichte, deren Edition seit langem angestrebt wurde, wegen der Kompliziertheit des Materials, fehlender geeigneter Bearbeiter und finanzieller Mittel aber bisher nicht umgesetzt werden konnte? Sowohl die Matrikel als auch die Dekanatsbücher schließen eine wichtige Lücke in der gedruckt zugänglichen Überlieferung und man darf angesichts der nun zur Verfügung stehenden Informationsfülle, die editorisch sehr gut aufbereitet wurde, auf einen Schub in der Greifswalder Universitätsgeschichtsforschung hoffen.

Vor mehr als einem Jahrhundert gab Ernst Friedländer die Matrikel der Universität Greifswald bis zum Jahre 1700 heraus. 1 Diese Edition bildet bis heute den Grundstein für zahlreiche Forschungen zur Kultur-, Bildungs- sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte Pommerns – ihre Fortsetzung trifft daher auf große Erwartungen. Um die teilweise sehr ausführlichen Berichte in den chronikartigen Rektoratsmemorabilien und den Dekanatsbüchern der Jahre ab 1700 über den inneren Zustand der Universität und der einzelnen Fakultäten, die Verleihung akademischer Grade, über Berufungen, die Beziehungen zur Stadt Greifswald, zum Herzogtum Pommern und zum Königreich Schweden nutzen zu können, war man bisher auf die Originale angewiesen. Nun liegen diese Quellen neben der kommentierten Immatrikulationsliste der Jahre 1700 bis 1848 endlich auch gedruckt vor und laden zur Forschung ein.

Bereits im Jahre 2002 erschienen die von Christoph Helwig d.J. geschriebene Geschichte der Medizinischen Fakultät und das von seinen Nachfolgern verfasste Dekanatsbuch, die den Zeitraum von der Universitätsgründung bis zum Jahre 1823 abdecken. Der sehr schlechte Erhaltungszustand des ohnehin schwer lesbaren Manuskriptes des Dekanatsbuches schränkte Forschungen zur Geschichte der Medizinischen Fakultät bisher stark ein. Hans Georg Thümmel gelang es, die fehlenden Textstellen der Chronik Helwigs aus einer zeitgenössischen Kopie zu ergänzen; die erheblichen Fehlstellen im Dekanatsbuch mussten hingegen mangels solcher Abschriften bestehen bleiben, eine mögliche Ergänzung etwa der Promotionen aus den Akten des Universitätsarchivs unterblieb.

Nach einer kundigen Beschreibung des Manuskripts und seiner Entstehungsgeschichte wird der Text in seiner lateinischen Fassung und in einer guten deutschen Übersetzung wiedergegeben. Bis zum letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ist die von Helwig erzählte Geschichte weniger die der Medizinischen Fakultät als die der Universität Greifswald bzw. Pommerns mit Bezügen zum Reich und zu den Nachbarstaaten. Immer wieder enthält der Text zwar Lebensbeschreibungen verstorbener Kollegen, Hinweise auf Promotionen oder auf Probleme innerhalb der Universität, der Autor schöpft sein Wissen aber sichtbar aus pommerschen Chroniken und Gelegenheitsschriften. Die Quelle wird naturgemäß reicher in den Jahren, die der Gelehrte selbst erlebte und erhält seit der Wende zum 18. Jahrhundert hohen Wert für die Greifswalder Universitätsgeschichte. Sie vermittelt einen guten Einblick in das akademische Leben wie in das Verhältnis der Kollegen zueinander und referiert die Grundgedanken verloren gegangener Dissertationen und Gelegenheitsschriften. Thümmel greift sehr wenig in den Text ein, er verbessert nur ganz offensichtliche Fehler und hält sich bei der Ergänzung von Auslassungen zurück. Der Benutzer hätte sich oftmals Anmerkungen (z.B. Nimwegen statt Neumagen) und Hinweise auf im Universitätsarchiv vorhandene Quellen gewünscht, zugunsten eines schlanken wissenschaftlichen Apparats und da ein solcher Kommentar in einer überschaubaren Zeit kaum zu leisten gewesen wäre, verzichtete der Bearbeiter jedoch darauf. Das Werk wird erschlossen durch einen Index der Personennamen und medizinischen Begriffe, ein wünschenswerter Ortsnamenindex fehlt hingegen.

Reinhard Pohl konnte bei seiner Edition der Matrikel der Universität Greifswald auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen: die Edition wurde bereits seit 1955 für Teilbereiche des Zeitraumes 1700-1821vorbereitet, aber nie zu einem druckreifen Abschluss geführt. Es ist das bleibende Verdienst Pohls, dass er dieses Vorhaben nun in hoher Qualität beenden und neben der Matrikel auch die Dekanatsbücher der Theologischen, Juristischen und Philosophischen Fakultät, die originären Quellenwert besitzen, ediert vorlegen konnte. Die beiden ersten Bücher werden trotz längerer Laufzeiten der Manuskripte zwischen 1701 und 1820, das Dekanatsbuch der Philosophischen Fakultät zwischen 1723 und 1820 wiedergegeben. In seiner Einleitung liefert Pohl zunächst eine genaue Beschreibung der äußeren Gestalt und des Erhaltungszustandes der Manuskripte, um anschließend das Editionsverfahren kurz vorzustellen. Eine inhaltliche Einleitung erfolgt hingegen nicht. Auch wenn es zu dem angekündigten, sehr begrüßenswerten Dissertationsvorhaben des verdienstvollen Bearbeiters kommt, so wäre doch zu wünschen gewesen, dass in einer Einleitung, ähnlich wie bei der Edition von Alvermann und Peters, die Entstehung der Matrikel, ihr Aufbau und die Brüche bei ihrer Führung, die Besonderheiten der Dekanatsbücher sowie Wirkungsabsichten und Gestaltungsmerkmale vorgestellt worden wären. Neben einer kurzen allgemeinen universitätsgeschichtlichen Einführung in die behandelte Epoche wären auch erste auswertende Thesen zu Zahl und Herkunft der Studenten dankend aufgenommen worden. All dies fiel offenbar der begrenzten Projektzeit ebenso zum Opfer wie Hinweise auf weiterführende Quellen im Universitätsarchiv, wie sie im von Alvermann und Peters vorgelegten Folgeband geliefert werden.

Diese Kritik, die nicht dem Bearbeiter anzulasten ist, sondern durch Sachzwänge ausgelöst wurde, trübt etwas die unbestrittene Leistung, die mit der Edition der schwierigen Texte vorgelegt wurde. Die Matrikel nennt innerhalb der einzelnen Rektorate die Immatrikulierten mit laufender Nummer, Vor- und Zunamen, Herkunft und Studienrichtung. Sie informiert zudem, ob die Betreffenden voll- oder minderjährig waren, wie viel sie für ihre Immatrikulation zahlen mussten und gibt teilweise Hinweise auf ihre spätere Karriere. Daran schließen sich häufig sehr interessante, unterschiedlich umfangreiche Aufzeichnungen der jeweiligen Rektoren an, in denen wichtige Berufungen auf Lehrstühle, allgemeine politische Entwicklungen in der Provinz, die Auswirkungen auf die Universität hatten, Promotionen und Todesfälle unter den Professoren mitgeteilt werden. In einigen Jahren folgen auf diese Memorabilien Listen der Professoren der einzelnen Fakultäten. Die Dekanatsbücher ergänzen nicht nur diese Verzeichnisse, indem sie regelmäßig die Namen der Professoren aufführen, sie gewähren auch einen vertieften Einblick in das akademische Leben in den Fakultäten und informieren über Promotionen, Berufungen, Anschaffungen der Bibliotheken sowie die innere Organisation. Eine Besonderheit weist das Buch der Juristischen Fakultät auf, das 1738 abbricht und erst 1799 mit knappen Nachträgen fortgeführt wird. An die Edition der Dekanatsbücher schließen sich jeweils die Statuten der Fakultäten an. Matrikel und Dekanatsbücher sind fast ausschließlich in Latein verfasst und werden durch Indizes der geografischen und Personennamen sehr gut erschlossen.

Alvermann und Peters weisen in ihrem sehr instruktiven Vorwort zunächst auf die Unterschiede zwischen den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Matrikeln und den Studentenalben des 19. Jahrhunderts hin und erklären damit, warum nur wenige deutsche Matrikel aus dem 19. Jahrhundert in einer Volledition veröffentlicht worden sind. Die Exklusivität der früheren Verzeichnisse ist durch die zumeist umfangreiche Parallelüberlieferung nicht mehr gegeben, zudem waren die Studentenzahlen so gestiegen, dass eine Volledition an größeren Universitäten an der Masse der Einträge scheitert. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts existieren zudem häufig gedruckte Verzeichnisse des Personals und der Studierenden, die zwar vom Umfang her nicht mit den Matrikeln vergleichbar sind, jedoch einen ersten Zugriffermöglichen. Der Abdruck des vorliegenden Verzeichnisses lässt sich gleichwohl damit rechtfertigen, dass die Edition Pohls bis zum Jahre 1820 reicht und die gedruckten Verzeichnisse zwischen 1835 und 1848 sehr lückenhaft und in so geringer Auflage veröffentlicht wurden, dass sie kaum noch erhalten sind. Da Greifswald auch im 19. Jahrhundert eine kleine Universität blieb, stellt sich zudem das Mengenproblem nicht.

In die Edition der seit Ostern 1826 in Form eines Studentenalbums geführten Matrikel wurden laufende Nummer, Vorname, Name, Immatrikulationsdatum, Studium oder Fakultät, Geburtsort, Alter, Geburtsjahr, Konfession, Beruf und Wohnort des Vaters, Vormund, Lehramtsprüfung, Promotion, Stipendium und Exmatrikulationsjahr aufgenommen. Ergänzt werden diese Angaben durch eine umfangreiche Parallelüberlieferung in den Berichtslisten für das Kanzellariat und das preußische Ministerium, den gedruckten Verzeichnissen des Personals und der Studierenden sowie in den Fakultätsalben, die für einen ausgiebigen Kommentar genutzt wurde. In diesem Kommentar, der auf zahlreiche Quellen im Universitätsarchiv Greifswald hinweist, werden auch komplexe Prüfungen, akademische Grade, der Bezug von Stipendien und eine Erwähnung in der akademischen Gerichtsbarkeit aufgeführt. Auf diese Weise erhält man umfangreiche Informationen zu 2.711 Studierenden, die zwischen 1821 und 1848 immatrikuliert wurden.

Da bis zum anstehenden Jahrestag noch Zeit für wissenschaftliche Initiativen bleibt, sei abschließend ein Wunsch geäußert. Angesichts drastisch abnehmender Lateinkenntnisse und angeregt durch die Übersetzung von Hans Georg Thümmel ist darauf zu hoffen, dass sich ein Bearbeiter findet, der die Dekanatsbücher der Theologischen, Juristischen und Philosophischen Fakultät übersetzt. Um die inhaltliche Arbeit abzurunden, wären in diesem Rahmen zudem kommentierende Hinweise auf Bestände des Universitätsarchivs sehr wünschenswert. Auf diese Weise würde der Inhalt der vorgelegten Quellen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich, und auch die Forschung würde hiervon erheblich profitieren.

Anmerkung:
1 Friedländer, Ernst (Hg.), Aeltere Universitäts-Matrikeln, II. Universität Greifswald, Bd. 1: 1456-1645, Leipzig 1893; Bd. 2: 1646-1700, Leipzig 1894.

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Die Matrikel der Universität Greifswald und die Dekanatsbücher der Theologischen, der Juristischen und der Philosophischen Fakultät 1700-1821
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Die Studenten der königlichen Universität Greifswald 1821-1848
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