Der Krieg im Bild - Bilder vom Krieg

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Titel
Der Krieg im Bild - Bilder vom Krieg. Hamburger Beiträge zur Historischen Bildforschung


Herausgeber
Arbeitskreis Historische Bildforschung
Erschienen
Frankfurt am Main 2003: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
276 S.
Preis
€ 39,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dierk Spreen, Fach Soziologie, Universität Paderborn

In seiner Reihe zur Bildforschung hat der Hamburger Arbeitskreis Historische Bildforschung einen neuen Band herausgegeben, der sich mit der bildlichen Repräsentation des Krieges befasst. In dem Buch sind Beiträge zu verschiedenen Schwerpunkten versammelt. Der Band liefert damit einen interessanten Überblick über das Verhältnis von Bildlichkeit und Gewalt, ohne jedoch Vollständigkeit zu beanspruchen (was wohl auch kaum möglich wäre). Auch das Themenspektrum ist weder auf die deutsche Perspektive, noch auf den Zweiten Weltkrieg begrenzt.

Der erste Schwerpunkt befasst sich mit der Instrumentalisierung von Bildern. Dabei geht es nicht nur um den Topos der Propaganda oder der Mobilisierung. In seinen Überlegungen zu den bauplastischen Allegorien des NS-Vertreibungs- und Vernichtungskrieges im Osten beschreibt Lars Jockheck von dem Künstler Herbert Kühn geschaffene, auf einander bezogene Bauplastiken, die zum einen den Krieg, zum anderen den Frieden darstellen. Diese Allegorien schreiben sich in die Rassenideologie der nationalsozialistischen Politik im Osten ein. Interessant ist hierbei insbesondere die Friedensallegorie, welche die Vorstellung einer großbäuerlich geprägten deutschen Siedlungspolitik ausdrückt. Dass sie im Kontext imperialer Machtideen steht, überrascht natürlich wenig. Dennoch wäre es interessant gewesen, danach zu fragen, wie sich dieses Friedensbild zu der Vorstellung des 'totalen Krieges' verhält? Denn die Idee des 'totalen Krieges', schließt eigentlich die Möglichkeit eines Friedens aus.

Wolfgang Schmidt beschäftigt sich mit einigen während der NS-Zeit bekannten und viel gezeigten Bildern von Kampf und Tod. Er kennzeichnet ihren ins Mythische weisenden Charakter, ihre Funktion der sinnstiftenden Heroisierung, die Volksgemeinschaftssymbolik usw. Der Artikel ist sehr informativ, aber obwohl der Autor die Frage nach der 'Wahrheit' des Bildes immer in Anführungszeichen stellt, scheint er doch der Meinung zu sein, dass es eine solche Wahrheit gibt. So schreibt er bezüglich der Zeichnung von Hans Liska 'Denkstein Stalingrad' von 1943: "Die Wahrheit des Bildes lag also weniger im Dargestellten an sich, sondern vielmehr darin, dass es [...] ein richtungsweisendes moralisches Verhalten zeigt. Das Standhalten auch in aussichtsloser Lage wird zum Wertmaßstab an sich." (S. 64) Diese Darstellung ist insofern unbefriedigend, als von der 'Wahrheit' eines Bildes (und natürlich auch eines Textes) nicht ausgegangen werden kann. Ein Bild ist immer Teil eines Kontextes und konstituiert diesen zugleich mit. Seine 'Wahrheit' ist daher eine sehr relative. Daraus folgt, dass durchaus die Möglichkeit kalkuliert werden muss, dass ein Bild ganz anders gedeutet wird, als beabsichtigt. Auch wenn dies manchmal schwer nachzuweisen ist, müssen die bildtheoretischen Hintergrundüberlegungen doch diese Möglichkeit berücksichtigen. Daher ist es durchaus möglich, dass eine Kuratorin der US-Army Art Collection 1978 deutsche Kriegsbilder ganz anders, nämlich als objektive Kampfszenen, "without propaganda" interpretiert. Schmidts Kritik an dieser Aussage ist zwar insofern richtig, als die Kuratorin in ihrer Darstellung den Entstehungskontext nicht berücksichtigt hat, aber sie zeigt zugleich, wie die 'Wahrheit' von Bildern sich verschieben kann.

In dem Beitrag von Matthias Reiß wird untersucht, mit welchen Mitteln die amerikanische Werbeindustrie den Krieg als Kampf für den amerikanischen 'Way of life' inszenierte. Die zunächst vom Office of Facts and Figures (OFF) verfolgte "Strategie der Wahrheit" scheiterte. Dies eröffnete das Feld für private Werbefachleute, die den Krieg als "Kampf zwischen den Kräften des Guten gegen das Böse" darstellten. Diese Darstellung ist ja auch aus jüngster Zeit vertraut, weshalb Reiß' Beitrag einen interessanten Baustein in der Genealogie der Moralisierung des Krieges darstellen dürfte.

Medientheoretisch informiert zeigt sich der Text von Markus Lohoff zur Funktion technischer Bilder im zweiten Golfkrieg von 1991. Lohoff markiert das Stereotyp des mit Präzisionswaffen geführten Hightech-Krieges. Im Anschluss an die Lektüre seines Artikels fragt man sich, ob dieses Stereotyp nicht Ausdruck einer politischen Neutralisierung des Krieges ist, die zugleich mit einer Moralisierung korrespondiert.

Der zweite Teil des Bandes untersucht Bilder vom Krieg im Spannungsfeld zwischen Anklage und Rechtfertigung. Ulrich Prehn untersucht den Wandel angloamerikanischer Filmbilder im Kontext der 'Re-education'. "Nach dem relativen Misserfolg der 'Gräuelfilme' überwogen [...] schon bald Berichte, in denen versöhnliche Gesten vorherrschten und symbolische 'Reinigungs'- und 'Beseitigungs'- Rituale vollzogen wurden." (S. 158f.) Statt moralischer Konfrontation geht es zunehmend um die Propagierung positiver Werte wie Völkerverständigung, Demokratie und einem anderen 'Way of life'.

In eine ganz ähnliche Richtung zielt der hochinteressante und spannende Artikel Habbo Knochs, der das Landserbild der 50er-Jahre und seine kulturelle Funktion untersucht. Dabei geht Knoch sowohl auf Filme als auch auf die Heftserie Landser ein, die auch heute noch am Kiosk und im Bahnhofsbuchhandel vertrieben wird. Mit diesem Artikel kommen - 'endlich!' möchte man sagen - Aspekte der Popular- und Massenkultur explizit zur Sprache. Die Landserbilder sieht Knoch vor allem im Kontext einer "konservativen Modernisierung". Damit sind Ausdrucksformen der Kriegserfahrung in den 50er-Jahren gemeint, die weder mit der NS-Propaganda, noch mit dem demokratischen Ideal des 'Staatsbürgers in Uniform' ästhetisch oder politisch deckungsgleich waren. Vielmehr ging es um die Inszenierung eines heroisch tragischen Männlichkeitstypus, der sich in der moralischen Distanz zu den Nazis und im heldenhaften Handeln beweist. Tragisch ist das Landserbild deshalb, weil der einfache Landser im Rahmen dieser Narration am Ende unterliegen musste. Knoch kann zeigen, dass es sowohl in den Heften als auch in zahlreichen Kriegsfilmen zu einer Stilvermischung kommt, die westliche Einflüsse (insbesondere das amerikanische Bild des 'lockeren' GI) aufnimmt. Dieses Landserbild steht im Kontext einer Integration der frühen deutschen Nachkriegsgesellschaft in die westliche Kultur. Es wird vor allem in populären Medien (Heften, Zeitschriften und Filmen) verbreitet und steht durchaus im Widerspruch zur offiziellen politischen Sprachregelung. Am Ende der 50er-Jahre verschwindet dieses Landserbild - linke und linksliberale Medien beginnen mit der Tabuisierung der Kriegserinnerung und -erfahrung und ihren Darstellungsformen. Ende der 50er-Jahre entsteht in Reaktion darauf jene Nischenkultur, die auch heutzutage noch von Landserheften und Militaria aller Art versorgt wird.

Das Bild des Krieges, das die deutschen Generäle in ihrer Memoirenliteratur entfalten, untersucht John Zimmermann in seinem Beitrag. Dem Versprechen der Einleitung, die "Verbindung" der Ergebnisse Knochs und Zimmermanns ergebe ein "konsistentes Bild der in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten dominierenden deutschen Erinnerungskultur" (S. 16) folgt allerdings eine gründliche Enttäuschung des Lesers. Während Knoch die konstitutive Funktion der Landserliteratur und ihrer rekonstruierten Erinnerung für den Übergang Deutschlands in eine demokratische Gesellschaft kennzeichnet - und dabei in der Lage ist, seine Kritik in einem wissenschaftlichen Rahmen auszuweisen -, so hat Zimmermann offensichtlich eine Mission zu erfüllen. Der ganze Text ist polemisch und von dem Vorwurf beseelt, dass die Memoirenliteratur der Generäle einer Entlastungsfunktion folge. Wenn der Autor auf die im Topos der 'Pflichterfüllung' enthaltene Entlastungsfunktion sowohl der Landsergeschichten als auch der Offiziersmemoiren hinweist, dann hat er sicherlich damit Recht, dass diese Entlastung subjektiv gesucht und auch öffentlich gerne gehört wurde: "Schuld waren die Nazis, der Rest war verführt, betrogen oder unterdrückt worden." (S. 210) Aber Zimmermann konzentriert sich auf diese Bewertung. Jedoch geht es bei der Darstellung einer Erinnerungskultur wesentlich darum, die Funktion dieser Erinnerungen in ihrem historisch gesellschaftlichen Kontext nachzuzeichnen. Im Falle der Memoiren der Generäle, wie im Falle der frühen Landsergeschichten war das nicht nur eine Entlastungsfunktion und Apologetik des eigenen Handelns im Zweiten Weltkrieg. Vielmehr übernehmen diese Texte auch eine konstitutive Funktion für die erst entstehende demokratische Kultur der frühen Bundesrepublik (vgl. Knochs Hinweis auf die konservative Modernisierung). Und diese Funktion ist vor dem Hintergrund gelungener Demokratisierung und Westbindung positiv zu bewerten. Das heißt, bei der Darstellung kulturell gesellschaftlichen Materials ist einerseits der historische Kontext zu bedenken, um zu einer nachvollziehbaren funktionalen Bewertung zu kommen. Andererseits ist der eigene Wertstandpunkt im Sinne Max Webers Diktum der Werturteilsfreiheit kenntlich zu machen. Hätte Zimmermann diese goldenen Regeln wissenschaftlichen Arbeitens berücksichtigt, dann hätte er ein Panorama der Memoirenliteratur entwerfen können, das den Leser verstehen lässt, warum diese Texte in dieser Form abgefasst wurden. Dabei wäre einerseits deutlich geworden, dass sie heute kein Leitfaden für eine Erinnerung mehr sein können, sondern sich diese vielmehr auch in Auseinandersetzung mit der populären Erinnerungskultur der 50er-Jahre bilden muss. Andererseits wäre aber auch ihre positive kulturelle Rolle sichtbar geworden. Stattdessen überdeckt der Wertmaßstab des Autors den Kontext fast völlig. So kommt es zu einer Perspektive, die dem Leser einen Standpunkt aufzudrängen versucht, ihn aber nicht zu einem kritischen Verstehen der 50er-Jahre hinführt.

Der dritte Teil des Bandes schließt diesen mit bildlichen Reflexionen über den Krieg ab. So geht Isabell Schenk-Weninger der Frage nach, wie sich gegenwärtige Künstler mit dem Problemfeld des Krieges auseinander setzen. Da unmittelbare persönliche Erfahrungen zumindest der jüngeren deutschen Künstlergenerationen fehlen, wird die mediale Darstellung des Krieges zum Thema. Martin Knauer setzt sich insbesondere mit Werner Tübkes Bauernkriegspanorama von 1989 auseinander. Weiterhin stellt er sich die Frage, inwiefern es in Zukunft zu einer Renaissance des heroischen Schlachtenpanoramas kommen könnte. Nikolaus Katzer schließt den Band mit einer Untersuchung von Gemälden des russischen Malers Ivan A. Vladimirov, die kurz nach der russischen Revolution entstanden.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Band eine gelungene Komposition aus interessanten Artikeln bietet, auch wenn so mancher Leser sich ein wenig darüber wundern mag, dass in einem Buch über Bilder sowenig Abbildungen zu finden sind. Enttäuschend ist dagegen die Einleitung. Unbestritten gibt es keine einheitliche Theorie über Kriegsbilder und auch die Literatur zu diesem Thema ist vielfältig. Aber das erlöst die Herausgeber nicht von der Pflicht, zumindest einen groben Überblick über das Forschungsfeld zu formulieren, um darin ihre eigene Perspektive sichtbar zu machen. Da die große Mehrzahl der Beiträge des Bandes das deutsche Verhältnis zum Krieg thematisiert, vermisst man auch Überlegungen zur Erinnerungskultur. Zum Dritten fehlt ein systematischer Bezug zum Thema der Friedensbilder, denn auch Friedensbilder sagen sehr viel über den Krieg, seine Wahrnehmung und seine kulturelle Bedeutung aus.