M. Asche u.a. (Hg.), Dänemark, Norwegen und Schweden

Titel
Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Nordische Königreiche und Konfession 1500 bis 1660


Autor(en)
Asche, Matthias; Schindling, Anton
Erschienen
Münster 2002: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
€ 25,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Inken Schmidt-Voges, Lehrstuhl Frühe Neuzeit, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Der vorliegende Band ergänzt die siebenteilige Reihe zur Geschichte der „Territorien des Alten Reiches im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung“ nach Ungarn (Bd. 60) um die nordeuropäischen Reiche Dänemark, Norwegen und Schweden. In vier Aufsätzen werden sowohl gesamtskandinavische Aspekte behandelt als auch detaillierte Darstellungen zu den Herrschaftskomplexen Dänemark-Norwegen und Schweden-Finnland geliefert, denen den Herausgebern zufolge „die Dialektik von Umbruch und ‚langer Dauer’ auch bei dem zentralen ‚Zäsurereignis’ der Glaubensspaltung am Beginn der Neuzeit“ (S. 7) zugrunde liegt.

Matthias Asche (Tübingen) präsentiert unter den Leitbegriffen „Zentrum“ und „Peripherie“ einen einleitenden Überblick über die generellen Strukturen und Entwicklungen der skandinavischen Geschichte von 1500 bis 1660. Ausgehend von der peripheren geografischen Lage, die eine an kontinentaleuropäischen Verhältnissen gemessene Verspätung bei Christianisierung, Aufbau einer Bildungsinfrastruktur und Staatsbildungsprozessen nach sich zog, bieten sich dem Autor zufolge die beiden Leitbegriffe als strukturierende Kategorien an, um Schwierigkeiten und Besonderheiten der Kirchengeschichte in Skandinavien und innerhalb der Herrschaftskomplexe zu benennen, gerade auch im Hinblick auf den Zusammenhang von politischen und konfessionellen Oppositionsstrategien in den Nebenländern Norwegen, Island und Finnland. Im Wesentlichen beschränkt sich Asche auf eine zusammenfassende, auf Kernpunkte begrenzte Gegenüberstellung von Reformation und Konfessionalisierung in den Reichen der dänischen und schwedischen Krone, die im Hinblick auf die folgenden Einzeldarstellung wenig Neues oder Systematisierend-Einordnendes bringen.

Jens E. Olesen (Greifswald) bietet auf 80 Seiten einen klar strukturierten, chronologisch orientierten Überblick der dänischen Reformation und Konfessionalisierung. Durchgängiger Leitfaden ist hier die Engführung von politischen und konfessionellen Entwicklungen und Ereignissen und ihrer wechselseitigen Beeinflussung. Olesen betont im Gegensatz zur bisherigen Forschung, dass die stärker „alteuropäische“ Struktur des dänischen Kernreiches eine Einführung und Ausbreitung reformatorischer Gedanken auf zwei Ebenen erleichterte: Christian III. konnte sich bei dem seit 1537 zentral organisierten Umbau zu einer evangelischen Kirche auf die Bürger der bedeutendsten Städte des Reiches stützen und gleichzeitig den gegen die vorherrschende Macht des Adels gerichteten Ausbau des Staates vorantreiben. Wenngleich die Kirchenordnung von 1537 bereits lutherisch orientiert war, betont Olesen die Interpretationsspielräume für die dogmatischen Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und Philippisten, die erst um 1600 im Zuge der öffentlichen Diskussionen um die norwegische Kirchenordnung zu einer klaren lutherisch-orthodoxen Prägung der dänischen Kirche führten. Im Hinblick auf die Durchsetzung der Reformation in den dänischen Nebenländern verweist Olesen auf die unauflösliche Verknüpfung der konfessionellen mit der machtpolitischen Frage. In Island gelang es erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, die mächtigen Fürstbischöfe durch lutherische, königsloyale Kirchenvertreter zu ersetzen. Für Norwegen stellt Olesen fest, dass die institutionell-organisatorische Umstrukturierung zwar erst mit der ersten nachreformatorischen Bischofsgeneration wirklich Gestalt annahm, in der Folgezeit bestand aber kaum mehr ein Unterschied zu den Verhältnissen im dänischen Kernreich. Jenseits der institutionellen Durchsetzung stieß eine tiefe Durchdringung der Bevölkerung aber auf hartnäckiges Fortleben katholischen Traditionalismus. Allerdings wird dieser Frage wie auch dem dänischen Kernreich kein größerer Raum gewidmet.

Im Gegensatz zu Dänemark erfasste die Reformation Schweden in einer anderen innen- und außenpolitischen Situation. Wie sehr diese mit der dynastischen Herrschaftsetablierung Gustav I. Vasas und seiner Söhne verknüpft war, zeigt sich im Beitrag von Werner Buchholz (Greifswald) schon in der Gewichtung. 110 von 137 Seiten widmen sich der Zeit bis zur Absetzung König Sigismunds 1599, mit dessen Königswahl die Augsburger Konfession als alleiniges Bekenntnis im schwedischen Reich festgelegt worden war. Im Gegensatz zu Dänemark, wo die konfessionellen Auseinandersetzungen bis zum beginnenden 17. Jahrhundert unter einer frühzeitig eingeführten lutherischen Kirchenordnung verborgen blieben, wurden sie in Schweden offen ausgetragen und machtpolitisch instrumentalisiert. Dass sich am Ende dieses Prozesses unter Karl von Södermanland, dem späteren Karl IX., trotz dessen eher calvinistisch orientierter Glaubenshaltung das konservative Luthertum durchsetzte, ist seiner realistischen Einschätzung der mobilisierbaren Loyalität der wirtschaftlichen und sozialen Eliten zuzurechnen. Die enge Verflechtung des lutherischen Bekenntnisses mit der dynastischen Legitimität der Vasa wird dabei nicht nur in einem zusammenfassenden Unterkapitel dargestellt (S. 214), sondern durchzieht zentrale Interpretationsfigur die gesamte Darstellung, die darüber hinaus aus reichischer Perspektive Besonderheiten der schwedischen Reformation hervorhebt, etwa die Diskussionen um die Säkularisation der Kirchengüter (S. 147). Die strategische Einbindung der „rechten Lehre“ in Propaganda und Inszenierung der schwedischen Machtpolitik unter Gustav II. Adolf erscheint in dieser Perspektive ebenso wie die Abdankung Christinas nach ihrer Konversion zum Katholizimus als folgerichtige Konsequenz eines etablierten, allumfassend gültigen konfessionellen Bekenntnisses.

Lag der Schwerpunkt der vorangehenden Beiträge auf der Ebene der Eliten, so bietet Tore Nyberg (Odense) abschließend eine Zusammenschau des „religiösen Profils des Nordens“, die Aspekte der Volksfrömmigkeit und Religiosität sowie die Konsequenzen für den Glaubensalltag des gemeinen Mannes aufgreift. Insbesondere die lange Resistenz sowohl heidnischer als auch katholischer Rituale und Traditionen stellt die Frage nach der „langen Dauer“, bis die Konfessionalisierung im Zusammenklang mit Sozialdisziplinierung nicht nur die Städte, sondern das weite Hinterland erfassen konnte. Im Zentrum des Interesses steht der Wandel des institutionellen und „sakraltopographischen“ Profils Skandinaviens sowohl durch die Reformation als auch durch verkehrs- und politikhistorische Dynamiken. Mit dieser Perspektive eröffnet Nyberg einen Blick auf die skandinavische Reformation und Konfessionalisierung, die entgegen den jeweiligen Forschungstraditionen nicht die unterscheidenden Eigenheiten, sondern die unter der Oberfläche konkreter Differenzen verborgenen strukturellen und chronologischen Parallelitäten beleuchtet: etwa die Herrentage in Odense 1526/27 und in Västerås 1527 (S. 261), Königskrönungen 1528 und 1537 als „symbolische Manifestation eines neuen politischen Souveränitätsgefühls des Herrschers auch für die Religionsausübung“ (S. 269), der konfessionelle „Mittelweg“ nach 1560 (S. 286) oder die endgültige Konfessionalisierung um 1600 (S. 296).

Insgesamt bietet der Band einen gut lesbaren, informativen und an der aktuellen Forschung ausgerichteten Überblick über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der skandinavischen Reformation und Konfessionalisierung. Die Unterteilung der Aufsätze in Kapitel und klar überschriebene Unterabschnitte ermöglichen auch einen punktuellen Zugriff auf Teilthemen, der insbesondere bei Buchholz und Nyberg noch durch die Möglichkeit einer raschen Erschließung der Literatur anhand der Literaturhinweise im Fließtext unterstützt wird. Auch das kartografische und genealogische Material bietet dem in der skandinavischen Geschichte nicht beheimateten Leser gute Orientierung. Allein die eingangs zitierte „Dialektik“ fällt zuungunsten einer gleichgewichteten Darstellung des Wandels der Volksfrömmigkeit und Durchsetzung lutherischer Gläubigkeit im Kontext der Sozialdisziplinierung aus, obwohl immer wieder auf die enge Verbindung zum „frühmodernen Staatsausbau“ (S. 68) hingewiesen wird; ein Teil der skandinavischen Reformationsgeschichte, der noch geschrieben werden muss?

In begrifflicher Hinsicht fallen zwei Dinge auf: Zum einen wird an keiner Stelle das zentrale Paradigma der Konfessionalisierung problematisiert, was auf eine breite Akzeptanz des Konzepts im deutschsprachigen Forschungskontext verweist. Dennoch finden sich unterschiedliche Bedeutungstiefen des Begriffs, wenn Asche etwa für Schweden eine „verspätete Konfessionalisierung“ konstatiert (S. 17), die mit einer prinzipiellen konfessionellen Offenheit Schwedens bis zum Ende des 16. Jahrhunderts begründet wird, während Dänemark als Beispiel einer „engagierten Fürstenreformation“ (S. 15) vorgestellt wird. Dies wird gerade im Hinblick auf konfessionelle Eindeutigkeit von den nachfolgenden Beiträgen jedoch relativiert. Auch wäre eine Einordnung des Begriffs in die skandinavischen Forschungstradition sicherlich erhellend gewesen. Zum anderen wird an vielen Stellen das Phänomen der Formulierung distinguierender Parameter, die auf die kulturelle, sprachliche und das Herkommen zielende Homogenität einer Gesellschaft verweisen, als „national“ (z.B. S. 39, 47, 74, 133) bezeichnet; lediglich einmal findet sich der Zusatz „im frühneuzeitlichen Sinne“ (S. 139). Gerade im Hinblick auf die identitätsbildenden Diskurse im frühneuzeitlichen Skandinavien und ihren Zusammenhang mit religiöser Rechtgläubigkeit wäre eine Diskussion des Begriffs „national“ hinsichtlich seines frühneuzeitlichen Bedeutungsgehalts interessant.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension