A. Erskine: A Companion to the Hellenistic World

Cover
Titel
A Companion to the Hellenistic World.


Herausgeber
Erskine, Andrew
Reihe
Blackwell Companions to Ancient History
Erschienen
Oxford u.a. 2003: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XXVIII, 588 S.
Preis
€ 101,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Silke Knippschild, Institut für Geschichte, Technische Universität Dresden

Der "Companion to the Hellenistic World" bildet den Auftakt zu Blackwells Reihe "Companions to the Ancient World", welche den Alten Orient, Griechenland und Rom umfassen soll. Das von Erskine herausgegebene Buch behandelt die Hellenistische Zeit in der üblichen Einteilung vom Tod Alexanders bis zur Niederlage Kleopatras. Die Einzelbeiträge von hochkarätigen, international renommierten Wissenschaftlern präsentieren aktuelle Forschungsergebnisse in ebenso konziser wie spannender Form.

Die Verfasser der einzelnen Abschnitte werden eingangs kurz vorgestellt (S. XII-XVI). Das Buch bietet Abkürzungsverzeichnisse, welche antike Autoren sowie Nachschlagewerke der Sekundärliteratur umfassen (S. XIX-XXVIII). Eine geradezu monumentale Bibliografie (S. 515-566) und ein extensiver Index (S. 567-588) beschließen den Band. Jeder der 29 Einzelabschnitte, strukturiert in Themengruppen ("Narratives", "Protagonists", "Change and Continuity", "Greeks and Others", "Society and Economy", "Gods and Men", "Arts and Sciences"), schließt mit einer Liste weiterführender, vorwiegend englischsprachiger Literatur. Zahlreiche Karten und Abbildungen runden die Präsentation ab.

Andrew Erskine ("Approaching the Hellenistic World", S. 1-15) eröffnet den Band mit einer Einführung in die Thematik und die für ihre Erschließung zur Verfügung stehenden Quellengattungen. David Braund ("After Alexander: the Emergence of the Hellenistic World, 323-281", S. 19-34) schildert die Situation Griechenlands und Kleinasiens nach dem frühen Tod Alexanders sowie die darauf folgenden Machtkämpfe. Eine hervorgehobene Stellung räumt er der Bedeutung der Annahme der Königstitel durch die neuen Machthaber ein. Sheila L. Ager leitet ihren Beitrag "An Uneasy Balance: from the Death of Seleukos to the Battle of Raphia" (S. 35-50) mit dem Hinweis ein, dass im kaum durchschaubaren 3. Jahrhundert v.Chr. die Anwendung der Chaos-Theorie eine sinnvolle Forschungsmethodik sein könne. Im Folgenden führt die Autorin den Leser systematisch durch die Kriegswirren. Sie schließt mit einer kurzen Analyse der außenpolitischen Strategien der beteiligten Parteien. Die Trias von Beiträgen, welche sich mit dem Auftauchen Roms in der Hellenistischen Welt befasst, eröffnet Peter Derow ("The Arrival of Rome: from the Illyrian Wars to the Fall of Macedon", S. 51-70). Seine Beschreibung von Roms militärischem Eingreifen in Griechenland illustriert der Autor mit zahlreichen Primärquellentexten in Übersetzung. "Subjection and Resistance: to the Death of Mithradates" (S. 71-89) von Brian McGing knüpft nahtlos an Derows Beitrag an und bringt Griechenland endgültig unter römische Herrschaft. Die Klärung der Lage im Osten des Mittelmeerraumes übernimmt Claude Eilers ("A Roman East: Pompey’s Settlement to the Death of Augustus", S. 90-102), womit der untere Zeitrahmen des Bandes erreicht ist.

In der nächsten Sektion des Companions werden die vier Nachfolgerreiche Alexanders näher betrachtet. Dorothy Thompson ("The Ptolemies and Egypt", S. 105-120) eröffnet diesen Teil. Sie geht auf das Land sowie seine Bevölkerung ein und fokussiert ptolemäische Verwaltung bzw. Monarchie. Das Ende ihres Beitrages bildet der Tod Kleopatras. "The Seleukids and Asia" (S. 121-133) von Michel Austin betrachtet das in seiner geografischen Ausdehnung stark fluktuierende Seleukidenreich. Schwerpunkte der Darstellung liegen u.a. auf der Beziehung der Regierenden zur Bevölkerung und dem militärischen Charakter der Monarchie. Joseph B. Scholten ("Macedon and the Mainland, 280-221", S. 134-158), untersucht die Geschehnisse in Griechenland und auf dem Balkan, wobei er auch demografische Aspekte in seine Analyse einbezieht. Den rasanten Aufstieg der Attaliden und ihre wirkungsvolle Propaganda, welche darauf abzielt, die einfache Herkunft hinter einem Dunstschild der Kunst zu verbergen, beschreibt Elizabeth Kosmetatou ("The Attalids of Pergamon", S. 159-174).

Die dritte Sektion des Bandes ist Wandel und Kontinuität gewidmet. John Ma eröffnet diese mit dem Beitrag "Kings" (S. 177-195), welchen er mit einer amüsanten Vignette zu Antiochos III. einleitet. Der Autor betont die breite Spannweite unterschiedlicher Situationen, mit denen sich hellenistische Könige konfrontiert sehen, und die entsprechend verschiedenartigen Formen ihrer Amtsausübung. Richard Billows widmet sich den Städten ("Cities", S. 196-215), wobei er einen Schwerpunkt auf die Stadtplanung legt. Tanja S. Scheer ("The Past in a Hellenistic Present: Myth and Local Tradition", S. 216-231), untersucht die Verwendung von Mythen zur Bildung von Geschichte. Den Gründungsmythen von Städten gilt ihre besondere Aufmerksamkeit, bei denen sie u.a. Argos’ Prominenz als Mutterstadt analysiert. Klaus Geus behandelt das Thema "Space and Geography" (S. 232-245). Er bespricht den Einfluss von Aristoteles auf seinen Schüler Alexander sowie die Auswirkungen der Eroberung Asiens auf die hellenistische Forschung.

Die folgende Sektion "Greeks and Others" beginnt mit einem Beitrag von Jane Rowlandson. In "Town and Country in Ptolemaic Egypt" (S. 249-263) untersucht sie die wechselseitigen Einflüsse von Griechen und Ägyptern aufeinander in poleis und chora. Hier wären Querverweise etwa zum Beitrag von Richard Billows nützlich gewesen, befassen sich doch beide auch mit dem Wesen und den Charakteristika von Städten. "Jews and Greeks" (S. 264-279) von Erich S. Gruen behandelt das Zusammenspiel von Hellenismus und Judaismus. Der Verfasser betont, dass die Vorstellung von unvereinbaren kulturellen Gegensätzen revidiert werden müsse. Stephen Mitchell ("The Galatians: Representation and Reality", S. 280-293) betrachtet die Galater als unersetzliches Feindbild, welches die Selbstdefinition hellenistischer Könige als Retter vor dem Chaos der Barbaren ermöglicht habe. Er stellt dieser historischen Propaganda, welche das Galater-Bild nachhaltig präge, eine differenzierte Untersuchung des Einfalls in Asien und der Gesellschaft der Neuankömmlinge gegenüber. Emma Dench ("Beyond Greeks and Barbarians: Italy and Sicily in the Hellenistic Age", S. 295-310) untersucht die Entwicklung Roms im Kontext von Italien und Sizilien. Deren andauernde Bedeutung in der multikulturellen Gesellschaft Italiens in hellenistischer Zeit unterstreicht sie nachdrücklich.

Die fünfte Sektion ist dem Themenbereich "Society and Economy" gewidmet. Riet van Bremens Beitrag "Family Structures" (S. 313-330) bildet den Auftakt. Die Autorin untersucht die Rolle von Verwandtschaftssystemen in hellenistischen Städten, den Einfluss, welchen die historische Entwicklung auf Familie und Individuum ausübt, sowie die Spannungen zwischen den poleis und den Monarchien. Auch hier wäre eine Vernetzung durch Querverweise auf den Beitrag von Richard A. Billows nützlich gewesen. Im Folgenden erläutert Gary Reger ("The Economy", S. 331-353) zunächst Forschungslandschaft und -stand sowie die vorherrschenden Modelle zur Betrachtung des antiken Wirtschaftslebens. Reger analysiert Rahmenbedingungen wie etwa Landwirtschaft und Bevölkerungsmobilität. Der Autor geht auf Institutionen der Wirtschaft, z.B. das Bankwesen, ein. Er fragt nach der Existenz von staatlicher Wirtschaftspolitik und schließt mit Rom. Die Bedeutung archäologischer Surveys analysieren Susan E. Alcock, Jennifer E. Gates und Jane E. Rempel in "Reading the Landscape: Survey Archaeology and the Hellenistic Oikumene" (S. 354-372). Anhand dreier Fallbeispiele demonstrieren die Verfasserinnen den Materialzugewinn, den diese methodische Erweiterung ermöglichen kann. Patrick Baker ("Warfare", S. 373-388) konzentriert sich auf die bisher wenig untersuchte Rolle der poleis in der Kriegführung der hellenistischen Zeit, welche oft eher als Periode von spektakulären Großschlachten der Diadochenreiche geschildert wird. "Piracy and the Slave Trade" (S. 389-404) ist der Titel des Beitrages von Vincent Gabrielsen. Der Autor betont die untrennbare Verquickung von Piraterie und Sklavenhandel, von organisierter Gewalt und wirtschaftlichen Interessen. Ein Schwerpunkt seines Beitrages ist die Behandlung der selbsternannten Schutzmächte und ihrer wirtschaftlichen Interessen am Geschäft der Piraterie.

"Gods and Men" betitelt die sechste Sektion des Bandes. David Potter ("Hellenistic Religion", S. 407-430) betont die Kontinuität in Religion und Kult. Im Kontakt griechischer und orientalischer Religion wendet er sich gegen die Verwendung des Begriffs "Synkretismus", der die mannigfaltigen wechselseitigen Einflüsse nicht fassen könne. Wirkliche Veränderungen im religiösen Leben verortet der Autor im Orient. Angelos Chaniotis ("The Divinity of Hellenistic Rulers", S. 431-445) leitet seine Untersuchung mit einer Analyse des Prozessionsliedes ein, mit welchem Demetrios Poliorketes 291 v.Chr. in Athen empfangen wurde. Der Autor unterscheidet zwischen dem von einzelnen poleis und dem von den Herrschern selbst eingeführten Königskult. Letztere Gruppe unterteilt er in die Verehrung von verstorbenen Familienmitgliedern und in diejenige von lebenden Königen.

Die letzte Sektion des Companions ist dem Themenbereich "Arts and Sciences" gewidmet. Rebecca Flemming trägt "Empires of Knowledge: Medicine and Health in the Hellenistic World" (S. 449-463) bei. Sie behandelt die Entwicklung der Medizin in hellenistischer Zeit im Kontext der Imperienbildung, eine Vorgehensweise der Kolonialismusforschung, welche sie auf die Antike überträgt. Der Beitrag "The Institutions of Hellenistic Philosophy" (S. 464-476) von Phillip Mitsis befasst sich mit der Spezialisierung der Philosophie. Die großen Philosophenschulen, seine Institutionen, reduziert er auf Einzelpersonen oder Personengruppen, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt als einer Richtung zugehörig bezeichnen. Richard Hunter ("Literature and its Contents", S. 477-493) vermittelt einen Eindruck der großen Breite literarischer Gattungen hellenistischer Zeit und des großen Verlustes an Werken, welche nicht überliefert worden sind. Der Autor illustriert seinen Beitrag mit zahlreichen Textauszügen in Übersetzung. Der plastischen Beschreibung eines an Herakles gemahnenden Athleten bei Theokrit stellt er eine Abbildung der Statue des Thermenboxers aus Rom gegenüber, so dass Text und Bild sich trefflich ergänzen. Andrew Stewart rundet den Companion mit "Hellenistic Art, AD 1500-2000" (S. 494-514) ab. Seinen herausragenden und spritzig geschriebenen Beitrag über die Wiederauffindung hellenistischer Kunst und ihre Erforschung eröffnet und schließt er mit der Laokoon-Gruppe als exemplum.

Der "Companion to the Hellenistic World" zeichnet sich durch hochinteressante und oft erfrischend geschriebene Beiträge aus. Der Zugang zum Stoff wird durch ihre Gliederung in handliche Unterkapitel vereinfacht. Als besonders positiv betrachte ich die reichliche Heranziehung von schriftlichen Primärquellen, welche in Anbetracht der Zielgruppe in Übersetzung präsentiert werden, und von archäologischen Denkmälern. Diese werden dem Leser durch Hintergrundinformationen und scharfsinnige Interpretationen nahe gebracht und verleihen dem Band große Farbigkeit. Bei einem Übersichtswerk können Verallgemeinerungen zwangsläufig nicht ganz vermieden werden. Dennoch halte ich die erste, narrative Sektion für so stark kondensiert, dass Teile der Beiträge für den nicht-spezialisierten Leser, also für eine der Zielgruppen des Companions, möglicherweise schwer zu verfolgen sind. Bedauerlich ist die teilweise unpräzise Zitierweise – Werke werden gelegentlich ohne jede Seitenangabe angeführt. Selbst bei Standardwerken zu einem spezifischen Thema sollten sich besonders relevante Passagen hervorheben lassen. Wünschenswert wäre eine stärkere Vernetzung der Beiträge untereinander gewesen, die, wenn überhaupt, nur in den Literaturangaben am jeweiligen Kapitelende erfolgt. Bei den Schreibweisen antiker Personen- und Ortsnamen treten kleine Inkonsequenzen in der Verwendung griechischer bzw. latinisierter Namensformen auf.

Blackwells "Companion to the Hellenistic World" vollzieht einen beeindruckenden und schwierigen Balanceakt: Sowohl spezialisierte Altertumswissenschaftler als auch ein breites Publikum können hier solide Forschung auf neuestem Stand und spannendes Lesefutter in einem finden. Ich halte diesen Band für eine Bereicherung der Wissenschaftslandschaft, für insgesamt gelungen und empfehle ihn mit Nachdruck. Als Auftakt der Reihe "Companions to the Ancient World" setzt er die Messlatte sehr hoch – möge er würdige Nachfolger finden.

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