R. Pörtner: The counter-reformation in central Europe

Titel
The counter-reformation in central Europe. Styria 1580-1630


Autor(en)
Pörtner, Regina
Erschienen
Oxford 2001: Clarendon Press
Anzahl Seiten
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anna Ohlidal, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, Leipzig

Der vorliegende Band geht auf eine bei Robert J. W. Evans entstandene Oxforder Dissertation zurück. Leider enthält das knappe Vorwort keine Angaben darüber, wie stark die Arbeit für den Druck überarbeitet wurde. Der ursprüngliche Dissertations-Titel „Counter-Reformation in the Provinces. The Duchy of Styria, 1580-1780” trifft Pörtners Thema sicherlich genauer als der allgemein gehaltene „The Counter-Reformation in Central Europe“ der Buchausgabe, was den Leser eher einen synthetischen Überblick über ganz Mitteleuropa erwarten lässt als eine zeitlich enger gefasste Fallstudie zum habsburgischen Erbland Steiermark. Pörtner selbst ist sich in ihren Ausführungen allerdings dieser Beschränkung bewusst und erhebt nur selten Anspruch auf Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse.

Im Zentrum der Untersuchung steht einmal mehr die Verbindung von Politik und Konfession, die hier dezidiert mit dem begrifflichen Instrumentarium von Reformation und Gegenreformation abgehandelt wird. Das in Deutschland bei Untersuchungen dieser Art häufig verwendete Konfessionalisierungsparadigma wird von Pörtner in der Einleitung angesprochen, seine Brauchbarkeit für den Untersuchungsgegenstand Steiermark aber in Zweifel gezogen. Sie spricht sich gegen die mit der „Konfessionalisierung“ häufig verbundene Überbetonung des spirituellen Moments aus und beruft sich dabei auf eine für die habsburgische Religionspolitik typische Verkettung von politischer Notwendigkeit, dynastischen Interessen und individueller Frömmigkeit. Daneben mag die Verwendung des Begriffs „Gegenreformation“ auch dem Entstehungsumfeld der Dissertation geschuldet sein, da Pörtner in anderen Veröffentlichungen selbst mit dem Instrumentarium der „Konfessionalisierung“ operiert. 1 Die Autorin verweist allerdings auch auf die Konfessionalisierungsdefizite in der Gesellschaft, auf den zu beobachtenden Widerspruch zwischen Absicht und Norm einer vollständig „konfessionalisierten“ Gesellschaft und dem tatsächlichen, eher unklaren konfessionellen Bewusstsein der Untertanen. Dieser Aspekt ist in den letzten Jahren zu Recht stärker in das Blickfeld der Forschung gerückt. Von Pörtner wird er aber weitgehend ausgeklammert: Sie beruft sich dabei auf die schlechte Quellenlage, die eine Rekonstruktion der Situation auf der Gemeindeebene verhindere. Die von ihr in den Fußnoten zitierten Quellen zeigen gleichwohl, dass es durchaus noch Interpretationsspielraum gibt.

Die klar strukturierte, gut lesbare Studie beginnt mit einem ausführlichen Überblick über den Aufstieg und die institutionelle Verankerung des Protestantismus in der Steiermark im 16. Jahrhundert, bei dem als Vergleichsfolie auch die Situation in der übrigen Habsburgermonarchie nicht zu kurz kommt. Für den späteren Erfolg der landesherrlichen Gegenreformation arbeitet Pörtner wichtige Erklärungsmomente heraus: So trennten die Stände im Gegensatz zum Herrscher zwischen Konfession und politischer Loyalität und verfolgten zudem gegenüber dem Landesherrn eine Politik des „leidenden Gehorsams“, die Pörtner als „self-prepared trap“ (S. 74) für das spätere Scheitern des politischen Protestantismus ansieht. Die Anfänge der Gegenreformation unter Karl II. bewertet sie als nicht bahnbrechend, aber als Schritte, die eine weitere Ausbreitung und institutionelle Verfestigung des Protestantismus verhindern konnten.

Die entscheidende Phase der Gegenreformation in der Steiermark ist mit Person und Regierungszeit von Erzherzog Ferdinand verbunden. Pörtner liefert im zentralen Kapitel ihrer Studie eine überzeugende und detaillierte Analyse von dessen Herrschaftskonzept. Ferdinand erreichte seine Ziele in der Steiermark mittels repressiver Methoden und durch die Manipulation administrativer und legislativer Instrumente. Für die späteren Jahre, als Ferdinand auch die Kaiserwürde des Reiches innehatte, wird der Zusammenhang zwischen der jeweils aktuellen militärischen Situation und dem Fortschreiten oder Stocken der Gegenreformation deutlich herausgearbeitet. In ihrer Bewertung geht Pörtner von der Sicht der Gegenreformatoren aus und notiert deren Erfolge: Die Mehrheit des Adels konvertierte, als die ursprünglich angewandte protestantische Verzögerungstaktik an ihre Grenzen stieß, so dass man in der Steiermark – etwa im Gegensatz zu Böhmen nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 – kaum Veränderungen im Güterbesitz beobachten kann.

Während in der ersten Hälfte des Buches die Sicht von „oben“, die Konzentration auf die verhaltensleitenden Motive der regierenden Fürsten und deren Strategien überwiegt, weckt das folgende Kapitel zur Gegenreformation auf lokaler Ebene beim Leser – der pessimistischen Beurteilung der Quellenlage in der Einleitung zum Trotz – die leider falsche Erwartung, er würde nun mit den Auswirkungen der Gegenreformation vor Ort vertraut gemacht. Stattdessen geht es erneut um Handeln „von oben“, denn Pörtner beschreibt hier die Tätigkeit der Reformationskommissionen, die zwischen Zwang, Überzeugung und symbolischen Strafen oszilliert, und stellt den Inhalt der Reformationsordnungen dar. Beschrieben werden sowohl die Fehler als auch die Erfolge der Gegenreformatoren: Die Zahl der katholischen Priester wurde nicht erhöht, die kommunalen protestantischen Netzwerke nicht zerschlagen, aber immerhin alle öffentlichen protestantischen Andachtsorte beseitigt. Positiv schlägt hier die Differenzierung zwischen den Ethnien (die Berücksichtigung der katholischen Slowenen) und zwischen der Ober- und Untersteiermark zu Buche, aber es bleiben doch Fragen offen. Der schon im ersten Teil deutlich ausgeprägte „erfolgsorientierte“ Blickwinkel, der manchmal beinahe den Eindruck hervorruft, die Autorin identifiziere sich mit dem Anliegen der Gegenreformatoren, mag nicht von jedem Leser als störend empfunden werden. Es überrascht aber dennoch, dass Pörtner nur am Rande auf so wesentliche Aspekte wie die Ausfluchtstrategien der Bevölkerung oder Versuche des Aushandelns (ein Konzept, das von der angloamerikanischen Geschichtsschreibung eigentlich sehr offensiv vertreten wird) eingeht, indem sie erwähnt, der protestantische Adel habe die Durchsetzung der Gegenreformation lange bremsen können.

Auch die stockende Klerusreform als ausgesprochen wichtiger Verzögerungsfaktor wird in der Studie erst zu einem recht späten Zeitpunkt eingeführt. Im vorletzten Kapitel zu „Reform, Mission, and Propaganda (1580-1630)“ löst sich Pörtner noch einmal stärker von der politisch-chronologischen Betrachtungsweise und liefert einiges an Information zu anderen Feldern der Gesellschaft, besonders zu den Bemühungen, Ausbildung und Lebensweise des Klerus zu reformieren, sowie zum Wirken der Jesuiten. Dass ihre Einzelergebnisse zu diesen Aspekten heute niemanden mehr überraschen werden, mag mit dem Entstehungszeitpunkt der Arbeit zusammenhängen. Trotzdem reichen sie aus, um den Überlegungen zur Gegenreformation in der Steiermark eine gewisse „Bodenhaftung“ zu verleihen und die Macht der politischen Konzepte letztlich doch zu relativieren.

Gegen Ende der Studie benennt die Autorin weitere Erkenntnisinteressen der Arbeit: Wie dauerhaft war die Gegenreformation wirklich? Wann und wie entstand der Kryptoprotestantismus und wie lange konnte er sich behaupten? Diese interessanten Fragen werden allerdings im letzten Kapitel über die Grenzen der Gegenreformation zugunsten eines etwas unorganisch wirkenden Überblicks über den Zeitraum 1628 bis 1780/81 zurückgestellt, der sich hauptsächlich auf die Erscheinungsformen des Barockkatholizismus konzentriert und kaum geeignet ist, Antworten auf die angeschnittenen Fragen zu liefern.

Bei der Lektüre stellte sich die Rezensentin häufig die etwas ketzerische Frage, ob die Arbeit wesentlich über die Erkenntnisse hinausgeht, die in der großen, vor 25 Jahren erschienenen Studie zur Entstehung der Habsburgermonarchie von Robert J. W. Evans vorgelegt worden sind.2 Und ist die These von der Instrumentalisierung der Religion durch die Politik auf der Basis einer Fallstudie zur Steiermark wirklich haltbar? Nachgewiesen wird sicherlich der Beitrag der Gegenreformation zur Staatsbildung, während Belege für die behauptete zerstörerische Wirkung der Gegenreformation weitgehend fehlen. Insgesamt gesehen, hinterlässt Pörtners Buch einen etwas zwiespältigen Eindruck: Die Aufarbeitung der traditionellen Fragestellung nach dem Verhältnis Religion-Staat erfolgt sehr sorgfältig und differenziert, aber gerade vor dem Hintergrund der von Pörtner selbst aufgeworfenen Fragen nach der Reichweite der Gegenreformation und den Ursachen des Kryptoprotestantismus vermisst man doch tiefer gehende Überlegungen zu den Auswirkungen auf der lokalen Ebene – nur hier und nicht in den Reformationsordnungen oder den Traktaten der landesherrlichen Berater ließen sich wohl Antworten auf diese ambitionierten Fragen finden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Pörtner, Regina, Confessionalization and Ethnicity. The Slovenian Reformation and Counter-Reformation in the 16th and 17th Centuries, in: ARG 93 (2002), S. 239-277.
2 Evans, Robert J. W., The Making of the Habsburg Monarchy, 1550-1700, Oxford 1979.

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