H. Weber u.a. (Hgg.): Jahrbuch für historische Kommunismusforschung

Cover
Titel
Jahrbuch für historische Kommunismusforschung.


Herausgeber
Weber, Hermann; Bayerlein, Bernhard H.; Jahn, Egbert; Braun, Günter; Dähn, Horst; Foitzik, Jan; Mählert, Ulrich
Erschienen
Berlin 2003: Aufbau Verlag
Anzahl Seiten
467 S.
Preis
€ 75,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wladislaw Hedeler, Berlin

Vor zehn Jahren, 1993, erschien der erste Band des Jahrbuches für historische Kommunismusforschung im Berliner Akademie Verlag. Bis 1999 folgten weitere sechs Jahrbücher, dann wechselten die Herausgeber um Hermann Weber zum Aufbau Verlag. Hier sind seit 2000 drei Bände der inzwischen etablierten und über Deutschland hinaus wirkenden Reihe, die sich der zeithistorischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus verpflichtet fühlt, verlegt worden.

Dass die Jahrbücher ein Ort der internationalen Diskussion waren und weiter sind, wird mit Blick auf die im Band versammelten Autoren deutlich. Die Schwerpunktlegung des vorliegenden Jahrbuches, für das 18 Autoren aus acht Ländern Beiträge lieferten, folgt zwei 50. Jahrestagen, dem 50. Todestag Josef Stalins und dem des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR.

Unter der Rubrik Abhandlungen skizzieren Norman M. Naimark und Natalja Jegorowa die Veränderungen in der internationalen Politik nach Stalins Tod. „Von den vielen ‚Gesichtern’, die Stalin der Welt präsentierte, war letztendlich jenes am einflußreichsten“, hebt Naimark hervor, „das er als Führer der Sowjetunion während der Nachkriegszeit zeigte“ (S. 15). Moshe Lewin, Barry McLoughlin und Katja Kuhn untersuchen den Personenkult um Stalin, die stalinistischen Rituale von Kritik und Selbstkritik in der Internationalen Lenin-Schule und die Transformation der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

Helmut Fleischer beschreibt im Rückblick die Sowjetphilosophie als Organ der ideologischen Regression. Sein Aufsatz handelt von der Genealogie des Marxismus von seinen „Anfängen über die Marxismen der II. Internationale in den Marxismus-Leninismus und die Leninismen bis zum Aufstieg und Niedergang des [...] Stalinismus“ (S. 52). Von dem, was die „Stammväter“ konzipierten, war im Zuge des anhaltenden Wechsels der Wegzeichen immer mehr verlorengegangen. Am Ende stand die Doktrin.

Hans-Dieter Döpmann legt einen Überblick über Stalins Haltung gegenüber der Russischen Orthodoxen Kirche vor. Hermann Weber bespricht ausgewählte Publikationen zum Thema Stalin und die Folgen.

Den Ereignissen um den 17. Juni 1953 wendet sich Horst Dähn am Beispiel der Analyse von Materialien der SED-Bezirksleitung Magdeburg zu. Es wäre zu wünschen, dass das unter der Rubrik Dokumentation aufgegriffene Thema nicht ad acta gelegt, sondern die dem 17. Juni gewidmeten kommentierten Dokumenteneditionen im nächsten Jahrbuch besprochen werden. Dies wäre eine aufschlussreiche Nachlese zu dem ausgesprochen informativen wie zur Debatte anregenden Beitrag von Werner Müller über zweierlei Geschichtsschreibung in Deutschland nach 1990. Der Aufsatz von Müller und die von Corey Ross vorgelegten Überlegungen zur Debatte über die Sozialgeschichte der DDR ergänzen einander.

Der dritte – traditionelle – Schwerpunkt des Jahrbuches ist die Geschichte der Komintern und der Kominterngeschichtsschreibung. Ryszard Nazarewicz kommentiert unter Rückgriff auf neue russische Dokumenteneditionen polnische Aspekte in Dokumenten der Komintern aus den Jahren 1939 bis 1941, Fridrich Firsow analysiert neue Veröffentlichungen über die Komintern und die sowjetische Politik, wobei er die unterschiedlichen Sichtweisen russischer und „revisionistischer“ Autoren herausarbeitet. Zu diesem Schwerpunkt gehören im weitesten Sinne auch die Beiträge über die Kommunismusforschung in Slowenien sowie die auf hohem Niveau verfassten und auf gründlicher Archivrecherche fußenden biografischen Skizzen über Fanny Jezierska und Werner Kowalski aus der Feder von Ottokar Luban und Dietmar Simon. In einer Sammelrezension wird neue Literatur über die Führung des NKWD während der Großen Säuberungen vorgestellt und kommentiert.

Im Dezember 2003 jährt sich zum 50. mal die Absetzung von Lawrentij Berija, ein Thema, das Naimark in seinem Beitrag streift. Es wäre denkbar, die dieser Person gewidmete seriöse russischsprachige Literatur in einem der nächsten Jahrbücher zu besprechen. Ein weiteres, sich anbietendes Thema ist das des Gulag in der UdSSR. Zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des Jahrbuches, Alexander Jakowlew und Wolfgang Ruge, sind mit neuen autobiografischen Publikationen hervorgetreten. An Stoff für die ins zweite Jahrzehnt eintretende Reihe mangelt es nicht. Auf das nächste Jahrbuch und dessen Internetpräsentation unter der Adresse http://www.mzes.uni-mannheim.de/projekte/JHK-news darf man gespannt sein.

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