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Titel
Das schwarze Korps. Geschichte und Gestalt des Organs der Reichsführung SS


Autor(en)
Zeck, Mario
Reihe
Medien in Forschung und Unterricht A 51
Erschienen
Tübingen 2002: Max Niemeyer Verlag
Anzahl Seiten
X, 478 S., 15 Abb.
Preis
€ 72,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Brosch, Fachbereich Soziologie, Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik

Bislang sind nur wenige Presseorgane des Nationalsozialismus einer eingehenden systematischen Untersuchung unterzogen worden, sei es unter geschichtswissenschaftlicher, soziologischer, linguistischer oder medienwissenschaftlicher Perspektive. Diesem Forschungsdesiderat stellt sich nun Mario Zeck mit der von ihm vorgelegten Arbeit über „Das Schwarze Korps. Zeitung der Schutzstaffeln der NSDAP. Organ der Reichsführung SS" entgegen, welches von 1935-1945 im parteieigenen Verlag Franz Eher Nachfolger erschien und mit einer Auflagenstärke von 500.000 bis 750.000 Exemplaren zwischen 1939 und 1944 zur zweitgrößten politischen Wochenzeitung des Reiches wurde. Mit seiner materialreichen Untersuchung liefert er zugleich einen Überblick über den historischen Kontext, in dem die Zeitschrift erschien, und thematisiert in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit der Zeitschrift von politischen Instanzen und liefert die biografischen Daten der wichtigsten Akteure innerhalb der Redaktion. Darüber hinaus untersucht Zeck systematisch die wichtigsten Inhalte dieses Periodikums und analysiert die Sprache sowie die formale Gestaltung und Wirksamkeit des äußeren Erscheinungsbildes dieser Zeitschrift.

Erfreulich an dieser zweifellos richtungweisenden Fleißarbeit ist zunächst die übersichtliche Gliederung: Durch die systematische Vorgehensweise des Autoren werden nicht nur Redundanzen nahezu vermieden, sondern die fast vollständig autonomen Teilabschnitte gestatten es dem Leser, selektiv nur einzelne Abschnitte bzw. Kapitel auszuwählen.

Im ersten Kapitel der Arbeit widmet sich Mario Zeck ausführlich dem nonkonformistischen Hauptschriftleiter des „Schwarzen Korps“ Gunter D’Alquen, den er als einen Journalisten beschreibt, „in dem sich Fanatismus mit Pragmatismus und eine 'bedingungslos gefestigte' Weltanschauung mit der nötigen Zivilcourage verbinden" und welcher auch seine Mitarbeiter entsprechend nach diesen Eigenschaften aussuchte. D'Alquen, der später Mitarbeiter in Propagandakompanien des Heeres und der SS wurde und im Rahmen dieser Tätigkeit auch Leiter einer eigenen Einheit war, die aufgrund ihrer herausragenden Leistungen für das Regime den Ehrennamen „Kurt-Eggers“-Standarte erhielt, war derjenige, der das Blatt prägte und es nach seinen Vorstellungen formte. Aber auch über die anderen Mitglieder der Schriftleitung kann sich der Leser anhand der sich anschließenden Kurzbiografien ein Bild machen.

Im kurzen zweiten Kapitel widmet sich Zeck der Gründungphase sowie der Aufgabe und Zielsetzung der Zeitschrift, die im März 1935 erstmals erschien.

Das dritte Kapitel beschreibt das Verhältnis zu und die Zusammenarbeit mit den entscheidenden Kontrollinstanzen und Interessenvertretern des NS-Staates, so vor allem zu Hitler, Himmler, Goebbels und dem SD. Der Schriftleiter D'Alquen, welcher von Zeck als keinesfalls bequemer Mitarbeiter beschrieben wird, versuchte „frühzeitig, seiner Zeitung das Image eines Nonkonformistenblattes zu verleihen, das als farbiger Tupfer im braunen Blätteralltag gegen Ermüdung, Erschlaffung und Dekadenzerscheinungen in den eigenen Reihen vorgehen und damit eben auf seine Weise dem Fortschritt der 'Bewegung' dienen wollte.“ So erklärte er sein Blatt zum Ausdruck eines notwendigen neuen [loyalen und konstruktiven] 'Oppositionsverständnisses' (S. 102).

Mit dieser Programmatik und Eigenpositionierung stand D'Alquen sich, so Zeck, zum Teil selbst im Weg. „Es ist evident, dass ein Blatt vom Stil des „Schwarzen Korps“ Widerspruch hervorrief und Feindschaften schuf" (S. 133), andererseits ist es offenbar insbesondere die „Ehrlichkeit" der Zeitung, die von den Lesern gefeiert wurde und diese ist möglicherweise auch einer der wichtigsten Gründe für den großen Erfolg der Zeitschrift. So sei es die „Unzufriedenheit im Volk" gewesen, „die das „Schwarze Korps“ zuerst getragen habe", so der Originalton D'Alquens. In den ersten Jahren des Regimes und in den Jahren 1936/37 sei das Blatt zu einer regelrechten „Reichsbeschwerdestelle" mutiert (S. 144).

D'Alquen selbst, so Zeck, beschrieb seine Arbeit als „Seiltanz" (S. 125) zwischen den verschiedenen Institutionen und Parteigrößen, die alle Einfluss auf das Blatt nehmen wollten.

Während D'Alquen bei Himmler im Großen und Ganzen „eine Art Narrenfreiheit" (S. 128) gehabt habe, wird das Verhältnis zu Hitler als eher indifferent beschrieben. Hitler selbst wurde in den Artikeln des Blattes auch „grundsätzlich nicht kritisch thematisiert" (S. 133). Das Verhältnis zu Goebbels wird als schwierig beschrieben: Einerseits leistete er dem Blatt zwar schon bald nach der Gründung Hilfestellung, übte aber auch immer wieder heftige inhaltliche Kritik und versuchte nicht selten, die Zeitschrift unter seine Kontrolle zu bringen. Nachdem die Beziehung 1937 auf dem „Tiefpunkt" angelangt war, kam es danach dann doch zu einer deutlichen Verbesserung und ab 1940 sogar zu einer „fruchtbaren Zusammenarbeit" (S. 134ff.).

„Das „Schwarze Korps“ und sein Hauptschriftleiter gerieten vor allem durch Kritik aus den eigenen Reihen der SS, hier besonders von Seiten des SD in Schwierigkeiten" (S. 140). Als wechselhaft bis schwierig beschreibt Mario Zeck daher das Verhältnis zum SD. Obwohl der Sicherheitsdienst und das Blatt durchaus kooperierten, kam es jedoch durch die Vereinnahmungsversuche Heydrichs und seiner Organisation immer mehr zu Dissonanzen. Zeck exemplifiziert dies unter anderem sehr schön anhand des Disputs zwischen Heydrich und D'Alquen über die abwertende Berichterstattung, die das „Schwarzen Korps“ über Jakob Wilhelm Hauers Deutsche Glaubensbewegung machte (S. 146f.).

In dem vierten und umfangreichsten Kapitel stellt Mario Zeck die thematischen Schwerpunkte der Zeitung dar. Er geht ausführlich auf die Agitationen gegen die Juden (S. 212ff.) und die Kirche bzw. Religion im Allgemeinen (S. 165ff.) ein, aber auch auf jene gegen den Bolschewismus (S. 230ff.), die Bürokratie (S. 261ff.) sowie gegen die „Schädlinge" der „Volksgesundheit" (S. 304ff.). Zeck nennt es die „Antiwelt", die „Kriminellen", Geisteskranken, „Nichtarier" und Homosexuellen. Aber auch „widerspenstige Juristen" (S. 242ff.), selbst der „renommierte Carl Schmidt" (S. 246-248) und ebenfalls „schmarotzende" oder von der Weltanschauung abweichende Parteifunktionäre (S. 266ff.) wurden zum Ziel von Angriffen.

Die SS und ihre Aufgaben wurden in diesem organisationseigenen Blatt selbstverständlich auch thematisiert. Zeck belegt anhand erlesener Beispiele, wie im „Schwarzen Korps“ als „Hausblatt der SS ein Image dieses 'Ordens' kreiert wurde, das sowohl den SS-Männern wie den übrigen Lesern einen elitären Charakter dieser Organisation vermitteln sollte" (S. 283), und zwar mittels stets über das ganze Blatt verstreuter Nachrichten über die SS, ihre Tätigkeiten und Erfolge. Das „Erfolgskonzept" bestand, so Zeck, in der „Akkumulation" dieser Nachrichten.

Dem Frauenbild im „Schwarzen Korps“ (S. 314ff.) ist der letzte Abschnitt des 4. Kapitels gewidmet. Zecks Analyse zeigt, dass das in der Zeitschrift vermittelte Frauenbild keinesfalls dem eines „Heimchens am Herd" entsprach, sondern eingebunden war in die „Ehe und Familie als Leistungsgemeinschaft“. Zeck beschreibt dies so: „Auch die Ehe selbst wurde dadurch zu einer Produktionsgemeinschaft, in der individuelles Glück nicht von Belang war, wie das Individuum sowieso für Volk, Rasse und Nation ohne Wert war" (S. 331). Diese Instrumentalisierung der Ehe führte soweit, dass auch antifamiliäre Konzepte zur Produktion rassisch wertvoller Menschen durchaus akzeptiert und propagiert wurden.

Im 5. Kapitel (S. 325ff.) untersucht Mario Zeck die Sprache der Zeitschrift. Er geht in diesem Kapitel auf die Textfunktion, die mittels der Sprachwahl verfolgten Strategien, die Intentionen ein und widmet dem sprachlichen Mittel der Persuasion in diesem linguistischen Schwerpunkt der Untersuchung fast 50 Seiten. Als sprachliche Mittel der Persuasion versteht Zeck Techniken und Taktiken, „die im Rahmen einer propagandistischen Anwendung der Sprache eingesetzt werden" und die zuvor von ihm aufgeführten Strategien stützen (S. 357).

Im letzten Kapitel seiner Arbeit analysiert Zeck Design und Layout der Zeitschrift (S. 401ff.) und stellt schon vorwegnehmend fest, „dass Format und Stil der Zeitung an Professionalität bemerkenswert aus der übrigen Presselandschaft des Dritten Reiches herausragten, was zweifellos auch von den Leserschaft honoriert wurde" (S. 402).

Zeck gelingt es in seiner Arbeit eindrucksvoll, die Geschichte dieser im Dritten Reich überaus erfolgreichen Zeitschrift darzustellen. Seine linguistischen wie auch seine medienwissenschaftlichen Untersuchungen sind ebenfalls sehr überzeugend. Die Darstellung und Analyse der thematischen Schwerpunkte dieses NS-Organs kann als überaus gelungen bezeichnet werden. Insgesamt ist die Arbeit flüssig und gut verständlich geschrieben. Es wäre zu wünschen, dass Zecks interdisziplinärer Untersuchungsansatz Forschern als Kompositionsanleitung für weitere Studien von Publikationsorganen der Rechten in Deutschland vor und nach 1933 dienen würde.

Einziger Wermutstropfen an dem Buch ist die verlegerische Umsetzung. Bei einem Preis von über 70 Euro kann man von einem traditionsreichen Buchhandelsunternehmen wie Max Niemeyer mehr verlangen als einen kartonierten Einband, dem schon bei der ersten Lektüre trotz des überaus schonenden Umgangs des Rezensenten (Benutzung eines Lesezeichens, statt das Buch offen hinzulegen, kein übermäßiges Aufbiegen bei der Lektüre etc.) der Buchblock bricht - die ersten „fliegenden“ Seiten sind daher nur noch eine Frage der Zeit. Mangels einer Laminierung sieht der Band schon jetzt recht abgegriffen und schmuddelig aus. Andere Wissenschaftsverlage bieten bei vergleichbaren Preisen und wahrscheinlich analogen Kosten (ähnliche Seitenzahl, niedrige Auflagen etc.) deutlich höherwertige Bücher.

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