A. Bernard: Die Revokation des Edikts von Nantes

Titel
Die Revokation des Edikts von Nantes und die Protestanten in Südostfrankreich 1685-1730.


Autor(en)
Bernard, Anna
Reihe
Pariser Historische Studien 59
Erschienen
München 2003: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
€ 34,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katharina Middell, "Das Ereignis Jena/Weimar", Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die 1998 in Frankfurt am Main eingereichte Dissertation liegt nun in überarbeiteter Form vor. Anna Bernard hat sich eines Themas angenommen, über das wahrlich kein Mangel an Literatur herrscht. Sich dieser Tatsache bewusst, hat sie eine obrigkeitliche, politik- und institutionengeschichtliche Perspektive gewählt und der zentralen die regionale Untersuchungsebene, vor allem den Südosten Frankreichs, zur Seite gestellt: die Provence als Beispiel für einen (allerdings relativ gesehen) minderheitlichen Protestantismus in dominierend katholischer Umgebung, der Dauphiné als Provinz, in der die protestantische Religion die konfessionelle Mehrheit stellte. Mit Institutionen sind hier die Kirche und die Verwaltung bzw. Regierung gemeint, nicht das Militär und nicht die parlements.

Die Arbeit besteht aus acht Kapiteln und einem umfangreichen Anhang.

Anna Bernard umreisst nach der Einleitung zunächst den historischen Rahmen des Widerrufsedikts (Kap. 2), wobei sie auf die gängigen Darstellungen zurückgreift. Der normative Rahmen (Kap. 3) wird durch die knappe Wiedergabe der aufeinanderfolgenden Edikte zur Protestantenpolitik (1669, 1685, 1698, 1724) skizziert. Kapitel 4 schildert als institutionellen Rahmen die Kompetenzen der Intendanten, die an der Spitze der Verwaltung in den Provinzen standen, und der Geistlichkeit. Die Protestantenpolitik der Intendanten (Kap. 5) und des Klerus (Kap. 6) wird jeweils „im Spiegel“ zeitgenössischer Dokumente dargestellt. Auch hier wird, wie in den beiden vorangehenden Kapiteln, ausführlich aus den Quellen zitiert. Dies sind vor allem Weisungsschreiben der Zentralregierung an die Intendanten, und diese kommen auch in ihrer Korrespondenz mit der Zentralregierung zu Wort. Analog dazu verfährt Kapitel 6, in dem Anweisungen der Regierung an die Bischöfe untersucht werden. Aus den Protokollen der Generalversammlungen des Klerus gehen die Vorschriften an die Geistlichen hervor. Von der Zentralregierung wurde gefordert, dass die Intendanten und Bischöfe miteinander kooperieren und sich kontinuierlich austauschen sollten. Kap. 7 behandelt die Auswirkungen der Protestantenpolitik in Südostfrankreich. Die Reaktionen der Protestanten auf das Revokationsedikt – Konversion mit ihren diversen alltagspraktischen Variationen und Flucht, später die „Kirchen der Wüste“ – sind freilich seit längerem bekannt und bereits gut erforscht, sie finden sich hier in einer knappen Darstellung aus der Forschungsliteratur. Es folgen eine knappe Bilanz sowie der Anhang mit Quellen- und Literaturverzeichnis nebst Register.

Konzeptionell will Anna Bernard im Rahmen der Absolutismusforschung zur Klärung der Motive der Widerrufung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. beitragen, die Durchführung des Edikts und den Erfolg als Bestandteil absolutistischer Regierungspraxis bzw. als Moment der Stärkung des Absolutismus befragen. Sie stellt dazu fest, dass die Revokation als der gelungene Versuch absolutistischer Politik erscheint, mit dem Protestantismus eine unkontrollierbare Partikulargewalt auszuschalten.

Ein weiteres Anliegen der Arbeit ist es, die Anwendbarkeit des Konzepts der Konfessionalisierung auf Frankreich zu prüfen. Bernard kommt an verschiedenen Stellen darauf zurück, um im Ergebnis eine negative Antwort zu finden: Die Widerrufung des Edikts von Nantes ist kein französisches Beispiel eines Konfessionalisierungsprozesses, weil die Revokation vor allem in den Händen der weltlichen Obrigkeiten lag und besonders durch die Justizorgane ausgeführt wurde, das Recht aber als konfessionsfrei gilt.

Der fast siebzigseitige Anhang (S. 165-232) ist länger als jedes Kapitel, und es darf gefragt werden, warum er dermaßen und, so der Anschein, ein wenig künstlich aufgebläht wurde. Acht Dokumente (aus Korrespondenzen) werden hier vorgestellt. Die Lebensläufe „im Text zitierter weltlicher Beamter, Kleriker und Protestanten“ (S. 178-197) sind der durchaus zugänglichen biografisch-lexikalischen und der Sekundärliteratur entnommen, dabei von unterschiedlicher Aussagekraft und Qualität. Die Auflistung der Bischöfe der im Text erwähnten Diözesen, der Intendanten der Provence und des Dauphiné (der, nicht die Dauphiné), der Generalkontrolleure der Finanzen, der Staatssekretäre für das Kriegswesen und derer für Äußere Angelegenheiten (S. 197-202) aus einer Dokumentation von 1873 sind schöne Fleißarbeit.

Die Meinung über das vorliegende Buch fällt gemischt aus. Nicht der Arbeitsaufwand, sondern das Ergebnis soll beurteilt werden. Für die Geschichte der Protestanten in Frankreich in der Periode ihrer Verfolgung und Unterdrückung hält sich der Neuwert in Grenzen. Der Nachweis des Funktionierens absolutistischer Politik dürfte offene Türen einrennen. Der Konfessionalisierungsnachweis ist für die (inzwischen abgeklungene) deutsche Debatte sicher nützlich, die Überschau über die französischsprachige Forschungsliteratur und die Dokumentation einiger Quellen ebenso. Für historisch Interessierte, die über das Edikt von Nantes von 1598 und seine Widerrufung 1685 uninformiert sind, ist die Arbeit hilfreich, doch hier wieder durch die gewählte Perspektive nicht allgemein repräsentativ. Aber die Pflicht zur Drucklegung von Dissertationen gibt es eben.

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