F. Hahn: Theologie des Neuen Testaments

Cover
Titel
Theologie des Neuen Testaments. Die Vielfalt des Neuen Testaments. Die Einheit des Neuen Testaments, 2 Bände


Autor(en)
Hahn, Ferdinand
Erschienen
Tübingen 2003: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
LXXX, 1727 S.
Preis
€ 219,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Paul Metzger, Fachbereich Evangelische Theologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der emeritierte Münchner Neutestamentler Ferdinand Hahn, der bereits mit seiner Dissertation über die christologischen Hoheitstitel 1961 einen gewichtigen Beitrag zur Forschung am Neuen Testament verfasste,1 legt nun mit dieser auf zwei Bände angelegten "Theologie des Neuen Testaments" eine Summe seiner Arbeiten vor. Dass dieses insgesamt über 1700 Seiten umfassende Werk im Rahmen einer solchen Rezension nicht vollständig besprochen werden kann, ist ersichtlich. Dies erfordert, sich auf Grundlinien zu beschränken, wobei der erste Band im Vordergrund stehen soll. Diese lassen sich am besten in den Blick nehmen, wenn man beachtet, dass eine Reihe von Entscheidungen bezüglich der Herangehensweise an das Thema einer neutestamentlichen Theologie zu treffen sind, die vor allem die Darstellungen des ersten Teils bedingen.

Hahn teilt seine Arbeiten nicht zufällig und aus Platzgründen in zwei Bände auf, sondern folgt damit einer ersten Grundentscheidung. Er will sowohl eine Theologie beschreiben, die auf die Spezifika der einzelnen Schriften des Neuen Testaments Rücksicht nimmt, wie auch deren verbindende Elemente aufweisen. Im ersten Band seines Werkes legt er deshalb eine Art Theologiegeschichte vor, die in chronologischer Reihenfolge die einzelnen, teilweise natürlich nur rekonstruierten Entwicklungsstufen des frühen Christentums bespricht, also etwa die Verkündigung Jesu oder das Denken der Urgemeinde. Damit weist er aus, dass das Neue Testament nicht nur eine einzelne Theologie vertritt, sondern durchaus verschiedene Stimmen zu Gehör bringt, die Jesus als den Christus in je ihrer Eigenart bezeugen.

Im zweiten Band zeichnet Hahn dann anhand mehrerer thematischer Querschnitte die Verbindungslinien nach, die das Neue Testament bei aller Verschiedenheit seiner einzelnen Teile doch in der Summe als das eine Zeugnis Christi erweisen. Inhaltlich orientiert Hahn seine Darstellung vor allem am Offenbarungshandeln Gottes in Christus als der Mitte des Neuen Testaments. Aufbauend auf den Glauben an den einen Schöpfer und Herrn der Geschichte tritt "das wechselseitige Verhältnis des Handelns Gottes, Jesu Christi und des Geistes" (S. 800) in das Zentrum des Neuen Testaments und muss in seinen verschiedenen Aspekten beleuchtet werden. Aufgrund dieses göttlichen Handelns erkennt der Mensch zugleich sein Sündersein wie auch seine Rechtfertigung. Dieses neue, von Gott geschenkte Sein stellt ihn in die Verantwortung der Erwählten. Der Mensch "ist zu Nachfolge und Glauben und als Einzelner wie als Gemeinschaft zu verantwortlichem Handeln aufgerufen" (S. 801). Sein Leben vollzieht sich unter der schon jetzt zugesagten Realität der Rechtfertigung und der noch ausstehenden sinnfälligen Realisation der Verheißung (S. 801).

Diesen Grundgedanken setzt Hahn um, indem er zunächst "Das Alte Testament als die Bibel des Urchristentums" (S. 38-143) behandelt, da dies die Grundlage bildet, auf die die ersten Christen aufbauen konnten. Als zweiten Teil konzipiert Hahn "Das Offenbarungshandeln Gottes in Jesus Christus" (S. 144-309), der die Christologie und die Pneumatologie beinhaltet, bevor er sich im dritten Teil der "soteriologische(n) Dimension des Offenbarungshandeln(s) Gottes" (S. 310-441) zuwendet und darin "Das Problem des Gesetzes" (S. 337-372) und die Anthropologie behandelt. Schließlich untersucht er im vierten Teil unter dem Titel "Die ekklesiologische Dimension des Offenbarungshandeln(s) Gottes" die Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder (S. 442-737), wobei er die Sakramente Taufe und Abendmahl sowie die Ethik beschreibt. Im fünften und letzten Teil behandelt er die sich auf die Zukunft ausstreckende christliche Existenz unter dem Titel "Die eschatologische Dimension des Offenbarungshandeln Gottes" (S. 738-798). Ein kurzer "Rückblick auf die Erwägungen zur Einheit des Neuen Testaments" (S. 799-806) schließt den zweiten Band ab.

Mit seiner Konzeption wendet sich Hahn gegen Ansichten, die die Suche nach einer Einheit des Neuen Testaments für vergeblich halten. Während es z.B. Joachim Gnilka in seiner Darstellung der neutestamentlichen Theologie ablehnt, einen systematisierenden Überblick über das gesamte Neue Testament zu versuchen, da dieser "wegen der Reichhaltigkeit der Aussagen und der zum Teil beträchtlichen Unterschiede auch gar nicht möglich ist, ja sich verbietet",2 gelingt es Hahn überzeugend, die Notwendigkeit darzulegen, "nach den Gemeinsamkeiten und der Einheit des urchristlichen Zeugnisses" (S. 26) zu fragen. Mit dieser grundlegenden Entscheidung vermeidet er erstens den Eindruck, das Neue Testament habe keine wirkliche Mitte und bestünde nur aus verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Zeugnissen des christlichen Glaubens, und nivelliert zweitens trotzdem nicht die vorhandenen Differenzen. Da beide Bände seiner Theologie nicht für sich stehen wollen, sondern sich komplementär zueinander verhalten, kann Hahn also erfolgreich zwischen Skylla und Charybdis hindurch navigieren.

Im ersten Band beschreibt Hahn die Entwicklung der neutestamentlichen Theologie. Dabei erliegt er nicht der Gefahr, die Theologiegeschichte so aufzufächern, dass die sie einenden Verbindungen nicht mehr sichtbar sind.3 Nachdem er zur Einführung eine Reihe von Theologien seiner Vorgänger bespricht (S. 1-18), muss er sich schließlich einer weiteren Grundfrage stellen: Gehört die Verkündigung Jesu zu den Voraussetzungen einer Theologie des Neuen Testaments oder ist sie Bestandteil derselben?4 Hahn weist darauf hin, dass in Jesu Verkündigung bereits sachlich das angelegt sei, was einen grundlegenden Bestandteil des späteren Kerygmas bilde. Die Verkündigung der anbrechenden Gottesherrschaft durch den historischen Jesus sei die Klammer, die das vorösterliche Wirken Jesu mit der Botschaft von ihm und über ihn verbinde. Deshalb sei es von theologischer Relevanz, im Rahmen einer neutestamentlichen Theologie auch Jesu Verkündigung zu bearbeiten. Dabei will er zeigen, dass zwischen der Verkündigung Jesu und der Predigt der nachösterlichen Gemeinde, die ihn als den Christus zum Inhalt hat, eine sachliche Analogie besteht und wie das Ostergeschehen die Verkündigung des historischen Jesus transformiert hat (S. 21). Nur aus der Vollmacht des historischen Jesus im Zusammenspiel mit der Ostererfahrung der Gemeinde sei die Ausbildung der Christologie zu erklären (S. 123). Jesu Tod wird mit Heinz Schürmann als "Proexistenz" verstanden (S. 123), den dieser als "einen notwendigen, ihm von Gott auferlegten Bestandteil seines Auftrags" (S. 121) angesehen habe. An diese Selbsthingabe Jesu kann nach Hahn die aramäisch sprechende Urgemeinde in Jerusalem anknüpfen.

Auf die Behandlung der Verkündigung Jesu (Teil I: "Verkündigung und Wirken Jesu und die Rezeption der Jesus-Überlieferung durch die Urgemeinde", S. 30-127) folgt als Teil II die "Verkündigung und Theologie der ältesten christlichen Gemeinden" (S. 128-179). Da Hahn es ablehnt, eine eigenständige galiläische Tradition des Christentums anzunehmen (S. 142), gelingt es ihm, ein harmonisches Bild des sich entwickelnden Christentums zu entwerfen, das zwar die Diskontinuität des Kreuzes nicht ausblendet, aber doch recht schnell theologisch verarbeitet. Von Jes. 53, 10-12 her habe die Urgemeinde die Erkenntnis gewonnen, die von Jesus vorgelebte "Proexistenz" und seinen Tod als stellvertretende nichtkultische Sühne zu verstehen (S. 152f.). Während die älteste Gemeinde noch davor zurückgescheut sei, den Messiastitel auf Jesus anzuwenden (S. 149), sei die weitere Entwicklung - angeregt von der Verurteilung Jesu als Messiasprätendent - darauf zu gelaufen, "Messias" als Titel inhaltlich neu zu definieren (S. 150). Zugleich (oder vielleicht sogar früher) sei die von Jesus gebrauchte Bezeichnung "Menschensohn" in Anknüpfung an Dan. 7 und schließlich an Ps. 110 als Titel mit messianischer Würde aufgeladen worden (S. 150).

Während Hahn bislang seine Darstellung der ersten beiden Teile auf historische Rekonstruktion stützen musste5, kann er in Teil III ("Die Theologie des Apostels Paulus", S. 180-331) auf die Paulusbriefe als vorliegende Textgrundlage zugreifen. Dabei überrascht zunächst, dass er die Entstehung der Paulusbriefe chronologisch wie folgt ansetzt: I Thess., Gal., I/II Kor., Phil., Phil., Röm. Gegen die Mehrheit der neueren Exegese 6 erkennt Hahn damit im Gal. einen frühen Paulusbrief, was inhaltlich die Konsequenz nach sich zieht, die Rechtfertigungslehre als ein Zentrum der paulinischen Theologie zu begreifen (S. 246). In seiner Darstellung des Denkens Pauli orientiert er sich am Evangeliumsbegriff des Paulus, den er in verschiedenen Paragrafen in seiner Tragweite bespricht (S. 189-322). Dabei legt er folgende Einsicht zugrunde: "Die Geschichte Jesu Christi beginnt [...] für Paulus mit dem präexistenten Sein bei Gott, hat ihr Zentrum in Jesu Offenbarung und Heilswerk und besitzt ihr Ziel in seiner Wiederkunft und der damit verbundenen Heilsvollendung. Es legt sich daher nahe, von der Präexistenz und Menschwerdung auszugehen und über das Kreuz, die Auferstehung und die Erhöhung den Linien der paulinischen Theologie bis zur Parusie nachzugehen" (S. 206f.). Bei dem Nachzeichnen dieser Linien lehnt Hahn die These einer Entwicklung im paulinischen Denken ab und verweist darauf, dass die Beobachtungen, die z.B. Udo Schnelle oder Jürgen Becker 7 zu einer solchen These geführt haben, lediglich auf Modifikationen der inneren Einheit des paulinischen Denkens zurückzuführen seien (S. 181). Gerade im Hinblick auf das Gesetzesverständnis seien die verschiedenen Aussagen zur Deckung zu bringen und einzelne, scheinbar sachliche Widersprüche aus der jeweiligen Situation erklärbar (S. 233). Indem Hahn den Evangeliumsbegriff in den Vordergrund seiner Darstellung rückt, gelingt es ihm inhaltlich zu entfalten, was die Lehre Pauli ausmacht. Als ihr Zentrum erkennt Hahn nämlich eine Verschränkung von Christologie und Soteriologie, wie sie besonders in der Rechtfertigung des sündigen Menschen zum Ausdruck kommt (S. 187, § 15; S. 245ff.). Mit der befreienden, weil rechtfertigenden Botschaft, die dem sündigen, weil in sich verkrümmten Menschen zugesprochen wird, habe Paulus sachlich die Kontinuität zur Verkündigung Jesu bewahrt, und damit zeige sich zwischen Paulus und Jesus "eine fundamentale sachliche Übereinstimmung" (S. 329).

Diese sachliche Konvergenz sei auch von der Paulusschule beibehalten worden, die Hahn in Teil IV "Die Theologie der Paulusschule" (S. 332-384) behandelt. Zwar setzt er keinen direkten Schulbetrieb voraus und erkennt auch wesentliche Differenzen innerhalb der deuteropaulinischen Literatur (S. 332f.), doch scheint es ihm sinnvoll, "wegen der Bindung an das Erbe des Paulus [...] den Begriff der 'Schule' anzuwenden" (S. 333).8 Neben der Paulusschule, die das Erbe des Meisters in die nachapostolische Zeit trägt und dabei aktualisiert, stellt Hahn in Teil V "Die theologische Konzeption der von Paulus unabhängigen hellenistisch-judenchristlichen Schriften des Urchristenums" (S. 386-475) dar, bespricht also Jak., I Petr., Hebr. und Apk. Warum die Offenbarung des Johannes in diesem Kapitel und nicht in Verbindung mit der übrigen johanneischen Literatur besprochen wird, ist nicht einsichtig.9 Wenn Hahn darauf verweist, dass der Seher der Apk. sich "nicht nur in seinem Denken, (sondern) auch in Sprache und Stil" (S. 449) von der übrigen johanneischen Literatur unterscheidet, scheinen mir die mannigfaltigen Berührungen (z.B. Christus als "Lamm", als "Logos") 10 nicht hinreichend gewürdigt. Diese erkennt zwar auch Hahn, doch spricht er der Apk. wegen fehlender gemeinsamer Traditionsgrundlage ab, ein Produkt des "Johanneischen Kreises" zu sein (S. 590).

Als Teil VI bespricht Hahn "Die theologischen Konzeptionen der synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte" (S. 477-583). Darin kennzeichnet er Markus als den Schöpfer der Gattung Evangelium (S. 492) und sein Werk als konsequenten Zielpunkt einer Entwicklung von der frühen Jesusüberlieferung zur Fixierung der Tradition (S. 768). Zentral ist für ihn dabei das "Offenbarungsgeheimnis" (S. 511), das die Mitte der Christologie bildet und die grundlegende theologische Leistung des Markus darstellt (S. 516). Im Unterschied zu Markus, bei dem die Christologie den Vorrang vor Pneumatologie und Ekklesiologie erhält (S. 516), sieht Hahn bei Matthäus eine eigenständige Ekklesiologie ausgebildet (S. 545). Dessen Sicht der christlichen Gemeinde als dem erneuerten Gottesvolk zeige sich auch an der Betonung der alttestamentlichen Wurzeln der Verkündigung und des Auftretens Jesu (Reflexionszitate). Zugleich sei die Gerichtsthematik deutlicher in den Vordergrund gestellt (S. 545). Demgegenüber ist laut Hahn im Hinblick auf das lukanische Doppelwerk zu betonen, dass Lukas ein neues Geschichtsbewusstsein des Christentums entwirft: "Die Erfahrung der Gegenwart des Heils aufgrund der Verkündigung, der Umkehr und der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde wurde in Beziehung gebracht zu der Erfahrung der weitergehenden Zeit" (S. 583). So sei die Zukunftshoffnung deutlich in die Ferne gerückt, wohingegen Pneumatologie und Ekklesiologie mehr Gewicht erhalten als bei Markus (S. 583).

Als Teil VII wird schließlich "Die johanneische Theologie" besprochen (S. 585-732). Hierbei ist auffällig, dass Hahn für einen von ihm angenommenen "Johanneischen Kreis", dem er allerdings nur das Johannesevangelium und die drei Johannesbriefe zuschreibt, zwar eine eigenständige Tradition mit einem eigenen Traditionsträger annimmt, es aber für unnötig hält, nach einem historischen Anhaltspunkt eines solchen Trägers zu suchen (S. 586f.). In seiner Darstellung unterscheidet er eine von Johannes verarbeitete Tradition, ein genuines Werk des Johannes und verschiedene Nachträge, wobei die Briefe älter als das Evangelium seien (S. 586). Da aber "eine weitreichende Gemeinsamkeit der verschiedenen Traditionsschichten erkennbar wird, ist es möglich, die vorjohanneische, johanneische und deuterojohanneische Konzeption als relative Einheit zu erfassen" (S. 598). Darzustellen ist nach Hahn diese einheitliche Konzeption vom Gottesverständnis her, das die im Vordergrund stehende Sendungschristologie bedingt. Damit hängt dann die Pneumatologie und schließlich auch Ekklesiologie und Eschatologie zusammen (S. 599). Das Offenbarungshandeln Gottes in Christus sei gekennzeichnet durch den nachösterlichen Rückblick auf die Zeit Jesu, die in der Niedrigkeit Jesu die Hoheit des gesandten Logos erkenne (S. 728). In diesem Logos sei Gott selbst in ewiger Einheit und Unterscheidung am Werk, was durch den Parakleten in die Gegenwart getragen und zum Ziel geführt werde (S. 731).

Im Überblick konstruiert Hahn in seiner grundlegenden Theologiegeschichte des ersten Bandes eine Entwicklung, die deutlich machen will, dass und "wie unterschiedlich die christliche Botschaft schon in ältester Zeit artikuliert und weitergegeben worden ist" (S. 763). Darüber vergisst er aber nicht, die verbindenden Linien der einzelnen Schriften zu verdeutlichen. Er legt dabei ein recht harmonisches Bild der Entwicklung des frühen Christentums vor: Die Verkündigung Jesu ist laut Hahn konsequent von der Urgemeinde weitergeführt und ergänzt worden (S. 764f.). Bereits in apostolischer Zeit, also noch vor ca. 60 n.Chr., sind dann die ersten schriftlichen Quellen zusammengestellt worden, wobei zwischen der Passionserzählung und der Logienquelle Q einerseits und den Paulusbriefen andererseits, die ihrer Intention nach nur Gelegenheitsschreiben sind, zu unterscheiden sei (S. 766). Während der eine Traditionsstrom von Jesus über die Urgemeinde schließlich in die Evangelien mündet, tritt der andere, von Paulus ausgehende, im Briefkorpus der nachapostolischen Zeit zu Tage (S. 767f.). Daneben ist in der nachapostolischen Zeit die eigenständige Überlieferung des Johanneischen Kreises getreten (S. 586). Schließlich weisen der in den Kanon aufgenommene Jud. und der II Petr. theologiegeschichtlich schon in die Zeit der Apostolischen Väter, die den Übergang zur Alten Kirche markieren (S. 769). Die Einheit dieser recht gradlinigen, aber zuweilen nebeneinander verlaufenden Stränge beschreibt der zweite Band der vorliegenden Theologie des Neuen Testaments. Beide Bände werden durch ein Stellen- und Personenregister erschlossen.

Sprachlich weist das Werk Hahns viele schöne Formulierungen auf, die Anregungen für eine Predigt sein können, z.B. zu II Kor. 3, 4-11: "Die tötende Macht des Buchstabens ist die Funktion des nicht vom Geist durchstrahlten Gesetzes" (S. 200). Zuweilen wirken aber die in die Paragrafen einleitenden Sätze recht bescheiden in ihrer Aussage, so etwa in den Einleitungen zu § 13 oder § 18 ("Das Evangelium als Zeugnis der Hoffnung", S. 307): "Die Zukunftsorientierung ist ein wesentliches Element der urchristlichen Verkündigung. Sie spielt auch in der paulinischen Theologie eine wichtige Rolle. Das zeigt sich zunächst in dem Begriff der Hoffnung, womit sich konkrete Hoffnungserwartungen verbinden." Verbindet sich Hoffnung nicht immer mit irgendeiner Erwartung? Teilweise wird nicht nachvollziehbar, wo die Literatur verzeichnet ist, auf die Hahn verweist. So fehlt im als Anhang präsentierten Literaturverzeichnis etwa ein Titel von Bernd Kollmann, auf den Hahn auf S. 157 hinweist, und seine Rezension zu Klaus Bergers Theologiegeschichte, die auf S. 393 erwähnt wird. Zu finden ist diese dann nicht im Literaturverzeichnis des Paragrafen, sondern auf S. 772 unter der Literatur zu § 1. Selbst für den Fachkollegen ist es so recht schwierig, diese bibliografischen Hinweise zu verwerten. Dass Wiederholungen nicht ausbleiben, scheint bei der Größe und der Anlage des Werkes im Detail 11 sowie im Ganzen nicht zu vermeiden.12 Dass Hahn seine Darstellung der Christologie meist an Hoheitstiteln orientiert (z.B. innerhalb von § 35 "Jesu Würde und Funktion", S. 625-637), ist angesichts seiner eigenen Vorarbeiten 13 nicht verwunderlich. Die detaillierte Gliederung in Unterpunkte, bei der jeder Absatz eine eigene Ordnungsziffer erhält, scheint mir zu weit getrieben und stört eher die fließende Lektüre. Teilweise wünscht sich der Leser, die Position Hahns deutlicher greifen zu können, so beispielsweise auf S. 61f., wo er die Frage nach "Gegenwart und Zukunft der Gottesherrschaft" behandelt, indem er verschiedene Positionen der Forschung lediglich referiert.

Im Ergebnis dürfen diese kleinen Einschränkungen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ferdinand Hahn mit diesem monumentalen Werk einen gewichtigen Beitrag zur Forschung am Neuen Testament geleistet hat, der einen umfassend gebildeten Überblick über nahezu sämtliche Bereiche der neutestamentlichen Wissenschaft bietet. Aufgrund seiner Größe stellt es zwar kaum ein Werk dar, das Laien einen Überblick über das Neue Testament liefert, doch leistet es Theologen gute Dienste, die sich über den Stand der neutestamentlichen Wissenschaft informieren wollen. Außerdem ist es aufgrund seiner Ausgewogenheit und der Breite der Darstellung als Lehrbuch für Studenten zu empfehlen.

Anmerkungen:
1 Hahn, Ferdinand, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, Göttingen 1995.
2 Gnilka, Joachim, Theologie des Neuen Testaments, Freiburg im Breisgau 1999, S. 454.
3 So jedoch z.B. Berger, Klaus, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Basel 1995.
4 Vgl. Bultmann, Rudolf, Theologie des Neuen Testaments, 9. Aufl., durchgesehen und ergänzt von Otto Merk, Tübingen 1984, 1: "Die Verkündigung Jesu gehört zu den Voraussetzungen der Theologie des NT und ist nicht ein Teil dieser selbst." Seiner Einschätzung folgen z.B. Strecker, Georg, Theologie des Neuen Testaments, Berlin 1996; Gnilka (wie Anm. 2). Dagegen wenden sich Goppelt, Leonhard, Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1991; Kümmel, Werner Georg, Die Theologie des Neuen Testaments nach seinen Hauptzeugen (Grundrisse zum Neuen Testament 3), Göttingen 1987.
5 Dies führt im Einzelnen zu Problemen und wirft insgesamt die Frage auf, wie die Theologie der verschiedenen ersten Gemeinden erfasst werden kann. Selbst wenn "relativ viel Traditionsgut der späteren Gemeinde der Substanz nach auf die frühe Urgemeinde zurück(geht)" (S. 160), so ist doch fraglich, wie dies erkannt werden soll, wenn dieses "Traditionsgut" zugleich "sprachlich und vorstellungsmäßig eine veränderte Gestalt angenommen" (S. 160) hat.
6 Vgl. Schnelle, Udo, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2003; Broer, Ingo, Einleitung in das Neue Testament II, Würzburg 2001.
7 Vgl. Schnelle, Udo, Wandlungen im paulinischen Denken (SBS 137), Stuttgart 1989; Becker, Jürgen, Paulus. Apostel der Völker, Tübingen 1992.
8 Dem steht mit Recht Schmeller, Thomas, Schulen im Neuen Testament. Zur Stellung des Urchristentums in der Bildungswelt seiner Zeit, mit einem Beitrag von C. Cebulj zur Johanneischen Schule (HBS 30), Freiburg 2001, skeptisch gegenüber.
9 Damit wendet sich Hahn z.B. gegen Böcher, Otto, Die Johannes-Apokalypse, RAC 18 (1998), S. 595-646; Taeger, Jens-W., Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik (BZNW 51), Berlin 1989; Heinze, André, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen (BWANT 142), Stuttgart 1998. Überzeugend plädiert Frey, Jörg, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum, in: Hengel, Martin, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey (WUNT 67), Tübingen 1993, S. 326-429, dafür, die Bezeichnung Johannes in Apk. 1,1-2 als Pseudonym anzusehen, das einen Schulzusammenhang mit der übrigen johanneischen Literatur ausdrücken soll.
10 Diese Beziehungen führt z.B. Böcher, Otto, Das Verhältnis der Apokalypse des Johannes zum Evangelium des Johannes, in: Lambrecht, Jan (Hg.), L'Apocalypse johannique et l'Apocalyptique dans le Nouveau Testament (BEThL 52), Gembloux 1980, S. 289-301, vor.
11 So z.B. die Bemerkungen zur paulinischen Hamartiologie auf S. 226 und S. 243 oder die Aussagen über das Verhältnis von Offenbarung und Offenbarer im Bereich der johanneischen Theologie auf S. 612 und S. 731.
12 So z.B. die Darstellung zum Alten Testament aus Band II und die einzelnen Hinweise zu Paulus, Matthäus und Johannes in Band I, vgl. S. 195ff., 526ff., 625ff.
13 Vgl. Anm. 1.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension