: Der Kalte Krieg. . München 2003 : C.H. Beck Verlag, ISBN 3-406-48014-4 128 S. € 7,90

: Der Kalte Krieg. . Frankfurt am Main 2003 : Fischer Taschenbuch Verlag, ISBN 3-596-15551-7 128 S. € 8,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Th. Müller, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Mehr als zehn Jahre nach Auflösung des Warschauer Vertrages und der Sowjetunion und damit dem Ende des Kalten Krieges liegen nun die ersten wohlfeilen Überblicksdarstellungen zu dieser Epoche in deutscher Sprache vor. Der Systemkonflikt zwischen bürgerlicher Demokratie und realexistierendem Sozialismus sowjetischer Prägung bestimmte ein halbes Jahrhundert lang maßgeblich Politik, Wirtschaft und Kultur auf allen Kontinenten der Erde. Bis heute wirken in ihm geprägte Mentalitäten und häufig genug Ressentiments bei politischen Eliten ebenso wie den betroffenen Gesellschaften nach. Grund genug, Faktoren und Ereignisse in ihren Wechselwirkungen für ein breites Publikum kurz und leicht faßlich darzustellen. Denn obschon die zahlreichen Publikationen zu einzelnen Phasen und Aspekten des Kalten Krieges kaum noch überschaubar sind, fehlte es bislang an kompakten Überblicksdarstellungen für Studenten und interessierte Laien, die auch den auf bisher verschlossenen Quellen basierenden Forschungsergebnissen des letzten Jahrzehnts systematisch Rechnung tragen.

Die Autoren der hier zu besprechenden Bücher sind ausgewiesene Zeithistoriker und Kenner des Gegenstandes. Rolf Steininger ist Professor an der Universität Innsbruck, Leiter des dortigen Instituts für Zeitgeschichte und unter anderem Verfasser einer vierbändigen deutschen Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart. Bernd Stöver ist Privatdozent an der Universität Potsdam und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung. Zuletzt erschien von ihm eine Geschichte der BRD sowie seine Habilschrift zur amerikanischen „Liberation Policy“ im Kalten Krieg.

Entstanden sind zwei im Umfang identische, aber hinsichtlich Aufbau und Diktion sehr unterschiedliche Arbeiten mit spezifischen Vor- und Nachteilen. Rolf Steiningers Buch besteht aus einem gut fünfzigseitigen chronologisch angelegten Grundriß, dem eine Reihe von „Vertiefungen“ zu Marshallplan, Koreakrieg, Berlinkrise und Mauerbau, Kubakrise, Vietnamkrieg sowie Atomwaffen folgt. Im Anhang befinden sich neben Verweisen auf weiterführende Literatur und für die weitere Recherche potentiell hilfreiche Internetadressen, eine Zeittafel, ein Glossar sowie ein gut gemachtes Personenregister mit näheren Angaben zur jeweiligen Person. Nicht nur das Personenregister, sondern auch das Glossar ermöglichen mit Seitenangaben ein schnelles Auffinden von Person bzw. Sachverhalt im Text. Im Grundriß finden sich weiterhin Markierungen in der Marginalspalte, die auf die jeweils relevanten Abschnitte im Vertiefungsteil hinweisen. Aufbau und Gestaltung dieses Buches der Reihe Fischer kompakt mit Illustrationen und farbigen Hervorhebungen im Text können somit rundherum überzeugen.

Das in der Reihe Beck Wissen erschienene Bändchen von Bernd Stöver gliedert sich hingegen in zehn im wesentlichen chronologisch angelegte Kapitel. Lediglich die Kapitel V und VI zu Mentalitäten des Kalten Krieges sowie zu dessen Verlagerung in die Dritte Welt seit 1961 fallen aus diesem weitgehend chronologischen Aufbau heraus. Ergänzt wird die Darstellung durch einen Anhang bestehend aus Zeittafel, Abkürzungsverzeichnis, Personenregister sowie im Vergleich zu Steininger deutlich umfangreicheren Literaturhinweisen. Demgegenüber sind die Orientierungshilfen für den Leser hier jedoch weit weniger komfortabel. Ärgerlich sind auch Ungenauigkeiten und falsche Datumsangaben, die ein sorgfältiges Lektorat hätte ausschließen können. So liest man auf Seite 77 vom 1973 erfolgten Sturz Allendes, zu dem man sich in Washington 1974 entschieden habe. In anderen Fällen, wie dem 1952 abgeschlossenen (im Oktober 1954 modifizierten), aber erst im Mai 1955 in Kraft getretenen Deutschlandvertrag ist dies nicht offensichtlich, so dass dem unkundigen Leser suggeriert wird, das Besatzungsstatut für die BRD sei bereits 1952 aufgehoben worden (S. 36).

Ein für beide Bücher gleichermaßen festzustellender Nachteil ist das Fehlen von Literatur- und Quellenangaben im Text, das wohl in erster Linie dem begrenzten Umfang der Werke und dem vorgesehenen Leserkreis der interessierten Laien geschuldet ist. Der summarische Verweis auf neuere Forschungen oder gar „neueste Quellen“ (Steininger, S. 3), die diese oder jene These belegen würden, ist jedoch zu allgemein, um zu überzeugen. Auch jenseits des Fußnotenfetischismus’ hätten hier ohne weiteres Ross und Reiter beim Namen genannt werden können.

Auch hinsichtlich des methodischen Zugriffs auf das Thema gibt es deutliche Unterschiede. Rolf Steininger verfolgt einen klassisch politikgeschichtlichen Ansatz, bei dem Lageanalysen, verfolgte Ziele und Aktivitäten der handelnden Politiker im Mittelpunkt der Darstellung stehen. Aktion und Reaktion im Kalten Krieg werden durch diese tendenzielle Personalisierung einerseits leichter verständlich, andererseits wird so aber auch dessen hochkomplexe und nahezu alle gesellschaftlichen Subsysteme betreffende Dynamik stark vereinfacht. Dieser Komplexität trägt Bernd Stöver in weit höherem Maße Rechnung, indem er gesellschafts-, kultur- und mentalitätsgeschichtliche Elemente in seine Darstellung mit einbezieht. Das betrifft zum Beispiel den „kalten Bürgerkrieg“ mit Schauprozessen und Dissidentenverfolgung im Osten bzw. Kommunistenhysterie und Berufsverboten im Westen sowie Zensur und Gleichschaltung in den Medien. Ähnlich bereichernd ist die Berücksichtigung der Rolle der Blockfreien und der Kriege in der Dritten Welt im bipolaren Spannungsfeld, die aus Steiningers primär eurozentrischer Perspektive allzu leicht aus dem Blick gerät. Damit korrespondiert eine gegenüber Steininger ausgewogenere und deutlich differenziertere Diktion.

Das beginnt bereits mit der Charakterisierung des Kalten Krieges. Bei Stöver handelt es sich um den Systemkonflikt zwischen „staatssozialistischer «Volksdemokratie»“ und dem „westlichen Modell der liberalkapitalistischen parlamentarischen Demokratie“ (Stöver, S. 7), während es bei Steininger der Dualismus zwischen „kommunistischen Staaten“ und „westlichen Demokratien“ ist (Steininger, S. 2). Geradezu gegensätzlich werden die Forschungstendenzen seit Ende des Kalten Krieges bewertet. Während über „Traditionalisten“ und „Revisionisten“, die der UdSSR bzw. den USA die Verantwortung für die Entstehung des Kalten Krieges attestieren, Einigkeit besteht, scheinen die Forschungsergebnisse der sogenannten „Postrevisionisten“ keineswegs eindeutig zu sein. So betont Bernd Stöver in Anlehnung an Wilfried Loth und Daniel Yergin die Rolle von Fehlwahrnehmungen und daraus resultierenden falschen Entscheidungen, die zur Zuspitzung des Systemgegensatzes geführt haben (Stöver S. 11). Rolf Steininger vertritt demgegenüber die Auffassung, die „Postrevisionisten“ als „Realisten“ würden im Wesentlichen die „Traditionalisten“ bestätigen, wonach die Sowjetunion „expansiv und aggressiv“ war und so maßgeblich den Kalten Krieg ausgelöst habe (Steininger, S. 3). Den Beitrag der Westalliierten, insbesondere der USA unter der Truman-Administration, lässt er bei dieser Bewertung außer Acht.

Selbst wenn man die aggressive antikommunistische Rhetorik oder bereits 1946 einsetzende Planungen von Trumans Sonderberater Clark M. Clifford und seines Assistenten George Elsey zur Vorbereitung der nuklearen und biologischen Kriegführung gegen die Sowjetunion (Vgl. Steininger, S. 10) nicht berücksichtigt, so standen sich die von Ost wie West initiierten „verdeckten Operationen“, Umsturzversuche und Kampagnen der psychologischen Kriegführung in den fünfziger und sechziger Jahren in nichts nach (Vgl. Stöver, S. 27–32).

Ähnliche Unterschiede zeigen sich schließlich auch bei der Bewertung des Endes der Systemauseinandersetzung. Während Steininger unumwunden vom Sieg des Westens schreibt, setzt Stöver dahinter ein Fragezeichen und verweist zurecht auf das komplexe Zusammenwirken endogener, exogener und personeller Faktoren, die zum Niedergang des Staatssozialismus und zur Auflösung der Sowjetunion geführt haben (Steininger, S. 52, Stöver, S. 117f.).

Trotz der genannten Defizite sind beide Bücher sehr gut geeignet, um interessierten Laien und Studenten einen ersten Überblick über die Epoche des Kalten Krieges zu verschaffen.

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