A. Niemeck: Die Zisterzienserklöster Neukamp und Hiddensee

Cover
Titel
Die Zisterzienserklöster Neuenkamp und Hiddensee im Mittelalter.


Autor(en)
Niemeck, Andreas
Reihe
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern V 37
Erschienen
Köln 2002: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
379 S.
Preis
€ 41,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Doris Bulach, Institut für Landesgeschichte, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Noch vor wenigen Jahren bemühte man sich vergeblich, zu nordostdeutschen Zisterzen neuere, umfassendere Literatur zu finden. Das gleiche gilt zwar immer noch für die zahlreichen Zisterzienserinnenklöster in Mecklenburg und Vorpommern, aber für die bedeutenden Männerklöster haben sich in den letzten Jahren viele Forschungslücken geschlossen. So liegen seit 1999 Studien zu Doberan 1, Dargun 2 und immerhin erste archäologische Ergebnisse zu Eldena 3 vor. Mit der vorliegenden Arbeit gibt es nun auch zu den Zisterzen Neuenkamp und Hiddensee eine lange überfällige Monografie, die als Dissertation bei Prof. Karl-Heinz Spieß in Greifswald entstand.

Der Ansatz der Arbeit ist es, die Geschichte der beiden Klöster umfassend, „für alle Bereiche des Lebens“ auszuwerten. Zudem hatte sich Niemeck das hehre Ziel gesetzt, durch die Bearbeitung von zwei Klöstern, Neuenkamp und seine Tochtergründung Hiddensee, „die Form nebeneinandergestellten Klostermonographien“ zu überwinden, um „durch die Methode des Vergleichs zu neuen Erkenntnissen vorzustoßen“ (S. 8). In der Arbeit findet man demzufolge größere Kapitel zur Entwicklung des Grundbesitzes beider Klöster (S. 12-48), zur Landwirtschaft (S. 49-65), zum Handwerk (S. 65-71), zu Stadtbeziehungen (S. 72-134), zu Fischerei, Mühlenbau und Salzgewinnung (135-227), zur Beziehung zu Landesherrn, Adel und Geistlichkeit (S. 242-252) und zur Einordnung der Klöster in den Ordensverband (S. 253-258).

Ist die Arbeit insgesamt sehr zu begrüßen, gerade auch wegen der umfassenden Auswertung der archivalischen Quellen, so fallen doch neben äußeren Nachlässigkeiten auch kleinere und größere inhaltliche Fehler ins Auge, die vor allem auf eine oberflächliche Einordnung der zahlreichen Quellen und Literatur zurückzuführen sind. Diesen Eindruck gewinnt man schon bei der Gliederung, in der teils beide Klöster in einem Kapitel, teils getrennt behandelt werden, teils eine – bisweilen nur wenige Zeilen starke – Auswertung schon am Ende der einzelnen Kapitel steht, teils nicht. Gerade die Auswertungen genügen leider dem Ziel des Vergleichs zwischen beiden Klöstern nicht immer. Auch die beigelegten Karten lassen sehr zu wünschen übrig. Eine Übersichtskarte fehlt völlig und die besitzgeschichtlichen Karten sind in ihrer Qualität und Aussagefähigkeit stark verbesserungswürdig.

Kann man über teilweise sehr flapsige Formulierungen noch hinwegsehen („Stadtphobie der Zisterzienser“, S. 74; „Installierung eines Stadthofes“, S. 77, 83, 108; „personelle Verflechtung des Personals“, S. 124; „Werle-Fürsten“, S. 126), so kann man dies bei zahlreichen inhaltlichen Nachlässigkeiten leider nicht. So stellt Niemeck beispielsweise fest, dass der Fürst von Werle nicht im Neuenkamper Nekrolog vertreten ist (S. 133), was zwar soweit stimmt, aber angesichts der Tatsache, dass von dem Nekrolog nur zwei Monate überliefert sind, keine weiteren Schlüsse zulässt. Für die Beziehungen Neuenkamps zu Stralsund, die sich in dem Nekrolog durch die zahlreich verzeichneten Stiftungen Stralsunder Bürgerinnen und Bürger hervorragend widerspiegeln, lässt Niemeck hingegen das Totenbuch völlig unberücksichtigt. Unrichtig ist auch, dass man für Hiddensee nur eine Memorienstiftung von Adeligen der Umgebung nachweisen kann (S. 245), wie schon ein Blick auf das Verzeichnis bei Hoogeweg zeigt.

Bei der Darstellung der Beziehung der beiden Klöster zum benachbarten Stralsund liest man erstaunt, dass bei der rentengrundherrschaftlichen Wirtschaftsweise der Zisterzen „Stadthöfe eine vergleichsweise geringe Rolle [spielen]“ (S. 72). Genau das Gegenteil ist der Fall, denn gerade von den Stadthöfen aus wurden die Einnahmen aus den Dörfern verwaltet und gesammelt. Dafür spricht beim sogenannten Kampischen Hof in Stralsund, einem der wenigen noch erhaltenen zisterziensischen Stadthöfe, auch die Datierung des Speicherbaus in das 14. Jahrhundert. Schon zu diesem Zeitpunkt besaß der Bau drei riesige Schüttböden, was auf enorme Getreideeinnahmen des Klosters schließen lässt. Gerade diese interessanten bauhistorischen Ergebnisse zum Stadthof lässt Niemeck unberücksichtigt, ebenso wie die Ergebnisse der archäologischen Grabungen auf dem Grundstück des ehemaligen Hiddenseer Hofes. Des Weiteren geht Niemeck zwar auf den Mühlenbesitz Neuenkamps um Stralsund ein, aber die Bedeutung, die diese Mühlen für das Kloster hatten, aus der auch der erbitterte Kampf der Stadt gegen deren weiteren Ausbau resultierte, wird bei ihm nicht thematisiert. Das Gleiche gilt für die beiden Städte in Mecklenburg, in der das Kloster Stadthöfe besaß, Goldberg und Plau. Hier gelang Neuenkamp das, was ihm bei Stralsund nicht möglich war: das Mühlenmonopol zu erlangen. Auch darüber findet man bei Niemeck nur Besitzgeschichtliches, das Mühlenmonopol in Goldberg scheint ihm dabei völlig entgangen zu sein (S. 132).

Auch die Bedeutung der klösterlichen Tuchherstellung in Neuenkamp stuft Niemeck falsch ein. So ist aus dem Jahr 1445 eine Schuldurkunde überliefert, in der sich das schon zuvor hochverschuldete Neuenkamp gezwungen sah, Geld von den Stralsunder Gewandschneidern aufzunehmen. In der Urkunde erklärt sich das Kloster für die Geldleihe bereit, seine Wolle und sein Tuch nur bei seinen Gläubigern zu kaufen und selbst kein Tuch mehr herzustellen, solange die Schulden bestanden. Daraus schließt nun Niemeck, dass die Tuchherstellung des Klosters „keinen entscheidenden Anteil am Gesamtklosterhaushalt hatte“ (S. 68). Gerade aber das Gegenteil ist wahrscheinlich: So scheinen doch die klösterliche Produktion und der Verkauf von Tuch und die Befriedigung des klösterlichen Wollbedarfs auf anderen als Stralsunder Märkten einen enormen Verlust für das Amt der Stralsunder Gewandschneider bedeutet zu haben, sonst wäre diese Vertragsklausel schwer zu erklären. Auch dass Neuenkamp 1298 zugunsten seiner Tochtergründung Hiddensee ganz auf Einnahmen aus der Lüneburger Saline verzichtete, wie Niemeck vermutet (S. 203) ist unrichtig. So verfügte Neuenkamp noch 1388 über Salzrenten aus Lüneburg.4 Überinterpretiert ist auch, dass „Neuenkamp schön länger dazu bereit [schien], sich von seinen Salinenanteilen in Lüneburg zu trennen“ (S. 128). Das geht aus den Quellen so nicht ansatzweise hervor.

In zentralen Bereichen seiner Arbeit verzichtet Niemeck zudem auf die Hinzuziehung der neueren, wesentlichen Literatur. Zwar erschien vieles davon zeitgleich mit der Abgabe der Dissertationsfassung, aber bei der Überarbeitung hin zur Druckfassung hätten diese für den von ihm bearbeiteten Raum zentralen Arbeiten ergänzt werden müssen. Mag es noch Flüchtigkeit gewesen sein, Johannes Cramer zu Johannes Cremer werden zu lassen und ihn im Literaturverzeichnis zu unterschlagen, so hätten die Arbeiten von Angelika Lampen zur Fischerei, die auch Mecklenburg und Vorpommern berücksichtigt 5, die Arbeiten von Fred Ruchhöft zu Goldberg (der zudem auch auf die Lage des Neuenkamper Stadthofes hinweist) 6 und die ältere Arbeit von Gerd Steinwascher 7 zu Zisterzienserstadthöfen nicht fehlen dürfen. Es wäre zum Vergleich der Stiftungstätigkeit Stralsunder Bürger auch hilfreich gewesen, die Arbeit hierzu von Ralf Lusiardi 8 nicht nur im Literaturverzeichnis zu belassen, sondern auch wirklich für das entsprechende Kapitel heranzuziehen.

Trotz dieser hier nur auszugsweise dargestellten Mängel und der teils sehr holprigen Formulierungen ist die Arbeit bei der Beschäftigung mit den beiden Klöstern Neuenkamp und Hiddensee, aber auch bei Fragen der Siedlungsentwicklung im Raum um Stralsund natürlich unentbehrlich. Dies gerade auch deshalb, da hier das heute noch in den entsprechenden Archiven vorhandene, unedierte Quellenmaterial zugänglich gemacht wird. Allerdings wäre ein überlegterer Umgang mit den entsprechenden Quellen und der Literatur und deren Einordnung und Bewertung wünschenswert gewesen.

Anmerkungen:
1 Wichert, Sven, Das Zisterzienserkloster Doberan im Mittelalter (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 9), Berlin 2000.
2 Brachmann, Hansjürgen; Foster, Elzbieta; Kratzke, Christine; Reimann, Heike, Das Zisterzienserkloster Dargun im Stammesgebiet der Zirzipanen. Ein interdisziplinärer Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Siedlungsprozesse in der Germania Slavica (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 17), Stuttgart 2003.
3 Mangelsdorf, Günter (Hg.), Von der Steinzeit zum Mittelalter (Greifswalder Mitteilungen, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie 3), Frankfurt am Main 1999.
4 Mecklenburgisches Urkundenbuch 25, Nr. 12006.
5 Lampen, Angelika, Fischerei und Fischhandel im Mittelalter. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Untersuchungen nach urkundlichen und archäologischen Quellen des 6. bis 14. Jahrhunderts im Gebiet des Deutschen Reiches (Historische Studien 461), Husum 2000.
6 Ruchhöft, Fred, Goldberg im Mittelalter, in: Festschrift zum Jubiläum der Stadt Goldberg 1248-1998, hg. v. Festkomitee zur 750-Jahr-Feier der Stadt Goldberg, Schwerin 1998, S. 10-15 und ders., Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Raum Plau-Goldberg im Mittelalter (Rostocker Studien zur Regionalgeschichte 5), Rostock 2001.
7 Steinwascher, Gerd, Die Zisterzienserstadthöfe in Köln, Bergisch Gladbach 1981.
8 Lusiardi, Ralf, Stiftung und städtische Gesellschaft. Religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund (Stiftungsgeschichten 2), Berlin 2000.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension