Das Dritte Reich. CD-ROM

Cover
Titel
Das Dritte Reich. Daten - Bilder - Dokumente. Eine Tageschronik mit 1800 Abbildungen aus dem Bildarchiv Heinz Bergschicker


Herausgeber
Overesch, Manfred; Saal, Friedrich W.; Herda, Wolfgang; Artelt, York
Reihe
Digitale Bibliothek 49
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Bogenschneider, Institut für Altertumswissenschaften / Notebook University Rostock, Universität Rostock

Die 12 Jahre des "Dritten Reiches" haben wie kein anderer Abschnitt der deutschen Geschichte den Verlauf der Weltgeschichte nachhaltig geprägt. In der unüberschaubaren Literatur zu dieser Zeit nimmt die von Manfred Overesch, Friedrich Wilhelm Saal, Wolfgang Schneider und Bernd Weinkauf erarbeitete Tageschronik eine Sonderstellung ein. So ist die ausführliche Faktensammlung Das Dritte Reich. Daten - Bilder - Dokumente eine multimedial nutzbare Chronik der Zeit von 1933 bis 1945.

Die unter Leitung von Overesch und Saal erarbeitete Chronik gibt für jeden der mehr als 4.700 Tage zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 30. Juni 1945 einen beispiellos genauen Überblick über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen im Dritten Reich. Diese Tageschronik wird durch weitere Teile ergänzt. Den nüchternen Daten steht eine Sammlung von etwa 1.700 zeitgenössischen Fotodokumenten zur Seite. Die zum Teil unveröffentlichten Abbildungen stammen aus den Beständen des Bildarchivs Heinz Bergschicker und werden durch Bildlegenden erschlossen, die Bernd Weinkauf mit Hilfe der Archivmaterialien für die CD-ROM-Edition erarbeitete. Wolfgang Schneider stellte für die Edition eine Textdokumentation zusammen. Diese Sammlung von Auszügen aus Gesetzen, Anweisungen, Befehlen, Briefen und Prozessakten beleuchtet die Herrschaftspraxis, das Alltagsleben, aber auch den Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur. Abschließend erhält man noch Zugriff auf ein alphabetisches Personenverzeichnis, welches kurz und knapp einen Überblick über die „handelnden“ Personen verschafft.

Nach den beiden CD-ROMs "Der Nürnberger Prozess" und "Enzyklopädie des Nationalsozialismus", ist "Das Dritte Reich. Daten - Bilder - Dokumente" die dritte CD-ROM innerhalb der Digitalen Bibliothek, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Sie basiert, wie in der Reihe üblich, auf einer Buchausgabe. Und zwar auf den Bänden 2.1, 2.11 und einem Teil des Bandes 2.111 des "Geschichtskalendariums" des Droste-Verlages (Erstausgabe 1982/86). Das Buch, seit langem vergriffen, hat sich schnell als ein Basiswerk etablieren können, das für das Verständnis historischer Entwicklungen im 20. Jahrhundert unentbehrlich ist. Der Buchausgabe entnommen ist die Tageschronik, die von Manfred Overesch und Friedrich Wilhelm Saal bearbeitet wurde. In dieser sind Jahr, Monat und Tag des gesamten Zeitraums erfasst. Erstmals werden auch bisher vernachlässigte Lebensbereiche betrachtet. So ist jeder einzelne Tag, soweit entsprechende Daten vorhanden sind, in einzelne greifbare Informationen in verschiedenen Rubriken unterteilt: Politik, Wirtschaft, Kultur.

Den Einstieg in die Tagesübersicht bildet für den politischen Bereich ein Zitat aus dem Völkischen Beobachter vom 30. Januar 1933: "Unsere Forderung nach Schleichers Sturz: Kanzlerschaft Hitlers". In der Rubrik Kultur heißt es, dass Erwin von Ossen, der Sprecher des Deutschen Avantgarde Künstlerkollektivs, Hitler zur Reichskanzlerschaft gratuliert. Und in Hamburg sei die Operette Die Banditen von Jacques Offenbach gespielt worden. Die Chronik endet mit dem Rückzug der USA und Großbritanniens aus den Gebieten der zukünftigen sowjetischen Besatzungszone am 30. Juni 1945. Dies verwundert etwas, hätten sich doch auch andere Daten angeboten, wie zum Beispiel das Ende der Potsdamer Konferenz im August 1945.

In der Bildchronik finden sich etwa 1700 teils unveröffentlichte und teils erschütternde Fotos aus dem Archiv von Heinz Bergschicker, dem Herausgeber des Werkes "Deutsche Chronik 1933-1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur". Bei den Fotos, die in zehn Kapitel eingeteilt sind, handelt es sich zumeist um Bilder der damaligen Presse. Die teilweise sehr knappen Bildunterschriften wurden von Bernd Weinkauf erarbeitet. Die Abbildungen sind zeitlich so genau wie möglich positioniert. Auf die Schwierigkeiten bei der Datierung einzelner Bilder wird im Vorwort eingegangen. Hilfreich wäre für den Nutzer eventuell gewesen, wenn man Näheres über das Bildarchiv Heinz Bergschickers und dessen Person erfahren würde. So könnte man es insgesamt besser einordnen. Die digitale Aufbereitung des Bildarchivs ist außerordentlich gut. Neben Kopier- und Suchfunktionen spart eine Vorschaufunktion Zeit, weil man gezielt nur die Bilder laden kann, die man braucht. Auch steht ein für grundlegende Zwecke völlig ausreichendes Bildbearbeitungsprogramm zur Verfügung.

Der von Wolfgang Schneider bearbeitete Dokumentenanhang bietet einen reichhaltigen Fundus mit mehr als 400 Dokumenten. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Dokumente, die nicht in den üblichen Gesetzes- und Verordnungsrahmen fallen, wie zum Beispiel das Schreiben des Gärtnereibesitzers Bruno Koch an die Reichskanzlei vom 1. August 1933: "Es ist mir geglückt, eine neue wertvolle Erdbeersorte zu züchten. In großer Verehrung für den Herrn Reichskanzler bitte ich sehr, diese Neuzüchtung Hitler-Erdbeere nennen zu dürfen. Wir haben bereits eine Erdbeere Hindenburg" Oder auch private "Liebesbriefe" und Gedichte an Hitler. Daneben finden sich Reden, Korrespondenzen von NS-Führungskräften und Statistiken, wie etwa der Pro-Kopf-Verbrauch von Lebensmitteln, Lebensmittelpreise und Mitgliedszahlen verschiedener Organisationen. Allerdings fehlen auch einige sehr wichtige Dokumente, wie etwa Himmlers berühmte Posener Rede von Oktober 1943. Dies kann jedoch verschmerzt werden, ist die Intention der Dokumentensammlung doch eine andere. Es sollen weitgehend unbekannte Facetten des Dritten Reiches gezeigt werden. Und genau das macht die Sammlung zu etwas Einmaligem. Die CD-ROM ermöglicht so, den historischen Prozess auf neuartige, komplexe Weise zu erfassen.

Sehr hilfreich für den Umgang mit den einzelnen Tagesdaten ist das umfangreiche Personenregister mit Angaben zu mehr als 8.000 Persönlichkeiten. Es erscheint hier, anders als im Buch, in Tabellenform, was das schnelle Blättern erleichtert. Besser wäre allerdings, wenn es direkt über den Text zu erreichen wäre. Einschränkend muss man auch sagen, dass das Personenverzeichnis nur Geburts-, Todesdatum und den Beruf der betreffenden Person angibt. Für weitergehende Informationen kann man beispielsweise die CD-ROM "Enzyklopädie des Nationalsozialismus" empfehlen. Mit ihrer Einheit von Tageschronik, Bild- und Textdokumentation sowie knapp kommentiertem Personenregister bietet die CD-ROM "Das Dritte Reich" eine kaum zu erschöpfende Materialfülle für die immer wieder aufs Neue notwendige Auseinandersetzung mit einer entscheidenden Phase der deutschen Geschichte.

Die CD-ROM-Edition gestattet nicht nur einen schnellen Zugriff auf die gewaltige Fülle von Informationen, sondern ermöglicht auch systematische Recherchen jenseits der vorgegebenen chronologischen Anordnung des Materials. Von der Oberfläche der Digitalen Bibliothek hat man bekanntlich einen schnellen Zugriff auf die gewünschten Daten, die einen genauen Überblick über das gesamte Geschehen jener Zeit geben. Die Landes- und Ortsangaben entsprechen den zum Zeitpunkt der Aufnahme gültigen Formulierungen; die als Folge der politischen Entwicklungen nach 1945 eingetretenen Namensänderungen blieben unberücksichtigt. Die CD-ROM ist trotz kleinerer Mängel sehr empfehlenswert. Sie richtet sich vor allem an interessierte Laien, aber auch an Historiker. Schnell entsteht ein Bild dieser Zeit nicht nur durch die übliche Betrachtung der bekannten NS-"Größen". Vielmehr bekommt man hier auch einen Eindruck über die Gedankenwelt des "Normalbürgers". Sehr zu empfehlen ist der Einsatz an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Ein weiterer Pluspunkt der CD-ROM ist das hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis.

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