P. Taylor u.a. (Hgg.): The Historian, Television and Television History

Cover
Titel
The Historian, Television and Television History.


Herausgeber
Taylor, Philip; Roberts, Graham
Erschienen
Anzahl Seiten
181 S.
Preis
£ 16.50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Heimann, Medienwissenschaft und Medienkultur, Universität Leipzig

Die von Graham Roberts und Philip M. Taylor herausgegebene Anthologie „The Historian, Television and Television History“ gibt zwar einen nicht mehr aktuellen Diskussionsstand wieder. Trotzdem dürfte sich die Lektüre lohnen. Die Beiträge des Bandes basieren auf Vorträgen, die 1999 bei der Konferenz der „International Association of Media and History“ (IAMHIST) zum Thema „Television and History“ in Leeds gehalten wurden. Die Veranstalter wollten ein internationales Forum bieten, um Fragen der Repräsentation von Geschichte im Fernsehen zu klären sowie Überlegungen zur Historisierung des Medienzeitalters im Zeichen des „kleinen Quadrats“ anzustellen, das die jahrzehntelange uneingeschränkte Vorherrschaft seines großen Bruders im Kino abgelöst hat.

Dass auf dem letzten Historikerkongress in Halle 2002 eine Sektion zu Repräsentation von Geschichte in Film und Fernsehen angeboten wurde, zeigt auch das wachsende Forschungsinteresses hier zu Lande und ermutigt zu der Annahme eines wachsenden Interesses, sich einer kritischen Historisierung der Fernsehgeschichte als kulturgeschichtliches Phänomen anzunehmen.

In ihrem Vorwort verweisen die Herausgeber auf eine längst überfällige wissenschaftliche Aufarbeitung des „Fernsehzeitalters“ in großem Maßstab, das zu Beginn des 21. Jahrhunderts von einem rasanten globalen Transformationsprozess in einer sich fortschreitend integrierenden, resp. digitalisierten Medienkultur gekennzeichnet wird. Im Schlussbeitrag („Television and the Future Historian“, S. 171ff.) sieht Taylor deshalb einen immensen Nachholbedarf der historischen Forschung an interdisziplinären Zugängen an der Schnittstelle von Zeitgeschichte, Medien- und Kulturgeschichte und plädiert für eine ernsthaftere Wahrnehmung des Mediums durch Historiker, die sich nicht nur als Berater und Lieferanten von Expertenwissen für Fernsehredaktionen verstehen sollten.

Der Band ist dem Hochschullehrer Nicholas Pronay gewidmet, von der Profession her eigentlich Mediävist, der in den siebziger und achtziger Jahren für einige wichtige Fernsehserien der BBC mit historischer Thematik als Autor ausgewiesen ist und sich in engagierter Weise vielfältig mit filmhistorischen Problemen bzw. mit dem Film als für die historische Forschung relevantes Medium auseinandersetzte.

Gerade die vitale Begegnung von Wissenschaftlern und Fernseh- und Medienpraktikern prägt die Gesamterscheinung des Bandes. Das vordringliche Anliegen der Anthologie ist es, ein tieferes Verständnis von der Rolle der Fernsehsysteme zu wecken, “which is shaped by the technical and stylistic features of the medium, the service and/or commercial imperatives of the broadcasting industry, and a shared preoccupation between producers and audiences to create a ‚useable past’ that will illuminate present and future”, d.h. dass das Fernsehen als “Erzählmaschine” (Hickethier) und mythogene Struktur funktioniert, die in der heutigen Kultur Geschichtsbilder prägt.

“The Historian, Television and Television History” gliedert sich etwas beliebig in fünf Themenkomplexe und Schwerpunkte: Diskussionsbeiträge zum Verhältnis von Geschichtsforschung und Medien; Informationen zum Problem des archivalischen Zugangs für historische Fernsehdokumentationen von Luisa Cognetti („Historians and Television Archives“) im italienischen und Gerda Jansen Hendricks (“How to present Riots that have not been filmed“) im niederländischen Fernsehen. Interessante Einblicke verschaffen auch Ian Bremner anhand der BBC-Reihe von Simon Schama, A History of Britain und schließlich André Lange (“The History of Television through the Internet: A few notes on the project www.histv.net”).

Bei einigen dieser Beiträge wird in unterschiedlicher Weise auch das Zusammenwirken eines Medien-Mix auf gegenwärtige Repräsentation von Geschichte diskutiert. Weitere Analysen, die unterschiedliche Selbstrepräsentationen von Fernseh-Systemen aufzeigen, und eine abschließende Sektion mit Ausblicken auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten des Umgangs mit Geschichte im Fernsehen folgen.

Die umfangreichste Sektion bietet Projektberichte und Reflexionen über britische TV-Serien des BBC, die sich von Format und Genre in unterschiedlicher Weise mit Geschichte befassen, wie The World at War (James Chapman, „Television, Documentary, History“, S. 127ff.), die frühe Science fiction Serie, Dr. Who (Nicholas Cull, „`Bigger on the inside…´ Doctor Who as British cultural history“, S. 95ff.) oder die Blackadder-Reihe über die Westfronterfahrungen britischer Truppen im Ersten Weltkrieg (Stephen Badsey, „Blackadder Goes Forth and the `Two western fronts´ debate“, S. 113ff.). Diskutiert wird der Umgang mit Geschichte in populärwissenschaftlichen und –kulturellen Formaten, die an akademische zeitgeschichtliche Diskurse andocken bzw. auf die öffentliche Selbstverständigung über kollektive Erfahrungsdimensionen (über die beiden Weltkriege) rekurrieren. So versucht Isabelle Veyrat-Masson in der instruktiven Überblicksskizze „French Television looks at the past“ (S. 157ff.) eine Periodisierung von Vergangenheitsrepräsentationen im französischen Fernsehen zwischen 1950 und 1978, davon ausgehend, dass „television representation of the past is an indicator of the status of popular history in our society“(S. 157).

Mitherausgeber Philip M. Taylor skizziert in seinem von der technischen Entwicklung überholten Schlussbeitrag “Television and the future historian“, wie sich das Medium in einer fortwährenden, durch Kommerzialisierung, Multimedialisierung und Globalisierung auch zunehmend komplexeren rezeptiven Situation auf die Aufgaben der Historiker auswirkt. Er konstatiert, dass sich nicht nur Fachhistoriker ernsthafter als bisher der allgegenwärtigen „Glotze“ („goggle box“) annehmen sollten und plädiert für eine Evaluation ihrer eigenen Verhältnisse gegenüber dem konkurrierenden Medium und der Einbettung ihrer Arbeit in eine durch das Fernsehen geprägte Medienkultur, die mit ihrer vielfältigen Verfügbarkeit und Dispersität die Lesebereitschaft unterläuft. „This is especially so when television history is consumed by more people in a half hour than the number who will ever read a history book about the same subject in a historian’s lifetime. But, of course, this is what makes television history so important. Its capacity to shape the contemporary popular perception of the past – including the creation of myths, stereotypes and simplifications – is what places enormous responsibilities on the programme makers.” (S. 175f.) Für Historiker gelte es, dieser Herausforderung Rechnung zu tragen.

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