Cover
Titel
German National Cinema.


Autor(en)
Hake, Sabine
Reihe
National Cinema Series
Erschienen
London 2002: Routledge
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
£ 14.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Heimann, Medienwissenschaft und Medienkultur, Universität Leipzig

In der Reihe “National Cinema Series” des Routledge Verlages hat Sabine Hake, Dozentin an der Universität in Pittsburgh, die erste englischsprachige Gesamtdarstellung zum Kino in Deutschland von den Anfängen bis in die Nachwendezeit (d.h. bis zum Kinojahr 2000) vorgelegt.

Dieser Abriss deutscher Filmgeschichte und -kultur wendet sich an Studierende an German oder Historical Departments amerikanischer oder britischer Universitäten, gedacht als Einstieg für weitergehende Studien. Der Band ist mit einer ausführlichen, aber nicht erschöpfenden aktuellen Bibliografie von Monografien, Sammelbänden, Standardwerken und Überblicksdarstellungen zur deutschen Filmgeschichte versehen (Stand: 2000, mit wenigen Einträgen von 2001 publizierten Titeln). Weitgehend verzichtet wurde auf Beiträge in deutschen oder deutschsprachigen Zeitschriften und Periodika.

In den ersten Kapiteln folgt die Darstellung konventionell den historischen Zäsuren der deutschen Zeitgeschichte (1895-1919, 1919-1933, 1933-1945). Das Nachkriegskino in beiden Teilen Deutschlands wird in einem Kapitel bis 1961 beschrieben. Hier dominiert weithin eine Parallelsicht bis zum Jahr 1989. Im letzten Kapitel („Post-unification cinema 1989-2000“) versucht Hake eine Bilanz unter zwei Aspekten: Wie der deutsche Film seit 1989 zu einem genrebewussten Narrativ gelangen könnte und welche Tendenzen der Historisierung sich als axiomatisches Element der kinematographischen Entwicklung seit Ende des Zweiten Weltkrieges („Once again: coming to terms with the past[s]“) abzeichnet.

In der knappen, klar gegliederten Arbeit versucht Hake, die Geschichte des Kinos im Kräftefeld von Politik, ökonomischem Wandel und kulturellen Tendenzen vor allem als populäres Massenmedium zu beschreiben, “[…] to present filmic practices in relation to larger developments in society, to examine the cinema’s position within popular culture, and to analyse the exchanges with other national cinemas and cultural practices” (S. 1). Weiterhin interessierte die Autorin, wie sich entlang der von tiefen Brüchen durchzogenen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert kinospezifische Muster im deutschen Kino herausgebildet haben, die identitätsstiftend und -bindend im Sinne eines Beitrages zu einer deutschen Filmgeschichte als nationales Paradigma waren.

Vor dem Hintergrund der Frage, ob es eine spezifische deutsche „nationale Kinokultur“ gibt, liegt der Schwerpunkt einerseits auf der Beschreibung des „politischen Films“ und des populären Kinos andererseits auf ihren jeweiligen kulturellen Einflüssen und Langzeitwirkungen.

Sabine Hake wirft eingangs die Frage auf, in welcher methodischen und strukturellen Weise Filmgeschichte behandelt werden soll. Diese Problemorientierung ist verdienstvoll, zumal sie auch von anderen Autoren aufgeworfen wurde und tatsächlich kein „Königsweg“ existiert: die Problematik des „nationalen“ in einer globalen, aber gleichwohl von „Hollywood“ stark geprägten Filmkultur als Kategorie der Geschichtsschreibung bis hin zur Gewichtung ästhetischer, technologischer und ökonomischer Aspekte.

Trotz des fehlenden Ansatzes einer vergleichenden oder Beziehungsgeschichte des deutschen Kinos, was für den Zweck der Publikation vor dem Hintergrund des derzeitigen Forschungstands auch zuviel verlangt wäre, gibt Hake Hinweise für Zusammenhänge in der deutsch-deutschen Filmgeschichte, verstanden als Kulturgeschichte. So benennt sie durchaus ambivalente Tendenzen der Normalisierung im Umgang mit der NS-Vergangenheit in ost- wie westdeutschen Kinoproduktionen vor 1989, mit Folgen bis in die Nachwendezeit, wie sie etwa in der „Heimat“-Fernseh-Serie von Edgar Reitz oder in DEFA-Filmen wie „Heimat“ oder „Die Schauspielerin“ diskutiert und untersucht werden kann: „Laying the foundation for the normalisation of German history that would continue in post-unification cinema, a few films intentionally, or even unintentionally, reduced the Third Reich to a mere backdrop for personal stories held together by such universal themes as love, friendship, family and community.“ (S. 142f.)

Ein weiterer beziehungsgeschichtlicher Aspekt in den Kapiteln zum bundesrepublikanischen und DDR-Kino ist das in den Voraussetzungen unterschiedliche Zusammenwirken von Kino und Fernsehen in der BRD und in der DDR. Als eher unsystematisch beobachtetes Element in Hakes Darstellung wird es als Desiderat im diesbezüglich lückenhaften Forschungskanon zur deutschen Film- und Mediengeschichte begreifbar. Zuweilen gerät die Darstellung nur zu einer sehr verknappten Beschreibung, was bei einem solchen Vorhaben kaum zu umgehen ist.

Dieser ambitionierte Entwurf macht dem Rezensenten klar, dass es gerade an einer derartigen aktuellen Synthese in deutscher Sprache mangelt. Sicherlich enthält der Band Mängel und Disproportionen, was sich vor allem daraus erklärt, dass sich die Autorin als Spezialistin für den deutschen Film der zwanziger und dreißiger Jahre profiliert hat. Überdies zählen diese Abschnitte deutscher Filmgeschichte zu den am besten erforschten. Insgesamt ist es ein lesenswertes Buch nicht nur für Studenten und mediengeschichtlich Interessierte. In seinen Bezügen zu cultural und gender studies bietet es Anregungen für Interdisziplinarität und weitere Öffnung zeithistorischer Studien.

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