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Titel
Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums.


Autor(en)
Bringmann, Klaus; Schäfer, Thomas
Reihe
Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt
Erschienen
Berlin 2002: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
397 S.
Preis
€ 34,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Konrad Vössing, Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

In der Reihe 'Studienbücher - Geschichte und Kultur der Alten Welt' des Akademie-Verlags liegt ein Band über Augustus und seinen Prinzipat vor. Er stammt zum größten Teil aus der Feder des Frankfurter Althistorikers Klaus Bringmann, das Kapitel 'Bauten und Selbstdarstellung' (S. 78-86, S. 224-264; S. 248-252 dabei von Martin Spannagel) verfasste der Greifswalder Archäologe Thomas Schäfer, der auch die Quellen zu Mausoleum und Aktium-Denkmal (S. 175-185) präsentierte.

Der Band ist in der mittlerweile bewährten Art der Reihe in drei Teile gegliedert: Darstellung, kommentierte Präsentation der Quellen und Anhang. Der Darstellungsteil (S. 23-128) behandelt nacheinander den Aufstieg zum Alleinherrscher, die Etablierung des Prinzipats, die dauerhafte Legitimierung seiner Stellung durch 'Leistungen' und "Augustus in der öffentlichen Meinung". Generell kann man diese knappe Darstellung als eine meisterhafte Synthese unseres Wissensstandes bezeichnen. Etwas unglücklich ist nur die Anordnung des letzten Kapitels. Hier werden öffentliche Ehrungen (Kaiserkult usw.) ebenso wie das Verdikt der senatorischen Geschichtsschreibung subsumiert. Weder das eine noch das andere repräsentieren die 'öffentliche Meinung' schlechthin. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Ehrungen von der Kritik zu trennen und die Frage, an welches 'Publikum' diese Wertungen gerichtet waren, jeweils neu zu stellen.

Der zugehörige Quellenteil (S. 131-350) ist das Besondere der Reihe und auch hier wieder das Herzstück des Buches. Die Zeugnisse - (meist von Bringmann übersetzte) Texte, Fotos, Umzeichnungen und (z.T. schwer lesbare) Pläne - werden in dreifacher Weise erklärt: durch Einführungen und Anmerkungen, durch die Hinweise im Darstellungsteil und durch den Anhang (S. 353-394). Hier finden sich eine Zeittafel, ein Verzeichnis der 71 behandelten Quellenstücke, eine Arbeitsbibliografie, Glossarien (historisch und archäologisch), eine Stammtafel der Familie des Augustus, eine Tabelle der parthischen und armenischen Herrscher, ein Personenverzeichnis und zwei (allerdings wenig aussagekräftige) Karten.

Natürlich kann ein solches Buch kein Panorama der augusteischen Zeit bieten und will es auch nicht, wie der Titel zeigt. Es geht vielmehr um die Begründung des römischen Kaisertums durch Augustus. Die hier relevanten Themen sind alle angemessen vertreten - vielleicht mit einer Ausnahme: Die Begründung und Entwicklung einer eigenen Titulatur, die ja auch für die Nachfolger bestimmend blieb, ihre Funktionen (als Darstellung der Legitimität, der Leistungsbilanz und der Datierung) und ihre Positionierung im Schnittpunkt von republikanischer Tradition und quasimonarchischem Anspruch hätten eine intensivere Behandlung verdient, unter anderem durch die Aufnahme in den Anhang. Gar nicht erwähnt wird auch die Augustus-Biografie des Nikolaos von Damaskus, die sich gut in die Behandlung der 'öffentlichen Meinung' eingefügt hätte; zielte sie doch, geschrieben in griechischer Sprache, offenbar darauf ab, in den schwierigen späten 20er Jahren des 1. Jahrhunderts v.Chr. das Lesepublikum im Osten zu gewinnen, das den Triumvirn Antonius wohl noch nicht vergessen hatte. Bei der Behandlung des augusteischen Baukomplexes auf dem Palatin (S. 234ff.) hätte man vielleicht gerade mit Blick auf die Ausbildung des römischen Kaisertums die Perspektive etwas erweitern und auch die Stellung des Augustus-Hauses im Rahmen der 'Palastentwicklung' behandeln können.1

Nur einzelne 'Kleinigkeiten' der Darstellung erscheinen dem Rezensenten kritikwürdig. Im Kapitel 34 der Res gestae, dem berühmten Kulminationspunkt dieser Selbstdarstellung, sagt Augustus von sich: In consulatu sexto et septimo, po[stquam b]ella [civil]ia exstinxeram, per consensum universorum [potitus reru]m om[n]ium rem publicam ex mea potestate in SPQR arbitrium transtuli. Statt der üblichen Ergänzung potitus rerum omnium hat R. Kassel vorgeschlagen: potens rerum omnium, was von Bringmann (S. 189, Anm. 5) übernommen wird. Dieser Vorschlag hat in der Tat viel für sich,2 unter anderem dass die Beschreibung seiner faktischen Machtvollkommenheit auf diese Weise eindeutig von dem ('vorzeitigen') postquam-Satz getrennt wird. Bringmann dagegen (S. 188f.) ordnet potens (gegen die Grammatik) genau dort ein: "[...] habe ich, nachdem ich die Bürgerkriege ausgelöscht und unter Zustimmung aller im Besitz einer umfassenden Macht war, den Staat aus meiner Verfügungsgewalt in das Ermessen von Senat und Volk gegeben." Dies müsste die Frage provozieren, welches denn dann der genaue Zeitpunkt war, zu dem Augustus unter allgemeiner Zustimmung die gesamte Macht errungen hatte. Eigentlich käme dann nur Aktium in Frage, aber dieser Gipfel des Bürgerkriegs konnte wohl kaum mit einem consensus universorum in Verbindung gebracht werden. Tatsächlich beschreibt potens keinen Zeitpunkt, sondern den Zustand im Jahre 28/27 v.Chr.: Damals habe er nach Beendigung der Bürgerkriege "obwohl mit der Zustimmung aller im Besitz der ganzen Macht" den Staat in das Ermessen von Senat und Volk zurückgegeben. Dieser konzessive Sinn des Partizips potens erhält seine Prägnanz durch die (sicher nicht zufällige) Parallele bei Tacitus (Annales 3,28,2): Caesar Augustus, potentiae securus, quae triumviratu iusserat, abolevit. Augustus' Selbstaussage, er sei in unangefochtener Machtstellung zu Legalität und Legitimität zurückgekehrt, wird hier scheinbar wieder aufgenommen, aber durch den genau gegensätzlichen Nebensinn in Wirklichkeit ruiniert: '(nicht obwohl, sondern) w e i l er seiner Macht gewiss sein konnte, nahm er die Maßnahmen des Triumvirats zurück'.

Dass Augustus den Verzicht auf den Konsulat 23 v.Chr. durch die Inanspruchnahme eines imperium proconsulare m a i u s kompensierte, ist eine verbreitete und begründete Annahme, die auch Bringmann teilt (S. 51, 373). Als Literaturhinweis bietet er dafür den Aufsatz von K. M. Girardet über das imperium 'maius'.3 Dort wird aber gerade die (nach Ansicht des Rezensenten überzeugendere) Gegenthese vertreten, dass sich nämlich Augustus mit einem imperium proconsulare 'begnügte'; dies sollte zumindest erwähnt werden. Ein imperium maius widerspräche dem erwähnten 34. Kapitel der Res gestae ('ich hatte nicht mehr an Amtsgewalt als meine jeweiligen Amtskollegen'), von dem man dann nicht nur sagen dürfte, dass Augustus hier "nicht die ganze Wahrheit sagt" (S. 53); die fragliche Aussage wäre vielmehr eine dreiste Lüge gewesen.

Augustus Neugestaltung des Forum Romanum ist für uns weniger klar erkennbar, als Schäfers Darstellung (S. 229) es vermuten lässt: "Neuere Grabungen haben den Partherbogen unmittelbar südlich des Caesartempels lokalisiert [...] seine Pfeiler trugen die Konsular- und Triumphalfasten." Dies ist ein Ergebnis der Arbeiten E. Nedergaards, die in der dazugehörigen Anmerkung (S. 227, Anm. 9) genannt werden; unmittelbar danach zitiert Schäfer aber die Monografie von L. Chioffi, die eine ganz andere These aufstellt: für sie gehören die Fasten zur fornix Fabianus, gelegen laut Chioffi in jenem vieldiskutierten Bereich zwischen Caesar-Tempel und Basilica Aemilia.4 F. Corarelli hatte die fasti an einem Partherbogen auf der Nordseite des Caesar-Tempels lokalisiert.5 Auch hat die frühere communis opinio, die Listen seien an der Regia angebracht gewesen, immer noch einiges für sich.6 Die Fundsituation der zwischen Faustina- und Castor-Tempel verstreuten Fragmente ist so problematisch, dass eindeutige Antworten offenbar gewagt sind.

Man kann dem vorliegenden 'Studienbuch' zu diesem wichtigen Thema insgesamt nur eine große Verbreitung wünschen, bei Lehrenden und Lernenden. Es trägt seinen Namen insofern zu Recht, als es gerade nicht nur instruktiven 'Lernstoff' bietet, sondern durch den Rückgriff auf die Quellen bei aller prägnanten Darstellung den Blick dafür offen hält, wieviel an unserem 'Wissen' Interpretation und Konstruktion ist.

Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu etwa Nielsen, I., Hellenistic Palaces. Tradition and Renewal, Aarhus 1999; Royo, M., Domus imperatoriae. Topographie, formation et imaginaire des palais impériaux du Palatin (IIe siècle av. J.-C. - Ier siècle ap. J.-C.), Rome 1999.
2 Vgl. Krömer, D., Textkritisches zu Augustus und Tiberius (Res gestae c. 34 - Tac. ann. 6,30,3), in: ZPE 28 (1978), S. 127-144, hier S. 133-44.
3 Imperium 'maius'; in: Giovanini, A. (Hg.), La Révolution romaine après Ronald Syme. Bilans et perspectives (Entretiens sur l'Antiquité Classique de la Fondation Hardt 46), Genève 2000, S. 167-227.
4 Gli elogia augustei del Foro Romano, Roma 1996, S. 26-36; dazu den Rezensenten in: BJ 198 (1998), S. 600-603.
5 Il Foro Romana, Bd. 2, Roma 1985, S. 258-308.
6 Vgl. zuletzt Simpson, Ch. J., On the Unreality of the Parthian Arch, in: Latomus 51 (1992), S. 835-842; ders., The original site of the Fasti Capitolini, in: Historia 42 (1993), S. 61-81, auch wenn wohl seine These, dass ein Partherbogen in der Realität nie existiert hat, überzogen ist.

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