B. Bleckmann: Nobilität im Ersten Punischen Krieg

Cover
Titel
Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der römischen Republik


Autor(en)
Bleckmann, Bruno
Reihe
Klio-Beihefte N.F. 5
Erschienen
Berlin 2002: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
271 S.
Preis
€ 64,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tassilo Schmitt, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

Dieses Buch ist eine Provokation. Es stellt sich in drei wesentlichen Hinsichten gegen Selbstverständlichkeiten in der althistorischen Forschung:

1. Bleckmann beharrt mit Nachdruck darauf, dass die in der älteren deutschen Althistorie mit großer Verve praktizierte, in den letzten Generationen aber immer stärker vernachlässigte Quellenscheidung ein elementarer Bestandteil der Quellenkritik sein müsse. Allerdings sei es nicht ein vordringliches Ziel, verlorene Werke aus den erhaltenen in der Absicht zu rekonstruieren, deren Autoren zu benennen. Wichtiger sei es vielmehr, das Alter der in die jüngere Überlieferung eingegangenen älteren zu bestimmen, deren Informationen und Implikationen zu profilieren, um diese Darstellungen adäquat mit der übrigen Evidenz vergleichen zu können.

2. Konkret geht es ihm um die Rehabilitation der insbesondere bei Cassius Dio und dessen Ausschreiber Zonaras vorliegenden, als homogen römisch anzusehenden Tradition, die sich, wo es um den Bericht über den ersten Krieg zwischen Römern und Karthagern geht, zu ihrem Vorteil von der bei Livius und seinen Nachfolgern bezeugten Spätannalistik unterscheide. Es zeige sich, "daß für den Ersten Punischen Krieg von der Existenz einer zeitgenössischen Tradition ausgegangen werden kann und daß diese Überlieferung über die römische Annalistik in die Darstellung des Cassius Dio Eingang gefunden hat" (S. 50). Vor diesem Hintergrund lasse sich die Version des Polybios ergänzen, ja sogar korrigieren. Vor allem aber gewinne man Einsichten in die politischen und sozialen Bedingungen der Kriegführung der Römer in der Mitte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts. Hier habe der hellenistische Autor wegen der von ihm selbst gezogenen Grenzen im Interesse von Systematisierung und Kategorisierung seines Werkes vieles ignoriert oder durch anachronistische Missverständnisse verdunkelt.

3. Die Analyse dieser Bedingungen der Kriegführung erlaube einen Blick auf die Eigenart der römischen Nobilität im dritten Jahrhundert. Was man sehen könne, unterscheide sich in wesentlichen Zügen von dem Porträt, das die Forschung bislang zeichne, wenn sie hervorhebt, dass es damals besser als später gelungen sei, das der aristokratischen und meritokratischen Grundstruktur inhärente Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv auszugleichen. Die Vorstellung, dass mos maiorum kulturell und der Senat institutionell die Rivalitäten und Konkurrenzen zwischen den römischen Adligen stark gedämpft hätten, lasse sich nicht bestätigen. Es gebe keine einheitlichen oder längerfristigen strategischen Konzepte, sondern die jeweiligen Entscheidungen seien von den Wünschen und Möglichkeiten der jeweiligen Inhaber der höchsten imperia, vor allem also der Konsuln bestimmt, in ihrem jeweiligen Amtsjahr ein Maximum an Ruhm durch Sieg oder politische Gestaltung zu gewinnen. Erst die Existenzbedrohung im Hannibalischen Krieg habe zu mehr Selbstdisziplinierung geführt. Diese zunehmende Integration spiegle sich nicht zuletzt in der die Karriere und die Ostentation des in Krieg und Politik gewonnenen Ansehens regelnden Gesetzgebung. Seit dem späteren zweiten Jahrhundert hätten solche Bemühungen die widerstrebenden Tendenzen freilich immer weniger einzuschränken vermocht.

Die durchsichtige Gliederung des Buches und die detaillierten Einzelinterpretationen in klarer und schnörkelloser Sprache, die dann jeweils zu Synthesen zusammengeführt werden, verleihen dieser Provokation ihre beträchtliche Stoßkraft: Nach einer Exposition der Fragestellung - "Einleitung" (S. 11-18) - begründet Bleckmann seine Gewichtung der Quellen ("Zur Kritik der Historiographie zum Ersten Punischen Krieg", S. 19-56), indem er die Zielsetzung und Grenzen der polybianischen Darstellung rekonstruiert (S. 19-31), kurz nach dessen Vorlagen fragt (S. 31-35) und dann die Argumente für seine Hochschätzung der bei Cassius Dio vorliegenden Tradition entfaltet (S. 35-56).

Die folgenden vier Kapitel folgen insgesamt chronologisch dem Kriegsgeschehen; vielleicht hätte man sie deswegen besser unter einer Hauptüberschrift zusammengefasst. Das dritte Kapitel "Adelsehrgeiz und Eskalation: Der Weg in den Ersten Punischen Krieg bis zum Vorabend der Schlacht von Mylae" (S. 57-112) deutet die Entscheidung zum Krieg und dessen Eskalation als Resultanten der Ruhmsucht der Protagonisten, die durch weitreichende allgemeine Überlegungen weder angetrieben noch behindert gewesen seien. Das alles stehe in Kontinuität zur vorherigen Praxis bei der Eroberung Italiens. Im vierten Kapitel "Die Kommanden des Duilius und des Cn. Cornelius Scipio im Jahre 260" (S. 113-144), das nicht nur äußerlich im Zentrum des Buches steht, wagt Bleckmann die Probe aufs Exempel und bescheinigt der Version bei Cassius Dio/Zonaras eine größere Zuverlässigkeit und damit den Vorzug im Vergleich zu der scipiofreundlichen Gestaltung bei Polybios.

Das fünfte Kapitel "Der Flottenkrieg von 259 bis 247" (S. 145-203) soll den Nachweis führen, daß auch diese Phase des Krieges nicht dadurch gekennzeichnet sei, dass der Senat als Kollektiv gelernt und die Strategie den jeweiligen Erfahrungen angepasst habe. Auch hier spiele "zweifelsohne [...] das Bestreben der Generäle, in der eigenen Amtszeit zu maximalen Erfolgen zu kommen, eine entscheidende Rolle" (S. 147). Der zeitweise Verzicht auf ausgreifende Seekriegführung sei eine Folge dessen, dass hier ein Volkstribun im Interesse der eigenen Karrierechancen "populare" Politik betrieben und die Unzufriedenheit vermögenderer Kreise in der Plebs über den verlustreichen Flottenkrieg ausgenutzt habe. Schließlich seien auch "Die letzten Jahre des Ersten Punischen Krieges und der Lutatius-Frieden (S. 241)" (sechstes Kapitel: S. 205-224) durch die politischen und wirtschaftlichen Renditeerwartungen ehrgeiziger Aristokraten bestimmt gewesen. Bleckmann ergänzt in diesem Abschnitt außerdem eindrucksvoll seine schon im vorherigen Abschnitt vorgelegten Beobachtungen zur Bedeutung des in der Forschung bislang fast völlig übersehenen Kaperkrieges. Das Schlusskapitel bilanziert die aus der Analyse der Entscheidungen über die Kriegführung zusammengetragenen "Aspekte römischer Verfassungspraxis zur Zeit des Ersten Punischen Krieges" (S. 225-242). Ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur, außerdem Indizes zu Stellen sowie zu Personen und Ortsnamen sorgen für wissenschaftliche Handlichkeit.

Bleckmanns Plädoyer für Quellenscheidung als Methode ist ohne jede Einschränkung beizupflichten. Auch die kluge Beschreibung des Erkenntnisinteresses, das sich nicht primär um die Rekonstruktion individueller Vorlagen, sondern vielmehr auf das Verständnis von Genese, Formung und Verformung von Überlieferung konzentriert, zieht aus den Exzessen älterer Forschung die richtigen Konsequenzen und hält der jüngeren mit Recht ihre mit polemischen Äußerungen verbrämte Gedankenfaulheit vor.

Glücklich ist überdies die Wahl des Untersuchungsgegenstandes: Mit der Nobilität greift sich Bleckmann ein zentrales Explanandum der Geschichte der römischen Republik heraus. Seine These über die Eigenart dieser sehr spezifischen Form aristokratischer Herrschaft im dritten vorchristlichen Jahrhundert beschreibt Verhältnisse, die man erst im ersten so erwartet, und zwingt, wäre sie richtig, zu tiefgreifenden Revisionen.

Auf diese Infragestellung der communis opinio könnte man mit allgemeinen Erwägungen reagieren: Ist Bleckmanns Unterscheidung zwischen Individuum und Kollektiv präzise genug, um die möglichen Konfliktlinien in der Zeit der mittleren römischen Republik zu erkennen und in ihrer Bedeutung zu würdigen? Muss man nicht mit stärkeren Kohäsionskräften rechnen, als sie nun Bleckmann zugestehen will, um zu verstehen, wie die Römer auch schwierige Situationen überstehen konnten? Sind existentielle Bedrohungen wirklich erst im Hannibalischen Krieg und nicht vielleicht schon in den Kriegen des vierten Jahrhunderts aufgetreten - mit Folgen im dritten, wie sie Bleckmann erst im zweiten beobachtet? Was kann man überhaupt über die jeweilige zeitgenössische Einschätzung existentieller Gefahr wissen? Auch die Beobachtung des Beobachters erlaubt kritische Distanzierung: Ist es ein Zufall, dass Bleckmann sich in eine Reihe neuester deutscher Arbeiten auf dem Gebiet der Alten Geschichte einreiht, wo allenthalben die Wirksamkeit der zynischen Individualinteressen von einzelnen Mächtigen als entscheidende Faktoren präsentiert werden? Oder erzeugen hier vielleicht nicht doch Erfahrungen mit dem zeitgenössischen politischen und Universitätssystem Scheinplausibilitäten, die dann auf die jeweiligen Untersuchungsgegenstände übertragen werden?

Aber es ist dem Buch wohl eher angemessen, quellenkritische Bedenken anzumelden: Bleckmann kann eine für die Betrachtung der inneren Verhältnisse Roms "ausgesprochen günstige Quellenlage" (S. 9) nur deshalb feststellen, weil er die römische Überlieferung insbesondere bei Cassius Dio auf sehr alte Traditionen zurückführt. Er begründet diese Ansicht vor allem durch zwei Argumente: Zum einen macht er darauf aufmerksam, dass sich diese Darstellung zu ihren Gunsten wesentlich von der vor allem bei Livius greifbaren Spätannalistik unterscheide. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Spätannalistik durch ein homogenes Geschichtsbild geprägt ist - jedenfalls, wo es um die Geschichte des Sizilischen Krieges geht. Nun lehren aber viele Untersuchungen etwa zu den Darstellungen der älteren römischen Geschichte, dass die jeweilige Ausgestaltung durch Autoren der späten Republik zutiefst durch anachronistische Logiken und Plausibilitäten ihrer Zeit geprägt worden ist. Dabei ist es durchaus zu konkurrierenden Entwürfen gekommen. Warum also sollte es nicht verschiedene spätannalistische Muster der Beschreibung des dritten Jahrhunderts gegeben haben? Der Kontrast mit dem bei Livius Greifbaren trägt, so betrachtet, wenig zur Bestimmung des Alters der Tradition bei Cassius Dio bei. Deren Qualität ist auch nicht durch den Hinweis auf ihre innere Kohärenz zu sichern; solche Stimmigkeit auch auf Kosten der Richtigkeit zu gewährleisten, gehört zu den wichtigsten Anliegen der Autoren als Schriftsteller. Für das Gesamturteil dürfen auch nicht die phantastischen Ausmalungen im Einzelnen unterschätzt werden; Bleckmann gelingt es nicht hinreichend zu zeigen, wie sie sich methodisch sicher als Zutaten der mittleren Annalistik aussondern lassen.

Grundsätzlich kommt alles darauf an, ob und wie sich aus der Darstellung des Cassius Dio die alte Überlieferung herausschälen lässt. Diesem Problem gilt Bleckmanns zweiter Argumentationszusammenhang. Im Wesentlichen geht es - wie er gelegentlich explizit betont - darum, die Beweislast umzukehren, indem er exemplarisch und gerade im Vergleich mit dem sonst hochgeschätzten Polybios die Zuverlässigkeit dieser Version zu erweisen versucht. Möglich ist das nur durch den Vergleich mit anderer alter Tradition.

Dazu gehören selbstverständlich die Fragmente aus den Werken des Naevius: Mit ihrer Hilfe gelingt es in der Tat gelegentlich, den sehr knappen polybianischen Bericht zu ergänzen. Das gilt für die Feldzüge des Jahres 263 v.Chr. (S. 88-92): Bei Polybios ist nicht zu erkennen, dass die beiden Konsuln zeitweise auch getrennt operierten, wie neben Cassius Dio/Zonaras (8,9,16) auch Naevius Fr. 3 Blänsdorf deutlich erweist. Als Korrektur an Polybios ist das allerdings nicht zu werten: Dieser äußert sich zu taktischen Einzelheiten überhaupt nicht: Zwei Konsuln werden ausgesandt; im übrigen agieren die Römer (1,16). Wie wenig hier mit einer auf die Annalistik gestützten Bereicherung unserer Kenntnisse gewonnen ist, ergibt sich daraus, dass schon nicht mehr erkennbar ist, in welchen genauen Zusammenhang des Geschehens das bei dem Epiker bezeugte Vorgehen eines allein handelnden Konsuls gehört; möglicherweise in den bei Cassius Dio Gegebenen, möglicherweise aber auch nicht. Es bleibt eine bloße Behauptung, dass Zonaras' Bericht, der zumindest in der Nomenklatur eines Konsuls entstellt ist, generell als zuverlässig zu gelten habe. Wiewohl also gar nicht bestritten werden kann, dass auch richtige Informationen noch in die spätesten Überlieferungszeugen verbaut sind, ist nicht zu erkennen, wie man methodisch überzeugend diese Perlen dort findet.

Leider ist der Vergleich mit den Fasti weniger belastbar, als Bleckmann annimmt. Wenn noch für die Zeit des Hannibalischen Krieges - zum Beispiel im Jahre 217 v.Chr. - evidente annalistische Konstruktionen Aufnahme in diese Listen gefunden haben, muss im Einzelnen gezeigt und darf nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass die Verzeichnisse über Konsulate und Triumphe als zuverlässige Parallelquellen heranzuziehen sind. Wo sich Widersprüche zu Polybios ergeben, ist es nirgends offensichtlich, dass der Fehler bei diesem liegt.

Methodisch und inhaltlich besonders wichtig ist die Analyse der sogenannten Duilius-Inschrift (CIL I ² 25 = Inscr. Ital. XIII 3,69 = ILLRP 319), die zum Bericht des Cassius Dio über die Schlacht bei Mylai so gut passt, wie sie der Darstellung des Polybios widerspricht (S. 116-139). Bleckmann gibt zu, dass die erhaltene Textgestalt kaiserzeitlich ist, möchte aber zeigen, dass der Inhalt aus dem dritten Jahrhundert stammt. Das zu glauben, fällt schon wegen der sprachlichen Anachronismen schwer, die auch Bleckmann nicht leugnet. Für ihn sind diese aber geradezu ein Indiz für Zuverlässigkeit: Ein Fälscher hätte sich solche Schnitzer nicht erlaubt, die einem mit dem archaischen Latein nicht vertrauten Abschreiber und Redaktor leicht unterlaufen konnten. Wirklich? Ohne Wert ist es auch, dass Quintilian die heute noch erhaltene Inschrift gekannt und offensichtlich für alt gehalten hat (inst. or. 1,7,12). Offensichtlich haben diesen weder die Form der Buchstaben, noch die der Sprache zu einer Erläuterung genötigt: Seine epigraphische und seine linguistische Expertise richten sich damit selbst.

Gewichtiger ist der Hinweis, dass "Fälschungen" auf einem so bekannten Monument kaum möglich gewesen seien. Was aber heißt "Fälschung"? Durch nichts ist erwiesen, dass es eine vorkaiserzeitliche Inschrift in welcher Form auch immer überhaupt gegeben hat; nichts ist darüber bekannt, ob diese, wenn sie je existiert hat, den kaiserzeitlichen Restauratoren zur Verfügung stand. Vielleicht wussten oder vermuteten diese nur, dass ein solcher Text bestanden hatte. Die heute vorliegende Version ist dann ein - gerade in den Fehlern leicht verständliches - Monument sowohl der pietas der kaiserzeitlichen, vielleicht sogar kaiserlichen Auftraggeber gegenüber den Leistungen des Duilius als auch ihrer mangelnden (nicht nur sprach-) historischen Kenntnisse. Die Beobachtung, daß Duilius wortreich gepriesen wurde, während Augustus daneben auf der ihm zu Ehren errichteten columna rostrata lapidar als der erscheint, der "terra marique" den Frieden heraufgeführt habe, führt leider auch nicht weiter. Nach Bleckmann hätte ein Fälscher mehr auf gleiche Gewichtung geachtet. Zeigt aber die Positionierung nicht ohne weiteres, dass der Kaiser dem Vergleich standhielt? Die im Hellenismus aufgekommene Formel "terra marique" wog verbose Ausführungen sicher auf. Nicht zu leugnen ist die Verwandtschaft der Duilius-Inschrift mit erhaltenen Elogien aus der Zeit seit dem zweiten Jahrhundert. Daraus ergibt sich aber weder zwingend, dass man auch im dritten Jahrhundert nicht anders verfuhr, noch gar, dass die Duilius-Inschrift so alt ist: Mit Mommsen kann man diesen Befund ebenso gut als Indiz dafür heranziehen, welchen Formulars sich diejenigen bedient haben, die in der Kaiserzeit ein altes Monument restaurierten.

Mit dieser Version stimmte natürlich auch das überein, was Tacitus im völlig neu wiederhergestellten Janus-Tempel gelesen hat, wenn seine Bemerkung sich nicht überhaupt auf den Text des Augustus-Forums bezieht (ann. 2,49,1). Es gibt also hinreichend Anlass für einen "Verdacht gegen die Echtheit der Duilius-Inschrift" als Dokument des dritten Jahrhunderts, für einen Verdacht, der pace Bleckmann umso weniger beliebig erscheint, wenn man gerade den Widerspruch der Darstellung dort mit dem Bericht des Polybios beachtet: Polybios hat viele Jahre in Rom gelebt. Er hat die Monumente am Forum gewiß gekannt. Er hat Inschriften als Quellen gesucht und ernst genommen. Wäre ihm eine Duilius-Inschrift in der Form bekannt gewesen, wie sie seit der Kaiserzeit existiert hat, hätte er sie gewiss nicht mit Schweigen übergangen, sondern ihre Aussagen entweder übernommen oder (polemisch) korrigiert.

Insgesamt ist es also weder gelungen zu zeigen, wie man den alten Traditionskern aus der Darstellung bei Cassius Dio/Zonaras heraus präparieren kann, noch diese Überlieferung als mit der bei Polybios mindestens gleichwertig zu profilieren. Den wirklichen Ertrag seiner Quellenscheidung hat Bleckmann wegen dieser Zielsetzungen verkannt: Die Spätannalistik lässt sich nun nicht mehr vor allem mit Blick auf Livius konturieren; künftig muss die bei Cassius Dio greifbare Ausprägung stärker herangezogen werden. Das differenziert das Bild von dieser Phase der römischen Historiographie.

Der hier zu formulierende Vorbehalt gegen Bleckmanns Bewertung der Quellen stellt nun auch viele andere Einzelrekonstruktionen in Frage. Für die notwendigerweise detaillierte Auseinandersetzung ist eine Besprechung nicht der geeignete Ort: Insbesondere die Rolle der Volksversammlung beim Kriegsausbruch, bei den Entscheidungen über die Flottenausrüstung und beim Friedensschluss könnte und müsste genauer analysiert werden. Bleckmann legt die Ungereimtheiten bloß, die sich im Bild der Forschung von der Politik im dritten Jahrhundert finden, kann aber auch an entscheidenden Stellen wie bei der Debatte um den Kriegseintritt 264 v. Chr. keine rundweg überzeugende Alternative präsentieren.

Bleckmann hat ein mutiges Buch vorgelegt. Die Provokation ist gelungen. Umso mehr wäre es zu bedauern, wenn der Autor bei seiner Absicht bliebe, dass er mit diesem Themengebiet "in Zukunft wohl ... wenig zu tun haben werde" (S. 9).

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch