K. Bringmann: Geschichte der römischen Republik

Cover
Titel
Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus


Autor(en)
Bringmann, Klaus
Reihe
Beck's historische Bibliothek
Erschienen
München 2002: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
463 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Kruschwitz, Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

In der Reihe "Beck's historische Bibliothek" sind bereits mehrere Bände zur römischen Geschichte erschienen, jeweils von ausgewiesenen Kennern der Materie verfasst. Zu nennen sind Karl Christs Werk zur Geschichte der römischen Kaiserzeit (4. Aufl., 2002), Alexander Demandts Band zur Geschichte der Spätantike (1998) sowie Frank Kolbs Werk über die Stadt Rom (2. Aufl., 2002). Zu diesen Titeln ist jetzt Klaus Bringmanns Darstellung der Geschichte der römischen Republik hinzuzufügen.

Wiewohl die Erforschung der Geschichte der römischen Republik im Verhältnis zur Kaiserzeit nicht selten recht stiefmütterlich behandelt wird, ist sie doch zweifelsohne eine in höchstem Maße spannende und interessante Materie. Bringmann gliedert sie in fünf Abschnitte: (I) Rom und Italien, (II) Rom und die Mittelmeerwelt, (III) Die Krise der Republik und ihre Ursachen, (IV) Der Untergang der Republik und (V) Augustus, Überwinder und Vollender der Republik.

Die Darstellung lässt keine wesentlichen historischen Ereignisse und Entwicklungen aus, dennoch befriedigt das Buch durchaus nicht. Bereits ein Blick auf die formale Gewichtung der einzelnen Abschnitte ist aufschlussreich: Der erste Abschnitt umfasst ca. 75, der zweite ca. 70, der dritte ca. 125, der vierte ca. 120 und der fünfte ca. 40 Seiten. Es folgen noch eine Zeittafel, eine kommentierte Bibliografie, Bild- und Kartennachweise sowie ein Orts- und Personenregister (bedauerlicherweise aber kein Sachregister). Das heißt: Nach knapp 150 Seiten ist Bringmann im letzten Jahrhundert der Republik angekommen, dem die folgenden etwa 280 Seiten gewidmet sind; das entspricht einem Seitenverhältnis von etwa 1 : 2 für ein Jahresverhältnis von etwa 6 : 1 (wenn man, wie Bringmann, bei der Gründung Roms beginnt, obschon diese nicht in die Zeit der Republik gehört). Eine solche Fixierung auf die ausgehende Republik und auch den beginnenden Prinzipat wird einem Werk, das sich einer Darstellung der römischen Republik als einer Epoche sui iuris verschrieben hat, nicht nur mitnichten gerecht, sondern sie ist auch ein Rückschritt gegenüber früheren Darstellungen, die auf dieselbe Zeit fixiert sind.1 Und es ist ja auch beileibe nicht so, dass über die Ereignisse der Zeit von der Gründung und Frühzeit Roms bis etwa 133 v.Chr. nicht ausreichend viel Material und Kenntnis vorhanden wäre, die einem dem chronologischen Umfang und der Bedeutung einzelner Epochen angemesseneren Seitenumfang entgegenstünden.

Abgesehen von dieser formalen Gewichtung sind es aber vor allem die Details der Darstellung, die Unmut hervorrufen. Dies sei an einer Hand voll (z.T. nicht ganz wahllos herausgegriffener) Beispiele dokumentiert:

(i) Der erste Hauptabschnitt des Buches ist überschrieben mit "Rom und Italien" und in vier Unterabschnitte untergliedert: "Die Gründung der Stadt Rom", "Der Aufstieg zur italischen Großmacht", "Die Verfassung der klassischen Republik" und "Die Entstehung der Nobilität". Im ersten Unterabschnitt wird ausführlich die Kodifizierung des Rechts in den XII tabulae behandelt (S. 28-33). Obschon Bringmann hier auf griechische Gesetzgebungstätigkeit und Rechtskodifizierung auch in der Umgebung hinweist, ja sogar auf die Debatte eingeht, inwiefern direkte Entlehnung aus griechischen Gesetzen stattgefunden habe, unterlässt er es doch, die römische Gesetzgebung in den zeitlichen und gesellschaftsgeschichtlichen Horizont der Magna Graecia einzubetten. Dies ist insofern bedauerlich, weil so - ob direkte Entlehnung stattgefunden hat oder nicht - der Eindruck erweckt wird, als könne man das römische Vorgehen von den überhaupt auf der Apenninhalbinsel vorherrschenden Tendenzen losgelöst betrachten. Und letztlich verkennt dieses Vorgehen auch die römische Vorstellung davon, inwiefern das römische Recht mit dem griechisch-hellenistischen verbunden gewesen ist.

(ii) Der vierte Unterabschnitt desselben Kapitels beginnt mit einer Behandlung der Scipionen-Elogien (die - anders als bei den übrigen Zitaten - ohne Quellenangabe abgedruckt sind).2 Bringmann wiederholt unkritisch und ohne inhaltliche Not die fragwürdige Ansicht, dass die Inschrift des Barbatussarkophags einen älteren Titulus ersetzt habe. Ebenfalls irritierend ist, dass er weiterhin die eigentlich mit Rudolf Wachters fundierter Darstellung überwunden geglaubte Auffassung verbreitet, dass die Grabinschrift des Sohnes älter sei als die des Vaters, wofür es keinerlei zwingende Hinweise gibt und was zudem jeder Wahrscheinlichkeit widerspricht.3 Wesentlich gravierender jedoch als diese zwei Quisquilien ist, dass Bringmann die vorzüglichen Studien von Géza Alföldy zur Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft sowie zu Individualität und Kollektivnorm nicht gewinnbringender für seinen Abriss genutzt hat.

(iii) Im selben Abschnitt befindet sich eine Abbildung einer recht bekannten (zeitlich nicht in diesen Abschnitt gehörigen, da aus augusteischer Zeit stammenden) Plastik eines Römers mit Ahnenmasken (S. 76). Im dazugehörigen Text findet sich jedoch keine eingehendere Behandlung der Bildnis- und Portraitkunst der republikanischen Zeit, wiewohl an neuen Erkenntnissen und soliden Darstellungen zu diesem Bereich kein Mangel herrscht.

(iv) Der dritte Hauptabschnitt des Buches ist mit "Die Krise der Republik und ihre Ursachen" betitelt. Auch in diesem Abschnitt findet sich allerlei, das längst obsolet geglaubt wurde. Auf S. 162 z.B. finden sich im Rahmen einer sehr oberflächlichen und den Erkenntnissen der Philologie kaum gerecht werdenden Darstellung allerlei Notizen zu Terenz: Bringmann setzt nicht nur sein Geburtsjahr bis auf ca. 200 v.Chr. herauf (ansonsten ist üblicherweise ca. 195 der höchste Ansatz, während 185 für wahrscheinlicher gelten darf), sondern lässt ihn auch noch gleich ganz aus Libyen stammen. Dabei steht sein Geburtsort Karthago einigermaßen fest, und die libysche Herkunft ist seit einem Aufsatz von Tenney Frank aus den 1930ern ins Reich der philologischen Legende verbannt.

(v) Bemerkenswert auch Bringmanns Notizen an selbiger Stelle über Mäzenatentum in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. (abgesehen davon, dass die Bezeichnung Mäzenatentum für diese Zeit ein hübscher Anachronismus ist): Spätestens seit Erich S. Gruens herausragender Darstellung "Culture and National Identity in Republican Rome" (die Bringmann zwar im Forschungsabriss anführt, aber offenbar nicht verarbeitet hat) sollte eigentlich klar sein, dass Cato einem - wenn man denn so will - Mäzenatentum durchaus nicht per se feindselig gegenüber stand (immerhin hatte Cato selbst ja den jungen Ennius nach Rom gebracht), sondern seine Invektive gegen Fulvius Nobilior auf dessen für einen römischen Magistraten unwürdiges Verhalten zielte.

Die angeführten Details mögen genügen, um zu demonstrieren, worin meiner Auffassung nach die Problematik bei dieser Publikation besteht: Es ergibt sich der Eindruck, dass sich die Darstellung an diversen Stellen nicht auf der Höhe der Forschung befindet bzw. Forschungsliteratur nur sehr unzureichend und selektiv wahrgenommen wurde. Dies schlägt sich nicht zuletzt auch in der bisweilen fast Mommsenschen Diktion nieder, wie ein Beispiel aus dem vierten Hauptabschnitt über Caesar und den Ersten Triumvirat belegen mag (S. 311): "So war der junge Mann (sc. Caesar) durch Familienbande auf das engste mit dem popularen Regime der Marianer verbunden. Nach dessen Sturz verschmähte er den Weg des bequemen Opportunismus. Er weigerte sich, die Gunst des allmächtigen Diktators Sulla durch die Auflösung der politisch belastenden Ehe zu gewinnen, und geriet in Lebensgefahr [...]. Dann begann er unter Wahrung der alten Loyalitäten, die ihn den Optimaten verständlicherweise suspekt machte, in der Ämterlaufbahn aufzusteigen." Ist eine solche Form der historischen Erzählung noch zeitgemäß oder auch nur im vorliegenden Fall sachgerecht?

An das Ende möchte ich jedoch einige allgemeinere Gedanken stellen. Im Vorwort (S. 5f.) schreibt Bringmann: "Jeder Darstellung der Geschichte der römischen Republik ist aufgegeben, die alte Frage Montesquieus nach den Ursachen von Größe und Niedergang im Lichte der Ergebnisse der modernen Geschichtswissenschaften neu zu beantworten. Ihr vorgegeben ist der Aufstieg eines kleinen Stadtstaates in der Nähe der Tibermündung zu einer die italische Halbinsel beherrschenden Großmacht, die das letzte, dauerhafteste und folgenreichste Großreich der Antike schuf." Weiterhin: "Einen historischen Prozeß dieser Größenordnung und Wirkungsmächtigkeit dem Verständnis zu erschließen kann nur unter Konzentration auf seine Hauptlinien gelingen. Deshalb steht im Mittelpunkt dieser analysierenden Darstellung die äußere und innere Dramatik der Geschichte der Republik, die schon in der Antike zum Gegenstand des Nachdenkens über Größe und Niedergang wurde. Das aber heißt, daß weder die Vorgeschichte Italiens noch die Geschichte der Mächte, mit denen Rom sich auseinandersetzte, ausführlich und in besonderen Kapiteln exponiert werden."

Der Zuschnitt des Buches wird diesen Zielen aus mehrfachen Gründen nicht gerecht. Ganz allgemein wäre es hilfreich, wenn überholte Angaben endlich aus den Geschichtsbüchern getilgt und nicht durch neue Monografien perpetuiert würden. Diese Chance, die Berücksichtigung der Ergebnisse der modernen Geschichtswissenschaften, wurde von Bringmann jedoch, wie gezeigt, vertan. Durch die Fokussierung auf den Niedergang der Republik, deren Reformunfähigkeit ja seit langem erkannt und als Schwachpunkt diagnostiziert wurde, sowie auf die Überwindung bzw. Vollendung der Republik durch Augustus verstellt sich Bringmann darüber hinaus systematisch den Blick auf einen wesentlichen Aspekt der zuvor gestellten Aufgabe: die Erklärung, wie ein kleiner Stadtstaat zu einem weltbeherrschenden Imperium heranwachsen konnte.

Die Gründe hierfür liegen jedoch nicht nur in den "Hauptlinien", sondern in mannigfachen Details, ja bisweilen sogar im Irrationalen und im Zufall, der eigentlichen Logik der Geschichte. Vor allem aber schiene es mir dringend notwendig, auch bei der geschichtlichen Betrachtung der Republik endlich davon abzukommen, Geschichte fast ausschließlich als Kriegs- bzw. Bürgerkriegsgeschichte zu betrachten und dabei die Entwicklungen und Verhältnisse in Friedenszeiten eklatant zu vernachlässigen. Gerade das republikanische Rom zeichnet sich durch eine in der Antike ansonsten vielleicht unerreichte Bereitschaft aus, Fremdes kennen zu lernen, zu akzeptieren und schöpferisch zu integrieren. Die Beziehungen und Begegnungen zwischen Menschen, Völkern, Staaten und Kulturen auch außerhalb von kriegerischen Auseinandersetzungen, die Begegnung und der befruchtende Austausch mit der griechischen (vielleicht sogar auch der karthagischen) Welt verdienten endlich größere Aufmerksamkeit als Ursachen und Rahmenbedingungen für historische Entwicklungen in republikanischer Zeit.

Aus den genannten Gründen vermag ich mich nicht zu einem positiven Resümee durchzuringen. Weder als Einführung für ein allgemein interessiertes Publikum noch als wissenschaftliches Referenzwerk leistet das Werk einen wirklich guten Dienst. Es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit eine adäquatere, modernere und vor allem wissenschaftlich besser dokumentierte Behandlung des Themas erscheinen wird, wie sie im Ansatz etwa mit Joachim Bleickens Grundriss "Die römische Republik" bereits verfügbar ist.

Anmerkungen:
1 So sind etwa in Michael H. Crawfords Darstellung "Die römische Republik" (Dtv-Geschichte der Antike) dieselben Zeiträume ungefähr im Verhältnis 1 : 1 gewichtet worden; zudem ist in dieser Reihe noch ergänzend eigens Robert M. Ogilvies Band "Das frühe Rom und die Etrusker" erschienen.
2 Was die Zitation der Quellentexte betrifft, sei noch angemerkt, dass diese bisweilen recht eigenwillig erfolgt. So wird etwa auf S. 98f. die Inschrift CIL I 2 25 nach Degrassis Ausgabe als ILLRP 319 angeführt, während an anderer Stelle Inschriften durchaus nach dem CIL zitiert werden. Auch die Zitation eines Luciliuszitats (S. 281f.) nach Vahlen (und in Übertragung durch Mommsen) statt nach Marx oder Krenkel ist schwerlich verständlich. Offenbar wurden diese aus älteren Publikationen übernommen und nicht aktualisiert?
3 Dass ich selbst an dieser Diskussion mit beteiligt bin, sei der Vollständigkeit halber notiert.

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