H. Schmidinger u.a. (Hgg.): Geschichte der Philosophie

Titel
Geschichte der Philosophie XIII. Die Philosophie des ausgehenden 19. Jahunderts und des 20. Jahrhunderts. 3 Lebensphilosophie und Existenzphilosophie


Herausgeber
Schmidinger, Heinrich; Röd, Wolfgang; Thurnher, Rainer
Erschienen
München 2002: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
431 S.
Preis
€ 26,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Später, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Geschichtsschreibung ist ohne Geschichtsphilosophie nicht möglich. ‚Geschichte’ ist zudem selbst ein philosophischer Gegenstand. Umgekehrt hat die Philosophie selbst eine Geschichte. Doch wer darf sie wie erzählen? „Philosophiegeschichte zu schreiben ist wesentlich eine philosophische Aufgabe“, verkündete der inzwischen emeritierte Ordinarius für Philosophie am Philosophischen Institut der Universität Innsbruck, Wolfgang Röd, als er 1976 in Zusammenarbeit mit dem C.H. Beck Verlag seine auf 14 Bände angelegte Geschichte der Philosophie in Angriff nahm. Mittlerweile liegt der achte Band vor – nach drei Bänden über die Philosophie der Antike, einen über den Übergang von Antike zum Mittelalter und drei weiteren über die Neuzeit, ist Röd nun im 19. und 20. Jahrhundert angelangt. Zusammen mit Rainer Thurnher (Universität Innsbruck) und Heinrich Schmidinger (Universität Salzburg) widmet er sich der Lebensphilosophie und dem existenzorientierten Denken.

Von Kierkegaard und Nietzsche über die eigentlichen Lebensphilosophen Dilthey und Bergson, dem Philosophen des Eigentlichen Heidegger, bis hin zu Jaspers, Sartre und Camus wird ein gemeinsamer Zusammenhang geflochten. Dieser Zusammenhang entsteht durch ein gemeinsames Problem der Philosophen: Wie ist „das Leben“ und „das Sein“ zu denken, und wie ist das Denken mit „dem Leben“ und „dem Sein“ verbunden? Präzise, übersichtlich und didaktisch wird das Denken von Philosophen porträtiert. Manche Bezüge, Modifizierungen und Transformationen philosophischen Denkens werden greifbar. Dennoch ist der Band in erster Linie enzyklopädisch, nicht synthetisch. Man erfährt nicht, warum das gemeinsame Problem entstand; nicht, wie die Rede vom konkreten, existenziellen Individuum mit der Sehnsucht nach transzendentaler Wahrheit zusammenhing; nicht, wie diese Sehnsucht mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft verbunden war und warum Lebensphilosophie und Existenzphilosophie Philosophien wurden, die sich mit bürgerlichen Denkformen gegen die bürgerliche Gesellschaft richteten. Die Philosophen sind dem Philosophiehistoriker heilig. Das Denken der „Großen“ darf nicht durch historische Fragestellungen und durch ihre Einbettung in eine allgemeine Geistes-, Politik- und Sozialgeschichte gestört werden. Ob oder warum Heidegger ein Nazi war und was das mit seinem Denken zu tun haben könnte – darüber sollen sich andere einfachere Gemüter streiten; was die Trivialitäten des Alltages oder die Niederungen des Seelenlebens für das Denken Nietzsches bedeuteten – was kümmert es den Philosophen? „Wer untersucht, welche Einflüsse von seiten der Gesellschaft bei der Entstehung gewisser Auffassungen wirksam waren, betreibt Wissenssoziologie, nicht mehr Philosophie“ (S. 120).

Wolfgang Röd geht es um Verstehen, nicht um Erklärung, um „wahre“ Philosophie. Herausgekommen ist deshalb ein weiteres Nachschlagewerk, ein Lehrbuch für Philosophiestudenten mit ausgezeichneten Werkexegesen – kompetent, übersichtlich und für den Historiker sehr langweilig. Bezeichnenderweise endet das Buch nicht mit einer These, einem Gedanken oder einer beunruhigenden Frage, sondern mit dem Hinweis, dass Berdjajev sein Denken als „pneumatologisches Christentum“ charakterisierte. So sei es.

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