T. Hafki (Hg.): Operntexte CD-ROM

Cover
Titel
Operntexte von Monteverdi bis Strauss.


Herausgeber
Hafki, Thomas
Reihe
Digitale Bibliothek 57
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mischa Meier, Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie, Universität Bielefeld

"Operntexte von Monteverdi bis Strauss" - der Titel weckt hohe Erwartungen beim Benutzer, zumal in der den Operntexten vorgeschalteten Einführung der Anspruch erhoben wird, daß die "vorliegende Sammlung [...] in Umfang und Auswahl sicher einmalig ist" (Einführung, S. 22). Umso enttäuschender ist das Resultat nach einer ersten, oberflächlichen Durchsicht des auf der CD-ROM präsentierten Materials. Aufgenommen wurden Werke von 95 Komponisten; bei diesen jedoch handelt es sich vor allem um bekannte Namen, also um diejenigen, deren Textbücher ohnehin leicht auf traditionellem Wege greifbar sind. Es scheint, daß hier eine große Chance vertan wurde, auch die weniger gängigen und weniger leicht zugänglichen Komponisten und Werke einmal einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Noch größer wird die Enttäuschung, wenn man sich ansieht, welche Werke der einzelnen Komponisten jeweils aufgenommen wurden. Auch hier wurde offenbar keineswegs Vollständigkeit angestrebt: So findet man z.B. unter dem Lemma 'Wagner, Richard' den kompletten Bayreuther Kanon vom "Fliegenden Holländer" bis zum "Parsifal". Nicht aufgenommen wurden jedoch die frühen Werke "Die Feen" und "Das Liebesverbot", ja sogar der "Rienzi" fehlt.

Unter dem Stichwort 'Puccini, Giacomo' findet man die "Manon Lescaut", "La Bohème" und "Tosca", nicht aber die ungemein populäre "Madama Butterfly" (!), "Turandot", "La fanciulla del West", ganz zu schweigen von den kleineren Opern. Die CD umfaßt zwar einen zeitlichen Rahmen vom Beginn der neuzeitlichen Operngeschichte (Jacopo Peris "Dafne" [1597]) bis zum Schaffen Richard Strauss' (+ 1949), doch sucht man auch nach den berühmten und in den letzten Jahren zunehmend beachteten Zeitgenossen der Strausschen Opern (z.B. E. W. Korngold, F. Schreker, A. von Zemlinsky), so wird man wiederum enttäuscht. Und selbst unter dem Lemma 'Strauss, Richard' selbst findet sich nur eine kleinere Werkauswahl, bestehend aus "Salome", "Elektra", "Rosenkavalier", "Ariadne auf Naxos" und "Frau ohne Schatten". Wer unter "Humperdinck, Engelbert" nachsieht, findet zwar "Hänsel und Gretel", nicht aber die "Königskinder". Unter 'Mascagni, Pietro' gibt es zwar einen Eintrag "Guglielmo Ratcliff", doch was ist mit der berühmten "Cavalleria Rusticana"? Mussorgskij ist immerhin mit dem "Boris Godunov" vertreten, dafür fehlt Rimsky-Korsakov gänzlich, ebenso wie Hans Pfitzner und viele andere.

Eine derartige Komponisten- und Werkauswahl evoziert zwangsläufig die Frage danach, was eigentlich mit der CD bezweckt worden ist, an welches Publikum sie sich richtet, und welche Auswahlkriterien ihr zugrundelagen. Und hier gibt die Einführung einige Aufschlüsse, die manches zumindest erklären: Angestrebt wurde eine Sammlung von Libretti, deren älteste Beispiele durch den Beginn der Operngeschichte festgelegt sind. Schwieriger verhielt es sich für den Herausgeber mit dem zeitlichen Abschluß. Aus urheberrechtlichen Gründen, konnten nur Werke von Librettisten und Übersetzern berücksichtigt werden, die bereits seit 70 Jahren verstorben sind. Auf den Erwerb von Lizenzen für jüngere Werke wurde aus Kostengründen verzichtet. Dies erklärt vor allem die auf den ersten Blick sonderbaren und unsystematisch erscheinenden Lücken im 20. Jh., u.a. auch das Fehlen der "Madama Butterfly" sowie der Werke von Leos Janácek. Nicht erklärt wird damit aber die Auswahl für das 19. Jh. und die früheren Phasen. In dieser Frage weist der Herausgeber darauf hin, daß man einen "repräsentative[n] Längsschnitt" (Einführung, S. 25) habe bieten wollen, "der sowohl die verschiedenen Entwicklungsphasen wie die miteinander konkurrierenden Strömungen des Opernschaffens zu erfassen sucht" (ebd.). Insofern habe man sich nach der Aufführungsstatistik der vom "Deutschen Bühnenverein - Bundesverband deutscher Theater" jährlich publizierten Werkstatistik gerichtet, d.h. der Schwerpunkt der CD liegt klar auf den zur Zeit meistgespielten Bühnenwerken - und damit ist auch die Frage nach dem intendierten Publikum der CD geklärt: Sie richtet sich an den interessierten. Opernbesucher ("zur Vorbereitung auf einen Opernbesuch", vgl. Einführung S. 22). Um den damit vorgegebenen Kanon von nur ca. 20 Komponisten zu erweitern, wurden darüber hinaus auch "historisch bedeutsame Werke, die sich nicht oder kaum mehr auf den Spielplänen finden" (Einführung, S. 26), aufgrund von Opernführern und Lexika miteinbezogen sowie ferner eine Reihe von Singspielen, Melodramen und Operetten, so daß der Kanon auf ca. 75 Komponisten erweitert werden konnte. Der Schwerpunkt der CD liegt auf Opern aus dem deutschsprachigen Raum, da gerade Übertragungen aus dem 17. und frühen 18. Jh. sprachlich nicht mehr den aktuellen Anforderungen an Übersetzungen genügen, weshalb man in diesen Fällen sehr selektiv vorging (Einführung, S. 26f.).

Diese Auswahl mag die Bedürfnisse des interessierten Opernfreundes im Großen und Ganzen befriedigen "als Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten" ("zur schnellen und unkomplizierten Recherche in großen Textbeständen", Einführung S. 22) genügt sie nicht und ist sie auch nicht konzipiert. In diesem Fall hätte man sich eine größere - natürlich nie erreichbare - Vollständigkeit erwünscht. Obwohl zahlreiche Operntexte nicht von den Komponisten selbst stammen, sondern von eigenen Librettisten, erscheinen die Werke unter den Namen der Komponisten. Der Herausgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Werke in der Regel unter dem Namen der Librettisten kaum bekannt sind und somit nur schwer zu finden wären. Trotzdem verfolgt er mit der CD auch das Ziel, das Opernlibretto als eigenständige Kunstform schärfer zu konturieren und mehr in das Zentrum des Interesses zu rücken. Es geht ihm um die Erschließung des Librettos als Gattung und darum, Anregungen für die separate Lektüre auch unbekannterer Texte zu geben. Diesem Ziel dient die von Markus Finkbeiner verfaßte Einführung, die einen kurzen Abriß einer "Geschichte des Librettos" bietet.

Die CD-ROM bietet die Operntexte in Originalsprache sowie - wenn erforderlich - mit einer deutschen Fassung. Die Komponisten sind im Inhaltsverzeichnis alphabetisch geordnet. Unter den jeweiligen Lemmata findet man die Werke in chronologischer Folge, zunächst die Originalversionen, dann die deutschen Übersetzungen. Die Texte selbst gliedern sich in Personen, Akte und Szenen, wodurch ein schnelleres Springen erleichtert wird. Darüber hinaus bietet die CD die aus der "Digitalen Bibliothek" bekannten komfortablen Bearbeitungsinstrumente. Bei der Suche nach Begriffen sollte stets die schreibweisentolerante Suche aktiviert sein, da viele Texte auf älteren Editionen basieren, deren Schreibweisen oft nicht mehr den modernen Konventionen entsprechen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
rda_languageOfExpression_redig