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Titel
Against Aid. A History of Opposition to US Foreign Aid Spending


Autor(en)
Taffet, Jeffrey F.
Erschienen
New York 2021: Routledge
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
€ 138,00; $ 128.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Adrian Franco, Institut für Geschichte, Technische Universität Darmstadt

Filmregisseur Luis García Berlanga zeichnete mit dem Film "¡Bienvenido, Mister Marshall!" (1953) eine Karikatur der franquistischen Nachkriegsgesellschaft: Die Bewohner:innen eines andalusischen Dorfes hegen Hoffnungen auf Kapitalhilfen aus dem European Recovery Program. Die Enttäuschung ist groß, als der nordamerikanische Konvoi durch die Ortschaft rast. Anders als Berlanga nimmt der Historiker Jeffrey Taffet in seiner Studie Against Aid. A History of Opposition to US Foreign Aid Spending die politischen Entscheidungsträger:innen über Kapitalhilfen in Washington in den Blick und sieht von einer lokalhistorischen Dimension ab. Explizit ideengeschichtlich (S. 2) und erklärt politikhistorisch (S. 199f.), erläutert Taffet, wie sich der Widerstand gegen Kapitalhilfen im Kongress während der Regierungen von Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon zusammensetzte, mit Ausblicken auf die Regierung Carter. Die Langzeitstudie verfährt chronologisch.

Jeffrey Taffets Studie liest sich als Erweiterung zu seinem Werk "Foreign Aid as Foreign Policy", welches sich der Geschichte des Hilfsprogrammes Alliance for Progress in den 1960er-Jahren widmet.1 Taffet vertieft dabei innenpolitische Perspektiven. Im Wesentlichen sind dies Konfliktlinien zwischen Kongress und Regierung bei der jährlichen Bewilligung von Haushaltsmitteln für Kapitalhilfen. Antikommunistische Interessengruppen jenseits des Kongresses, wie das Citizen’s Foreign Aid Commitee, finden Erwähnung (S. 99–107).

In den Kapiteln zwei und drei vertritt Taffet die These, dass sich Ende der 1940er-Jahre ein grundsätzlicher Konsens zwischen Regierung und Kongress herausgebildet habe, dass Kapitalhilfen ein staatliches Machtmittel im Wettbewerb um Einfluss mit der UdSSR seien. Dieser Konsens habe sich bis in die 1970er-Jahre gehalten und habe erst die Auseinandersetzung mit Budgetentwürfen der Regierung und Gegenpositionen ermöglicht: Demokraten wie Henry Wallace setzten sich gegen die Regierung Truman für die Ausweitung von Hilfsprogrammen auf osteuropäische Staaten ein (S. 52–57). Gleichzeitig kritisierte der republikanische Senator Robert Taft die Ausweitung staatlicher Machtressourcen durch Kapitalhilfen (S. 89–90). Taffet bezieht die medienwirksame Kritik in der Öffentlichkeit ein: So fachten Bestseller wie The Ugly American (1958) von William Lederer und Eugene Burdick eine Debatte über die Effizienz von Hilfen an (S. 96–99).

In den Kapitel vier und fünf rücken der konservative demokratische Abgeordnete Otto Passman und der liberale demokratische Senator Wayne Morse in den Mittelpunkt von Einzelstudien: Taffet vollzieht nach, wie Passman als Vorsitzender des Subcommitee on Foreign Operations Appropriations mit einer parteiübergreifenden Unterstützung bei der Kürzung von Haushaltsmitteln rechnen konnte (S. 132f.). Taffet zufolge konnte Passman seinen Parteigenossen Kennedy deshalb kritisieren, weil er staatliche Kapitalhilfen im In- wie im Ausland grundsätzlich als ineffizient und verschwenderisch gebrandmarkt habe (S. 124–129). In der Studie wird Passmans Kritik an den Ausgaben des Staates als eine von zwei wirkmächtigen Positionen im Kongress charakterisiert.

Mit dem Senator Wayne Morse benennt Taffet eine weitere, maßgebliche Kritik an Kapitalhilfen im Kongress. Diese entzündete sich, anders als bei Passman, an moralischen Einwänden für autokratische Regime. Morse sei im Senate Foreign Relations Committee zu der Ansicht gelangt, dass Kapitalhilfen einer moralischen Begründung bedürften und dass die Vereinigten Staaten keine Hilfen für Autokratien gewähren sollten (S. 150–154). Wie Taffet anhand von Anhörungen im Senat in den Jahren 1963–1967 belegt, koppelte sich die Kritik an Kapitalhilfen an eine Kritik am Vietnamkrieg und an der Unterstützung für die Regierung Südvietnams im Besonderen. In der Folge von Morses moralischer Kritik seien reformistische Positionen im Kongress untergraben worden und eine grundlegende Ablehnung von Kapitalhilfen sei erstarkt (S. 155). In den Augen vieler Kongressmitglieder bargen Kapitalhilfen hohe Risiken für die Reputation der Vereinigten Staaten, indem sie zu Kooperationen mit anderen Regierungen zwangen.

Taffet erklärt nicht, über welche Netzwerke und Informationsquellen Otto Passman und Wayne Morse verfügten. Überzeugend ist, dass er sowohl die Konsistenz von Positionen beschreibt, aber auch Differenzierungen vornimmt: so habe die Regierung Eisenhower erst nach dem Tod Stalins zu einer befürwortenden Haltung gegenüber Kapitalhilfen gefunden (S. 86–90), während der Senator William Fulbright mit dem Verlauf des Vietnamkrieges eine kritische Position gegen Kapitalhilfen eingenommen und dennoch das Budget der Regierung Johnson gestützt habe (S. 157–159). Beide Kapitel machen sich dafür stark, die jährlichen Haushaltsverhandlungen als Machtinstrument für Kritiker:innen zu verstehen. Damit hebt die Studie die Handlungsmacht des Parlaments gegenüber der Regierung, staatlichen Behörden und Hilfsorganisationen hervor. Im Anhang werden die Haushaltsbewilligungsverfahren von 1954 bis 1969 aufgelistet.

Das Kapitel sechs stellt fest, dass Nixon seinen Budgetentwurf für Kapitalhilfen 1969 erstmalig gekürzt habe und damit dem Kongress entgegengekommen sei (S. 175–178). Trotzdem wurde die Abstimmung über den Haushaltsentwurf der Regierung 1971 parteiübergreifend verloren und zwang zu Reformen. Differenziert erklärt Taffet den Vorgang und bezieht in die Argumentation weitere außenpolitische Krisen ein (S. 179–185). Mit der Abstimmung 1973 habe der Kongress neue Kriterien für Kapitalhilfen durchgesetzt und einerseits moralische Bedingungen an Hilfsleistungen geknüpft, die auf die Verwehrung von Geldern für autokratische Regime zielten. Andererseits wurde das Konzept der basic human needs eingeführt (S. 188–192). Letzterem zufolge sollten humanitäre Hilfsprogramme finanziert werden und keine längerfristigen Projekte. Mit diesem Paradigmenwechsel, von Kapitalhilfen als Machtinstrument hin zu einer auf humanitäre Notsituationen beschränkten Hilfe, schließt die Langzeitstudie.

Die Begrenzung auf nordamerikanische Quellen wurde bereits hinsichtlich des Vorgängerwerkes festgestellt und lässt sich erneut kritisieren: Taffet begibt sich nicht auf die Suche nach Überlieferungen bei den Empfängern von Kapitalhilfen.2 Diese Länder kommen nur punktuell zur Sprache (S. 87–90). Eigeninteressen, etwa von Unabhängigkeitsbewegungen in der Zwischenkriegszeit, bleiben außen vor.3 In der Konsequenz sieht Taffet davon ab, globalhistorische Verflechtungen zu betrachten. Der Einfluss nordamerikanischer, global vernetzter Hilfsorganisationen tritt ebenso wenig in Erscheinung.4 Dies mag erklären, weshalb sich die Analyse auf Kapitalhilfen im Sinne von Haushaltstiteln beschränkt und keine weitere Differenzierung auf Ebene der Umsetzung von Projektvorhaben vornimmt.

Auf ein geschichtspolitisches Motiv der Studie ist besonders einzugehen. Wie Taffet ausbreitet, sei mit der Regierung Trump eine Konjunktur des Isolationismus zu beobachten: „Ideas that called for more limited global engagement and responsibility, and that were concerned with the domestic costs of globalization, were becoming increasingly powerful.“ (S. 3) Doch wie Taffet relativiert, begleite eine solche Kritik die Politikgeschichte der Vereinigten Staaten seit der Nationalstaatsbildung (S. 4). Die Studie kann als Beitrag zu einer öffentlichen, kontrovers geführten Debatte gelesen werden.5

Vor diesem Hintergrund lässt sich die Ausrichtung des ersten Kapitels verstehen, das bislang noch nicht zur Sprache kam: In einer doppelten Rückführung auf den Diskurs um eine staatliche Wirtschaftspolitik einerseits (S. 11–16) und den Diskurs um eine interventionistische Außenpolitik andererseits (S. 16–39) schlägt Jeffrey Taffet lange Zeitläufte für eine Kritik an Kapitalhilfen vor. Ein besonderes Augenmerk erfährt die inneramerikanische Debatte um Kapitalhilfen für Europa in der Zwischenkriegszeit. Kritische Positionen im Kongress haben demnach Kapitalhilfen abgelehnt, um eine erneute kriegerische Verwicklung der Vereinigten Staaten in die als fragil verstandene europäische Nachkriegsordnung zu vermeiden (S. 27–39).

Die jüngste Konjunktur an Militär- und Kapitalhilfen im Zuge des Krieges gegen die Ukraine legt es nahe, auf die gegenwärtige Rolle des Parlaments Bezug zu nehmen: Im Kongress überwiegt bislang die Zustimmung zu Hilfsleistungen der Regierung Biden für die Ukraine. Diese Hilfsleistungen erfolgen bislang in Abstimmung mit den internationalen Partnerländern der Vereinigten Staaten in der NATO und auf G7-Ebene.

Anmerkungen:
1 Jeffrey F. Taffet, Foreign Aid as Foreign Policy. The Alliance for Progress in Latin America, London 2007, S. 39–43.
2 Torsten Loschke, Rezension zu: Jeffrey F. Taffet, Foreign Aid as Foreign Policy. The Alliance for Progress in Latin America, New York 2007, in: Connections. A Journal for Historians and Area Specialists, 23.07.2010, https://www.connections.clio-online.net/publicationreview/id/reb-13511 (11.05.2023).
3 Manela Erez, The Wilsonian Moment. Self-determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism, Oxford 2007.
4 Heike Wieters, The NGO CARE and Food Aid from America, 1945–80. 'Showered with Kindness'?, Manchester 2020.
5 Julian Zelizer, What I Learned When Trump Tried to Correct the Record, in: The Atlantic, 04.04.2022, https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/04/trump-interview-a-first-historical-assessment/629454/ (11.05.2023).

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