Cover
Titel
Die Habsburger. Aufstieg und Fall einer Weltmacht


Autor(en)
Rady, Martyn
Erschienen
Anzahl Seiten
624 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Raffeiner, Bozen

Ein Blick in die historische Abteilung der Büchereien und Buchhandlungen reicht aus, um zu erkennen, dass Darstellungen und Druckerzeugnisse rund um die Habsburger und ihr großes Imperium einen wahrhaften Boom erleben. Martyn Radys vorliegendes, reich bebildertes Werk kann als wissenschaftlich wertvoller Teil dieses Booms betrachtet werden. In seinem Untertitel weist der Autor, seines Zeichens emeritierter Professor für Mitteleuropäische Geschichte am University College London, darauf hin, dass er mit den Anfängen der späteren Kaiserdynastie einsetzt und auch seinen Bogen, Ausblicke ins 20. und 21. Jahrhundert wagend, weit spannt und folglich ein gutes Jahrtausend europäischer und globaler Geschichte umreißt. Ein gewisser thematischer Schwerpunkt liegt auf den letzten beiden Jahrhunderten habsburgischer Herrschaftsgeschichte.

Rady, ein vortrefflicher Beobachter und Autor, geht davon aus, dass die Habsburger zu den bedeutendsten europäischen Herrscherfamilien zu zählen sind. Sein Anliegen ist es, das Habsburgerreich zu erklären, die subjektiven Absichten der Machthaber und auch ihre Ziele, Pläne und Rückschläge herauszuarbeiten. Es ist für ihn auch nicht von der Hand zu weisen, dass dieses Reich als ein erstes globales Unternehmen anzusehen ist. Immerhin befanden sich im Herrschaftsbereich der Habsburger zeitweilig auch Territorien in der Neuen Welt. Der Autor ist darum bemüht, die Familie und ihre Herrscher mit Titeln und Gebieten darzustellen. So ist es keineswegs falsch, wenn man sein Buch im Wesentlichen als eine altehrwürdige Politik- und Dynastiegeschichte bezeichnet. Positiv ist festzustellen, dass der Autor stringent den roten Faden knüpft und diesen durch kulturwissenschaftlich inspirierte Darstellungen aus den Bereichen bildender Kunst und Architektur anreichert. So ging es den Habsburgern nicht immer um die Erlangung, sondern auch um Legitimierung und Absicherung der Macht. Visuelle Manifestationen spielten dabei eine große Rolle.

Rady folgt der Geschichte der Familie Habsburg von deren Anfängen im späten 10. Jahrhundert. Durch den Aufstieg Rudolfs I. zum deutschen König gelang ihnen ein Quantensprung. Die damit verbundene Kaiserwürde im Heiligen Römischen Reichs brachte selbstredend Kontrahenten und Herausforderer aus anderen Herrscherhäusern mit sich. Auch wenn die berühmte Heiratspolitik Habsburgs ab 1500 sich als risikoreich erwies, brachte sie zählbare Errungenschaften in Form großer Erbmassen mit sich. Territorial gesehen können das verwaiste Königreich Ungarn und das nach Übersee expandierende Spanien hier genannt werden.

Als Karl V. – in dessen Reich, in Anspielungen auf die überseeischen Besitzungen, „die Sonne nie unterging“ – abdankte, erfolgte die Erbteilung in die österreichische und spanische Linie. Rady behandelt beide Linien gleichrangig. In weiterer Folge skizziert er anschaulich die Rolle der Familie im Dreißigjährigen Krieg als einem ersten globalen Konflikt. Ab dem 18. Jahrhundert rückten rein dynastische Fragen in den Hintergrund, wichtiger wurden nun Fragen des state buildings. Dabei gelingt es dem akribisch genauen und mit der Materie bestens vertrauten Verfasser, die Reformen Maria Theresia und ihres Sohnes Joseph II. sehr anschaulich herauszuarbeiten. Ein eigenes, besonders eindrucksvolles Kapitel ist den Frauen des Hauses Habsburg gewidmet, ein weiteres dem persönlichen Verhältnis der Herrscher zu Strömungen und Tendenzen ihrer Zeit, bis hin zum Zerfall des Reichs im November 1918.

Der Text ist exzellent formuliert, Übersetzer Henning Thies erwies sich als kongenialer Partner des Autors. Komplexe Sachverhalte werden kurz und konzise dargestellt. Beinahe 30 chronologisch-zusammenhängende Buchabschnitte werden dem Leser präsentiert, Kartenmaterial und Stammbäume erweisen sich als Pluspunkte des Werkes. Wer sich für die Geschichte der Habsburger interessiert, erlebt mit dem Radys Buch sicher keine Enttäuschung. Man kann das Buch in einem Guss und mit Genuss lesen.

Ohne Zweifel haben die Habsburger weite Strecken lang das Bild Europas nachhaltig mitgeprägt. Mit einem Augenzwinkern kann man die Aussage des Autors zur Kenntnis nehmen, wonach ein weiterer nach 1918 regierender Habsburger die damaligen Entwicklungen zumindest nicht verschlimmert hätte.

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