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Titel
Voluntas Militum. Community, Collective Action, and Popular Power in the Armies of the Middle Republic (300–100 BCE)


Autor(en)
Machado, Dominic M.
Reihe
Libera Res Publica
Anzahl Seiten
342 S.
Preis
€ 28,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mathis Hartmann, Historisches Institut / Alte Geschichte, Ruhr-Universität Bochum

Geradezu programmatisch greift Dominic M. Machado im Titel seiner hier zu besprechenden Monographie ein Diktum Ciceros (Mur. 38) zum Willen der Soldaten, voluntas militum, auf. Denn es sind die römischen Soldaten, nicht etwa Feldherrn und Aristokraten, die der Autor als Akteure in den Vordergrund seines Buches rückt, das die deutlich erweiterte Fassung seiner Dissertation aus dem Jahr 2017 darstellt. Durchaus ambitioniert positioniert Machado seine Studie in der Einleitung als eine wissenschaftliche Intervention („scholarly intervention“, S. 21), die ein Korrektiv zur herkömmlichen Wahrnehmung der Armeen des 3. und 2. Jahrhunderts biete (S. 22). Er vertritt dabei die These, dass die Armeen der mittleren Republik als soziale Interaktionsräume dienten, aus denen Gemeinschaften entstanden, die wiederum zu kollektiven Handlungen fähig waren und für ihre eigenen Interessen einstanden (S. 20–22). Damit nimmt Machado sozialhistorische Forschungsstränge zu den Legionen der Kaiserzeit auf, die in dieser Konsequenz noch nicht auf die republikanischen Armeen übertragen wurden.1 Zugleich reiht sich die Arbeit in die neuere Forschung zur mittleren Republik ein, die aktuell wieder vermehrt als eigenständige Epoche gezeichnet wird.2 Machado trägt zu diesen Ansätzen bei, indem er die mittlere Republik anhand militärhistorischer Kriterien als den Zeitraum zwischen 300 und 100 v. Chr. definiert. Als charakteristische Merkmale der Armeen dieser Periode identifiziert er den Einsatz im gesamten Mittelmeerraum, die taktische Grundordnung des Manipels und die Zusammensetzung aus römischen Bürgersoldaten und italischen Bundesgenossen (S. 23–28).

Das Buch lässt sich in zwei Teile mit insgesamt zehn Kapiteln aufspalten, die jeweils klar auf zentrale Thesen ausgerichtet sind. Im ersten Teil (Kapitel 1–4) versucht Machado nachzuweisen, dass die republikanischen Armeen des 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr. gemeinschaftliche Strukturen ausbildeten. Er verfolgt diesen Ansatz mithilfe soziologischer Konzepte sowohl auf der Ebene ganzer Legionen als auch einzelner Einheiten, beleuchtet die Gemeinschaften römischer Bürgersoldaten, italischer Bundesgenossen sowie weiterer Auxiliarkontingente und widmet auch nichtsoldatischen Akteurinnen und Akteuren im Umfeld der römischen Armeen viel Aufmerksamkeit. Teilweise führt die Akzentuierung des Stellenwerts subalterner Gruppen aber zum Negieren des Einflusses der Elite. So erklärt Machado die taktische Eigenständigkeit der Manipel auch mit der eigenwilligen Einschätzung, die meisten Kommandeure hätten über keine ausreichende militärische Expertise verfügt, da sie sich hauptsächlich mit Politik beschäftigten (S. 136). Abgesehen von den inhaltlichen Einwänden gegen dieses Urteil,3 verwundert gerade die klare Trennung zwischen politischer und militärischer Sphäre in einem Buch, das die politische Macht von Soldaten herausstellt.

In den Abschnitten, in denen die gemeinschaftlichen Identitäten der Soldaten untersucht werden (Kapitel 1–2), stößt die Arbeit angesichts des Mangels an Zeugnissen aus dieser Perspektive an die Grenzen der Überlieferung. Beim Versuch, diese Grenzen zu überwinden, lässt Machado stellenweise die quellenkritische Distanz fallen. So gründet er etwa seine These, dass das Lager metaphorisch als domus der Soldaten gefasst worden sei, auf eine Rede, die Livius (44,38–39) L. Aemilius Paullus am Vorabend der Schlacht von Pydna halten lässt (S. 55f.). Die entscheidende Frage, ob es sich dabei um ein authentisches Zeugnis des 2. Jahrhunderts v. Chr., oder ein livianisches Genrestück handelt, das vielmehr Mentalitäten des späten 1. Jahrhunderts v. Chr. wiedergibt, blendet er allerdings aus. Diese Zurückhaltung überrascht umso mehr, als den weiteren Reden aus dem Werk des Livius, die in der Untersuchung Erwähnung finden, unmissverständlich die Historizität abgesprochen wird.4 Des Weiteren bindet der Autor regelmäßig Quellenmaterial in seine Analysen ein, das Ereignisse außerhalb des eigentlich rigide abgegrenzten Untersuchungszeitraumes schildert; prominent vertreten sind etwa die frühe Kaiserzeit und gerade die Feldzüge Caesars, die in den ersten vier Kapiteln sehr häufig angeführt werden.5 Es scheint sich hierbei um Relikte der zugrundeliegenden Dissertation zu handeln, deren Untersuchungszeitraum bis 44 v. Chr. reicht. Inwiefern diese Zeugnisse Rückschlüsse auf die Armeen der mittleren Republik zulassen, bleibt aber zumeist offen. Die Problematik der Quellenlage wird erst im Fazit anerkannt (S. 292).

Im zweiten Teil der Untersuchung (Kapitel 5–8) wendet sich Machado den Handlungsspielräumen und kollektiven Handlungen der Soldaten der römischen Armeen in der mittleren Republik zu. Zunächst behandelt der Autor ökonomische Aspekte (Kapitel 5) und hebt insbesondre den Einfluss der Soldaten auf die Anhäufung und Verteilung von Beute hervor (S. 162–176). Im folgenden Kapitel untersucht er, inwiefern der Militärdienst den Soldaten Möglichkeiten zur Absicherung und Erweiterung ihres sozialen Status eröffnete. Aufschlussreich sind die Fallstudien zu den volones (S. 192–202), den im 2. Punischen Krieg aus Sklaven und Freiwilligen rekrutierten Truppenkontingenten, und den legiones Cannenses (S. 211–216). Anschließend werden die dezidiert politischen Handlungsspielräume der Soldaten in ihren Einsatzgebieten (Kapitel 7) und in Rom (Kapitel 8) analysiert, wobei der Schwerpunkt auf außerinstitutionellen Einflussnahmen liegt. So erörtert Machado etwa die Möglichkeiten, die öffentliche Meinung über Kommandeure und Feldzüge durch das Verbreiten, Verzerren oder Verschweigen bestimmter Informationen zu beeinflussen (S. 260–266 u. 284–289). In diesem Teil der Arbeit gelingt der anspruchsvolle Balanceakt, die Handlungsspielräume subalterner Gruppen zu betonen, ohne gesellschaftliche Machtverhältnisse auszublenden. Damit erweitert die Studie nicht nur das Verständnis des Einflusses römischer Soldaten, sondern liefert Denkanstöße für die Forschung zur römischen Republik insgesamt.

Stellenweise wäre indes größere Sorgfalt beim Redigieren des Manuskripts angezeigt gewesen. Neben gelegentlichen orthographischen und syntaktischen Fehlern gilt dies insbesondre für antike wie moderne Eigennamen und Werktitel.6 Abbildung 6 (S. 59) zeigt nur das Avers eines Denars, obwohl sich die Analyse im Fließtext ausschließlich auf das Revers bezieht. Ohne eine systematische Prüfung vorzunehmen, sind dem Rezensenten bei der Lektüre mehrere Publikationen aufgefallen, die als Kurztitel in den Fußnoten angeführt werden, im Literaturverzeichnis – dessen alphabetische Sortierung an einer Stelle durcheinandergerät – aber fehlen.7 Zu begrüßen ist dagegen die der Reihe eigene moderate Preisgestaltung, die das Buch einem breiten Publikum und gerade auch Studierenden zugänglich macht. Dazu trägt auch bei, dass die meisten Quellenzitate sowohl in Originalsprache als auch in englischer Übersetzung angeführt werden, die der Autor größtenteils selbst vorgenommen hat.

Insgesamt legt Machado damit ein thesenreiches Buch vor, das in manchen Abschnitten seinem Paradigma des Einflusses subalterner Gruppen zwar zu sehr verpflichtet ist, nichtsdestoweniger aber eine innovative und erhellende Perspektive auf die Armeen der mittleren Republik bietet. Ohne die Debatte zur Bedeutung demokratischer Strukturen im römischen Gemeinwesen wieder aufflammen zu lassen, verdienen es diese Ansätze, auch in die Forschung zur politischen Kultur der Republik zumindest als Denkanstöße aufgenommen zu werden. Der Monographie ist somit eine große Leserschaft zu wünschen, weshalb ihre Lektüre allen, die sich für die Militär-, Sozial- und Politikgeschichte der römischen Republik interessieren, empfohlen sei.

Anmerkungen:
1 S. mit weiterführender Literatur Elizabeth M. Greene, Roman Military Communities and the Families of Auxiliary Soldiers, in: Lee L. Brice (Hrsg.), New Approaches to Greek and Roman Warfare, Hoboken 2020.
2 S. z. B. die Beiträge und besonders die Einleitung der Herausgeber in Seth Bernard / Lisa Marie Mignone / Dan-el Padilla Peralta (Hrsg.), Making the Middle Republic. New Approaches to Rome and Italy, c.400–200 BCE, Cambridge 2023; Alessandro D’Alessio u. a. (Hrsg.), Roma medio repubblicana. Dalla conquista di Veio alla battaglia di Zama. Atti del convegno internazionale, Roma, 5-6-7 aprile 2017, Rom 2020.
3 Eine ausgewogenere Einschätzung bietet Michael Taylor, Generalship and Knowledge in the Middle Roman Republic, in: Richard Evans / Shaun Tougher (Hrsg.), Generalship in Ancient Greece, Rome and Byzantium, Edinburgh 2022, S. 86–97.
4 S. 76, Anm. 39: „While the speech delivered by Marcellus here is clearly a Livian invention […]”; S. 197: “Not only does the fact that the conjunction appears as direct speech indicate that the words are Livy’s rather than Gracchus’ […]”.
5 S. 59–60; 62, Anm. 109; 73; 102, Anm. 24; 103, Anm. 32; 106, Anm. 53 u. 56; 107; 116; 119; 121, Anm. 133; 142, Anm. 42; 145; 146, Anm. 57; 150–151.
6 S. z. B. S. 49, Anm. 45: „Xenophophon’s Anabasis”; S. 82: „Maecdonian“; S. 90: „Chainotis“; S. 136, Anm. 46: „Mommsen’s Romishe Staastrecht“; S. 197, Anm. 36: „Koortboijian”; S. 206: „Caso Cantavios”; S. 287: „Oxyrhyncus”.
7 „Collins-Elliott 2014“ (S. 226, Anm. 21); “Adamesteanu 1969” (S. 236, Anm. 69) und “Cagniart 2007” (S. 297, Anm. 10 u. 11) fehlen im Literaturverzeichnis. “Worchel and L. W. Austin (2017)” und “Worchel and L. W. Austin (2020)“ sind unter dem Buchstaben T angeführt (S. 329).

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