A. Titze (Hrsg.): Geschichte der elektrischen Kommunikation bis zum Smartphone

Cover
Titel
Geschichte der elektrischen Kommunikation bis zum Smartphone. Technik, Kultur, Gesellschaft


Herausgeber
Titze, Anja
Reihe
Bochumer Studien zur Technik- und Umweltgeschichte
Erschienen
Anzahl Seiten
349 S.
Preis
€ 34,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Krebs, Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History, Esch-sur-Alzette

Der vorliegende Band entstand aus einer Vortragsreihe im Begleitprogramm der Sonderausstellung „Wege zum Smartphone. Zur Kultur- und Technikgeschichte der Kommunikationsmedien“, die 2017/18 im Historischen Museum Hannover gezeigt worden ist. Versammelt sind darin 15 Beiträge, die verschiedene Kommunikationsmedien vom Telegrafen bis zum Smartphone aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven beleuchten.

In ihrem Einleitungsbeitrag schlagen Anja Titze und Wolfgang Mathis, die beide dem Kuratorenteam angehörten, einen großen Bogen vom Telegrafen über Telefon, Radio, Fernseher, Fotoapparat, Film und Kino, Plattenspieler und Tonbandgerät zum Großrechner und schließlich dem Smartphone. Erzählt wird dieser Bogen als eine Art lineare Fortschrittsgeschichte, während Brüche und Diskontinuitäten wenig vorkommen. Dies führt dazu, dass schon die Telegrafie als digitales Medium vorgestellt wird sowie die Speicherungen von Tonbandgerät und RAM gleichgesetzt werden, ohne auf die unterschiedliche Logik von analoger, nur linear möglicher Speicherung wie Auslesung und der „zufälligen“ Auswahl der Speicherplätze im RAM-Speicher zu verweisen. Inwiefern Foto und Film zudem in die Reihe elektrischer Kommunikation passen, außer dass heutige Smartphones eben auch Fotos und Filme aufnehmen und abspielen können, wird nicht weiter erläutert. Leider bleibt damit offen, warum die Geschichte der elektrischen Kommunikation scheinbar zielgerichtet auf das Smartphone zulief, obschon es andererseits gerne als Musterbeispiel für disruptive Innovationen herangezogen wird.

Die weiteren Beiträge widmen sich meist einzelnen Medien. Sie variieren stark in Länge und Form und sind zudem an verschiedene Lesergruppen gerichtet: Einige eher kürzere Beiträge sind erkennbar für ein breiteres Publikum geschrieben, während sich andere an Spezialisten der Technik- und Mediengeschichte wenden. So ist beispielsweise Wolfgang Königs knappe Zusammenfassung zu William Siemens‘ Projekten zur Verlegung transozeanischer Telegrafiekabel eine Synthese für ein allgemeines Publikum, die in aller Kürze die Anfänge globaler Kommunikationsnetze aufzeigt. Dagegen werden nicht in die Forschungsthematik eingeweihte Leser in Helmut Maiers Aufsatz zur Entwicklung der drahtlosen Telegrafie während des Ersten Weltkriegs schon aufgrund der Fülle an Institutionen und Akteuren, die kurz charakterisiert und in das Forschungsnetzwerk eingeordnet werden, schnell den Überblick verlieren. Dabei wäre dem Text, der sich unter anderem mit der wichtigen Frage nach der Mobilisierung beziehungsweise Selbstmobilisierung der Wissenschaften für den Krieg beschäftigt, ein breites Publikum zu wünschen.

Einige Beiträge schildern, wie die frühe deutsche Rundfunkgeschichte von lokalen Entwicklungen geprägt wurde: Wolfgang Mathis beschreibt den Bau eines Poulsen-Lichtbogensenders durch die Firma Lorenz in der Versuchsstation Eberswalde, während Lutz Dunker und Rainer Suckow die Rolle der Funksende- und Empfangsstation in Königs Wusterhausen als Wiege des Rundfunks schildern. Diese Kapitel wenden sich vor allem an Radioenthusiasten, die sich für eine eher intrinsische Technikgeschichte interessieren. Den entgegengesetzten Weg schlagen die beiden Texte von Lutz Hieber ein: Er schildert thesenartig in breiten Strichen die (bundes-)deutschen Rundfunk-Kulturen, von den Anfängen des Rundfunks 1923 zur Organisation der Rundfunkräte heute, und die Veränderungen unserer medial vermittelten Sehwahrnehmungen seit dem 16. Jahrhundert.

Während es in den vorherigen Beiträgen mehr um die Produktionsseite elektrischer Kommunikation ging, wendet sich Heike Weber in ihrem Beitrag der Nutzerperspektive zu. Sie untersucht Kontinuitäten und Unterschiede zwischen dem CB-Manifest von 1978 und den Forderungen nach einem freien Internetzugang, wie er im Wireless-Commons-Manifest 2001 formuliert wurde. Dabei ging es, wie sie aufzeigt, einerseits um den Kampf für eine möglichst freie Teilhabe an elektrischer Kommunikation, die ja im Fall des Rundfunks auf die Rezeption beschränkt war, und andererseits um damit verknüpfte technische Fragen zu mehr Kanälen oder höherer Sendeleistung für die Amateurfunker. Dabei changierte die CB-Community zwischen zwei sozio-kulturellen Polen: Den einen ging es um Freude an Technik, den anderen um eine partizipative und emanzipative Form der elektrischen Kommunikation.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der imaginierten Zukunft der Fernkommunikation in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (Georg Ruppelt) oder auch der zukünftigen Richtung der heutigen mobilen (Kommunikations-)Revolution, so die Zusammenfassung eines Expertengesprächs aus dem Rahmenprogramm der Ausstellung.

Insgesamt hinterlässt der Band einen zwiespältigen Eindruck. Er besticht unter anderem durch eine reiche Ausstattung mit zahlreichen farbigen Abbildungen oder den Abdruck des vollständigen CB-Manifests von 1978. Zugleich bleibt die Konzeption des Bandes uneindeutig, sind die Beiträge doch in Länge, Ausrichtung und adressierter Leserschaft sehr heterogen. So bleiben unter dem Strich einige interessante Beiträge, die sicher ihre Leser finden werden, während der Band als Ganzes nicht überzeugen kann.

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