Medialisierung von Kriegserfahrung

Medialisierung von Kriegserfahrung

Projektträger
Eberhard-Karls-Universität ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.01.2002 - 31.12.2004
Von
Requardt, Annika

1. Konzeption des Projektbereichs "Medialisierung von Kriegserfahrung"

Im Vordergrund des Projektbereichs D "Medialisierung von Kriegserfahrung" des Tübinger Sonderforschungsbereichs 437 "Kriegserfahrungen" steht die Vermittlung von Kriegserfahrung in Text- und Bild-Medien. Die Medienprodukte, die im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen, (Fotografie, Militärmalerei, Autobiografie, Roman, Stumm- und Tonfilm) bilden spezifische Kriege ab, vermitteln aber auch 'den Krieg' bzw. die Kriegserfahrung. Sie tun dies, indem sie Kriegserfahrungen qua Medienprodukt 'festhalten', d.h. bewahrend in das Erinnerungsarchiv überführen.

Zentral bei allen Teilprojekten ist die Frage nach den spezifischen Verfahren der ästhetischen Verarbeitung von Kriegserfahrung in unterschiedlichen medialen Zusammenhängen, und zwar in diachroner und synchroner Perspektive. Der Krieg ist zunehmend zum medial vermittelten Ereignis geworden; medialisierte Kommunikationsprozesse haben die Kriegsführung wie auch die Vermittlung der Kriegserfahrung an Zeitgenossen und nachfolgende Generationen entscheidend geprägt. Medien vermitteln aktuelle Kriegserfahrungen, halten aber auch Repräsentationen vergangener Kriegserfahrungen verfügbar und wirken damit am Aufbau eines kollektiven Gedächtnisses von Krieg im Allgemeinen bzw. von bestimmten Kriegen mit. Dem Projektbereich liegt das Bemühen um eine kulturhistorisch ausgerichtete Medienforschung zugrunde, die der Frage nachgeht, wie kollektiv relevantes Wissen über den Krieg zeit- und medienspezifisch kodiert und in jeweils zu konkretisierenden Kommunikationszusammenhängen vermittelt wird. Die zeichenhafte Vermittlung von Kriegserfahrung wird in ihren vielfältigen Formen und Kommunikationssituationen zwischen verschiedenen Sendern und Adressaten mit jeweils unterschiedlichen Kommunikationsabsichten analysiert.

Die Textanalyse der Medienprodukte erfolgt - mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung - auf drei Ebenen: der semantischen Ebene (Referentialität), der ästhetischen Ebene (Vermittlungsformen) sowie der selbstreferentiellen Ebene (Medienreflexion). Die stets historisierende Betrachtung der inhaltlichen Referenzbereiche, ästhetischen Vermittlungsstrategien und medienreflexiven Elemente erlaubt verallgemeinernde Aussagen über die medialen Konstruktionen von Kriegserfahrung. Ziel der Einzeluntersuchungen ist es, diese Konstruktionen nicht nur zu beschreiben, sondern ihre sinnstiftende Funktion zu erfassen. Es geht also darum, ihren Beitrag zur Ausbildung, Affirmation und ggf. Dekonstruktion von den Krieg betreffenden Erfahrungsmodellen darzustellen.

Es ist zu betonen, dass es sich bei Medialisierungen von Kriegserfahrung nicht um nachgeordnete Produkte in einem sich linear entfaltenden Prozess von Kriegsverarbeitung handelt. Medialisierungen sind vielmehr immer bereits Teil der Kriegswahrnehmung und der sich für den Krieg ausbildenden Wirklichkeitsmodelle. Kollektive Wissens- und Gedächtnisdiskurse werden kontinuierlich mitbestimmt und wirken wiederum auf weitere nachfolgende Medienprodukte und -produzenten zurück. Literarische und visuelle bzw. audiovisuelle Texte, die Kriegserfahrung medialisieren, sind Artefakte, die zwar mit unterschiedlichem Abstand zu Kriegsereignissen stehen, aber immer als Vergegenständlichung und Vergegenwärtigung von Kriegserfahrung fungieren. Es lässt sich festhalten, dass grundsätzlich jede Medialisierung von Kriegserfahrung eine Doppelfunktion hat: Einerseits wird Erfahrung verarbeitet und vermittelt, wobei Medialisierungen wesentlich schon im Prozess der Erfahrungskonstitution selbst wirksam sind. Andererseits werden über Medienprodukte Erfahrungsmöglichkeiten auch erst konstituiert - und dies häufig in deutlicher Distanz zu einer 'lebensweltlichen' Kriegserfahrung bis hin zu rein imaginären Vergegenwärtigungen des Krieges.

Den Untersuchungen des Projektbereichs D liegt also die Prämisse zugrunde, dass Medien maßgeblich an der Konstruktion von Erfahrung(en) beteiligt sind. Dieses erfahrungskonstituierende Moment der Medialisierung erfolgt u.a. über Erinnerungsdiskurse und speziell den Aufbau eines symbolischen Archivs der Kriegsrepräsentation, das im Zusammenhang lebensweltlicher Kriegserfahrung, aber auch bei künstlerischer Kriegsdarstellung in unterschiedlicher Weise aktiviert werden kann.

Ein Resultat solcher Konstruktionsprozesse ist ein ständiger Wandel in der individuellen und kulturellen Verarbeitung von Kriegserfahrung; des weiteren führt die Vielfalt der medialen Verarbeitungen von Krieg zu einer synchronen Pluralität der Repräsentationen und Sinnzuweisungen, die auch konkurrierende Kriegsbilder und -deutungen innerhalb eines Mediums oder verschiedener Medien einschließt.

Die Prozesse und Produkte der Medialisierung von Kriegserfahrungen werden in ihren jeweiligen gesellschaftlich-diskursiven Zusammenhängen, ihren gesellschaftlichen Instrumentalisierungen und/oder künstlerischen und literarischen Interpretationen sowie insbesondere in Hinblick auf ihre jeweilige Medienspezifik analysiert. Dies geschieht für einen Untersuchungszeitraum vom 19. bis in das späte 20. Jahrhundert, denn mit der zunehmenden Dominanz der visuellen und audiovisuellen Medien im 20. Jahrhundert ist der Krieg zu einem Medienereignis geworden, das heute zumindest in westlichen Kulturen vielen Menschen vorrangig als ein solches Medienereignis bewusst ist.

2. Schwerpunkte der einzelnen Projekte

"Die offizielle deutsche Militärmalerei im 19. Jahrhundert" (Susanne Parth)

"(Vor-)Bilder vom Krieg in britischen Jugendromanen für Mädchen und Jungen, 1870 bis 1939" (Dorothea Flothow)

"(Re-)Generation der Erfahrungen: Fiktionalisierung des Ersten Weltkriegs in narrativer Literatur und Filmkunst Britanniens, 1919-1999“ (Prof. Dr. Barbara Korte, Dr. Ralf Schneider, Dr. Claudia Sternberg)

"Verbildlichung des Krieges im amerikanischen Stummfilm, 1898-1930" (Annika Requardt)

"Der Zweite Weltkrieg im sowjetischen Spielfilm und dessen Rezeption in der DDR, 1945-1965" (Dr. des. Lars Karl)

"Fotografie und Krieg" (Agnes Matthias)