Autor(en): | Ivanovič Butakov, Aleksej |
Titel: | Tagebuch der Aralsee-Expedition 1848/49. Übersetzt und hg. von Max-Rainer Uhrig, mit einem Dokumentenanhang |
Ort: | Zell |
Verlag: | Edition Buran |
Jahr: | 2008 |
ISBN: | 3000251871 |
Umfang/Preis: | 138 S. |
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Jörn Happel, Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte, Universität Basel, Historisches Seminar
E-Mail: <joern.happel
Im Vorfeld der russischen Eroberung Zentralasiens erkundete vor 160 Jahren ein damals erst 32jähriger Oberleutnant den Aralsee, der bekanntlich heute akut vom Versalzen bedroht ist. Mit seinem Tagebuch und den genauen Vermessungsdaten und Beschreibungen der Landschaft gelingt eine Reise zurück in eine längst ausgetrocknete Welt. Der Herausgeber Max-Rainer Uhrig hat in Archiven gearbeitet und, so weit es möglich war, ist er den Spuren des jungen Offiziers auch gefolgt: 1848/49 hatte Aleksej Ivanovič Butakov (1816–1869) den Aralsee im offiziellen Auftrag bereist, vermessen und täglich darüber Buch geführt. Dieses einzigartige Zeugnis einer Expedition auf und rund um den See hat Uhrig erstmals in das Deutsche übersetzt und kommentiert. Besonders gelungen ist dabei der Anhang, in den Uhrig neben einer kommentierten Bibliographie Texte, Abbildungen und Karten aufgenommen hat. Die Dokumententexte ergänzen Butakovs nüchternen Bericht vom Aralsee, etwa durch den Brief des Offiziers an seine Eltern, in dem Butakov von einer Tigerjagd berichtet. Sechs Abbildungen und fünf Karten runden das Buch schliesslich ab.
Max-Rainer Uhrig ist ein wunderbares Buch gelungen. Bei dem «Tagebuch der Aralsee-Expedition» handelt es sich nicht nur um ein Selbstzeugnis eines zarischen Offiziers im Auftrag der russischen Marine und um ein Dokument, das über die einstige (Wasser-)Pracht des Sees berichtet. Das Tagebuch gibt auch Aufschluss darüber, wie genau sich das Zarenreich ein Bild von Regionen machte, die es sich kurz zuvor oder kurz danach einverleibt hatte. Uhrig ruft ein einzigartiges, beinahe vergessenes Dokument in Erinnerung, das von der europäischen Eroberung unbekannter Welten erzählt. Auch der berühmte ukrainische Dichter Taras Ševčenko war Teilnehmer der Expedition und ein begnadeter Maler, der einige Reise-Impressionen zeichnete, von denen Uhrig die «Steilküste am Aralsee» ab druckt (S. 127). Zudem lässt Uhrig in klarer und schöner Sprache – im Gegensatz zum russischen Original, S. 22 – ein dem Russischen nicht kundiges Lesepublikum die mittlerweile versteppte Welt des Aralsees mit den Augen seines ersten Eroberers ein weiteres Mal erkunden. Das Buch ist deshalb Historikerinnen und Historikern, die sich mit Zentralasien und dem russischen Vielvölkerreich befassen, zu empfehlen, aber auch allen, die Berichte aus der grossen europäischen Entdeckungszeit mögen oder mehr über die einstige Wasser-, Tier- und Pflanzenfülle des Aralsees erfahren wollen.