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Geschichte allgemein

K. Weissmann: Armin Mohler

 

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Autor(en):
Titel:Armin Mohler. Eine politische Biographie
Ort:Albersroda
Verlag:Edition Antaios
Jahr:
ISBN:978-3-935063-59-3
Umfang/Preis:312 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michael Fahlbusch, Basel
E-Mail: <m.fahlbuschbluewin.ch>

Der Begriff «Konservative Revolution» (KR) entwickelte sich in den 1920er Jahren zum politischen Schlagwort der Rechten in Deutschland sowie der Action Française in Frankreich. Die Konservativen Revolutionäre stammten aus dem rechten akademischen und Mittelschichtsmilieu. Sie bildeten keine politische «Lehre» oder geschlossene Weltanschauung an sich. Vielmehr waren sie geprägt durch unterschiedlichste Strömungen der europäischen Rechten, die die Demokratie und den Liberalismus aushebeln wollten, um ethnisch homogene Räume mit einer autoritären Staatsform zu verbinden. Der Schweizer Armin Mohler gehört zur 2. Generation, er war in den 1950er Jahren Privatsekretär Ernst Jüngers, dann politischer Berater Franz Josef Strauss’, zuletzt Freund Franz Schönhubers und Networker der europäischen neuen Rechten. Mohler spielte eine zentrale Rolle in dieser immer wieder von Konservativen verharmlosten politischen Strömung.

Die von Karlheinz Weissmann, dem wissenschaftlichen Leiter des sogenannten Instituts für Staatspolitik in Albersroda (Sachsen-Anhalt), vorgelegte Biographie über Armin Mohler verzichtet auf einen mentalitäts- oder diskursgeschichtlichen Zugang. Mohlers Lebensstationen werden zwar erwähnt, die Schweizer Verbindungen zur deutschen und französischen Rechten tangieren. Jedoch werden sie teilweise nur angedeutet.

Bereits auf den ersten Seiten beginnt die Biographie mit Zumutungen an die Schweizer Leserschaft: So insinuiert Weissmann in seinen Darbietungen, dass Mohlers Dissertation die Zeitspanne 1918–1952 abdecke – wie auf der Impressumseite –, obwohl sie nur bis 1932 reicht. Ferner wird Alberto Giacometti als «italienischer Bildhauer» bezeichnet (S. 17), und Mohler wird als «ein Mann von eindrucksvoller Statur, sehr blond, ‘germanischer Typus’» stilisiert, der «Stolz auf den alemannischen Stamm und seine Eigenheiten» gewesen sei (S. 11, 23). Gleichzeitig verzichtet Weissmann aber darauf – weil ihm zufolge vernachlässigbar –, die Schweizer Archivalien, etwa im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich zu berücksichtigen. Und das, obwohl er aus dem ebenfalls dort gelagerten Nachlass von Benno Schaeppi zitiert, der mit den Nationalsozialisten kollaborierte, und zwischen 1942 und 1944 Leiter des «Panoramaheims» in Stuttgart war. Stattdessen bezieht er nur Akten aus dem von ihm selbst verwalteten Nachlass Mohlers und dessen Witwe ein. Ein Verzeichnis von Mohlers Nachlass fehlt.

Auch die Bedeutung der Schweizer Frontisten wird von Weissmann heruntergespielt: Warum die Frontisten für Mohler nicht attraktiv gewesen sein sollen (S. 21), wird nicht weiter ausgeführt, obwohl die Schweizer Literatur hierzu umfänglich ist, und Mohlers Kontakte zu Frontisten erstaunlich vielfältig waren: zu Franz Riedweg, der Sekretär und politischer Berater des ehemaligen Bundesrates Jean-Marie Musy war, den Mohler angeblich erst nach dem Zweiten Weltkrieg kennengelernt haben soll, zu Alfred Zander, James Schwarzenbach, Peter Dürrenmatt und Jakob Schaffner. Sie stellen nur einige wichtige dar (S. 21, 34ff., 120–125). [1] Zander als Antisemit gehörte zu den Protagonisten der Verklärung der «Protokolle der Weisen von Zion» in der Schweiz und emigrierte 1942 ebenfalls nach Deutschland, um in der Waffen-SS zu dienen. Mit Gonzague de Reynold stand nicht nur ein führender Ideologe der katholischen Rechten und glühender Verehrer der italienischen Faschisten den Frontisten zur Verfügung, sondern auch der belgische Rexistenführer Léon Degrelle, Charles Maurras und andere rechtsradikale Nationalisten aus Belgien und Frankreich. Sie belebten das durchaus sehr heterogene Spektrum der Schweizer Frontisten. [2]

Die in 14 Kapitel unterteilte «politische Biographie» orientiert sich weitestgehend an den Lebensstationen des 1920 in eine Beamtenfamilie in Basel geborenen Armin Mohler, der 1942 in Deutschland eine ‚Schnupperlehre‘ macht und anschliessend in Basel Kunstgeschichte studiert. Mohlers Dissertation widmet sich jedoch einem anderen, politischen Gebiet: Über die KR in der Weimarer Republik bis 1932. Sie wird in Basel nicht von Edgar Salin, der dem George-Kreis nahestand, sondern von Karl Jaspers akzeptiert, obwohl dieser davon überzeugt ist, dass Mohler mit seiner Arbeit «begrenzten Unfug stiften» wird, weil er eine «grossangelegte Entnazifizierung dieser Autoren» bewirke (S. 74, 124ff. und 196). [3] Gerade dieser Aspekt wird nicht weiter ausgeführt, obwohl Kritiker der völkischen Bewegung wie George L. Mosse immer wieder die Nähe der KR zu den Nationalsozialisten herausgearbeitet hatten. Weissmann führt stattdessen aus, dass Mohler am Tag seines Rigorosums an Ernst Jünger schrieb, dass er alles überstanden habe. Von nun an war sein Weg als Networker zu Carl Schmitt, Werner Best und anderen Ex-Nazis und kompromittierten rechten Konservativen in Deutschland vorgezeichnet. Über Mohlers Basler Zeit bleibt offen, inwiefern er nicht bereits damals Kontakte pflegte, etwa zu hiesigen Schweizer Nationalsozialisten und der Basler Pfalz. Bedauerlicherweise wurden deren Akten im Basler Staatsarchiv in den 1960er Jahren fast komplett vernichtet.

Allerdings verdeutlicht Mohlers Lebensphase im Nachkriegsdeutschland, dass er eine Modernisierung der Neuen Rechten, die die deutsche Vergangenheitspolitik steuerte, über die Grenzen hinweg anstrebt. Mohler reizt es nicht nur, als Assistent Jüngers die Kontakte zu dessen alten Mitstreitern und zu Verlegern zu knüpfen; auf Empfehlung Max Rychners geht er als Frankreich-Korrespondent nach Paris, schreibt unter anderem für die Wochenzeitung Die Zeit. Er knüpft die Kontakte zur französischen Rechten, nimmt sich der Keltologie und den bretonischen Separatisten an, die schon während der NS-Zeit im Interesse der SS und der Forschung (etwa Leo Weisgerber) standen. [4] Zugleich macht sich Mohler als Schweizer Frankreich-Experte mit seiner de Gaulle-Schrift in Deutschland einen Namen. Politische Beratung leistet er in den 1950er Jahren für die Deutsche Partei, einem Sammelbecken der alten Garde. Der Versuch, bei Hans Rothfels und Hermann Mau am Institut für Zeitgeschichte zu habilitieren, um schliesslich als Geschäftsführer der Siemens-Stiftung den Auflagen zu genügen, scheitert (S. 84ff.). Rothfels, selbst kompromittierter konservativer Revolutionär des berüchtigten Königsberger Kreises, lehnt dieses Unterfangen ab, zumal in den 1960er Jahren die politische Wende eingesetzt hatte und auch Rothfels Gefahr gelaufen wäre, sich und andere Konservative zu desavouieren.

Eine «Nothabilitation» an der Universität Innsbruck rundet Mohlers akademische Laufbahn ab. Die Rolle bei der Finanzierung der neuen Rechten durch die Siemens-Stiftung, deren Geschäftsführung Mohler über 20 Jahre bis 1984 innehatte, bleibt indes unklar: Weissmann beziffert während Mohlers Amtszeit angeblich nur 10% Rechte als Leistungsempfänger dieser Stiftung. Dieser relativ hohe Wert dürfte wahrscheinlich durch die in Basel ansässige Goethe-Stiftung noch übertroffen worden sein, die sehr viele europäische Ex-Nazis und Rechtsextreme mit Kulturpreisen auszeichnete. Auch Mohlers Kontakte zur Gesellschaft für Wehrkunde (GfW), einer offenbar vom Verteidigungsministerium finanzierten Organisation, und den dort versammelten Ex-Nazis und Rechten bleiben diffus. In der GfW befand sich Mohler in bester Gesellschaft etwa zu James Schwarzenbach (S. 119ff.), dem oben erwähnten Frontisten, der sich in der Schweiz in den 1970er Jahren einen unrühmlichen Namen machte. Noch 1999 kam es zum Eklat, als die GfW rechtsradikale Referenten aus Steuergeldern finanzierte. Weitere Verbindungen gab es 2007 beim «Klingenthal-Treffen» im Elsass; der Tagungsort gehört der Goethe-Stiftung Basel, die Alfred C. Toepfer gegründet hatte. Die Verbindungen der Neuen Rechten zur Schweiz sind verblüffend, werden jedoch von Weissmann in der Regel nicht näher analysiert.

Während seiner Geschäftsführung der Siemensstiftung dient sich Mohler Franz Josef Strauss als politischen Ratgeber an. In seinen Spätjahren organisiert Mohler die neue Rechte zusammen mit Gerhard Frey (NPD und VDU) sowie «meinem Freund Franz Schönhuber» (S. 226). Sein Netzwerk ist umfassend bis hin zum Front National gestaltet. Konservative Tageszeitungen, Criticon, die er mit dem rechten Schriftsteller Caspar von Schrenck-Notzing gründete, u. ä. Zeitschriften, diverse rechte Verlage sowie die mehrfache Auflage seiner «Konservativen Revolution» runden das Bild ab.

Mohler befindet sich zu diesem Zeitpunkt im rechtsradikalen Lager. Sein europäisch ausgerichteter Rassismus (Europa der weissen Rasse) stellt die Weichen zu einer nicht mehr nationalistisch verankerten, sondern radikalen Rechten Europas. Angesichts der Grossen Koalition und der länger währenden sozialdemokratischen Regierungen zeichnet ihn seine Fähigkeit aus, die politische Definitionsmacht zu behalten (S. 178f.). Doch auch hier fehlt eine Analyse der diskursiven Strategien, wie Mohler je nach politischer Lage zwischen den Lagern volatil zu changieren weiss. Letztlich ist die vorgelegte Exkulpierung der Konservativen Revolutionäre unangemessen, geradezu ein «Persilschein in Langfassung» (Dietrich Geyer). Da es sich überwiegend um in den NS-Elitenkreislauf aufgerückte völkische Konservative handelte, bleibt eine wissenschaftlich fundierte Biographie ein Desiderat

[1] Peter Dürrenmatt, ebenfalls dem rechten Flügel der Berner Frontisten angehörig, wurde nach dem Krieg Chefredakteur der Basler Nachrichten und 1968 Mitglied des Stiftungsrates der Basler Goethe-Stiftung.
[2] Vgl. Aram Mattioli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur. Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz, Zürich 1994, S. 200–217.
[3] Vgl. hierzu Nicolas Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, Göttingen 2003, 294ff., 338f.
[4] Vgl. Joachim Lerchenmüller, Keltischer Sprengstoff. Eine wissenschaftsgeschichtliche Studie über die deutsche Keltologie von 1900 bis 1945, Tübingen 1997.

Zitierweise Michael Fahlbusch: Rezension zu: Karlheinz Weissmann: Armin Mohler. Eine politische Biographie. Albersroda, Edition Antaios, 2011. Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 63 Nr. 1, 2013, S. 152-154. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=23217>
 
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