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M. Schürpf: Das Fotoarchiv der Ammann Unternehmungen Langenthal

Minder, Aline <aline.mindergmx.net>
 
Autor(en):;
Titel:Das Fotoarchiv der Ammann Unternehmungen Langenthal. 1900 – 1990
Ort:Langenthal
Verlag:Merkur Druck
Jahr:
ISBN:978-3-905817-04-1
Umfang/Preis:111 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Aline Minder
E-Mail: <aline.mindergmx.net>

Der Fotoband ist anlässlich einer Ausstellung des Kunsthauses Langenthal erschienen. Neben Arbeiten des Langenthaler Fotografen Josef Gschwend (1858 –1939), wurden in diesem Rahmen auch Fotografien aus dem Archiv der Maschinenfabrik Ammann Langenthal gezeigt.

Ein ausführliches Kapitel widmen die Autoren Schürpf und Wohlfender der Entwicklung des Fotoarchivs im Verlauf des 20. Jahrhunderts sowie den beiden Werkfotografen Robert Sohm und Gottfried Geiser. Anschliessend werden ausgewählte Fotografien aus dem Archiv thematisch nach Maschinenart und Aufnahmekontext zusammen mit einem kurzen Begleittext präsentiert. Dem nicht sachkundigen Publikum vermitteln besonders die Kapitel zu den Maschinenarten erhellende technische Hintergrundinformationen und eine knappe Einführung in die Entwicklung der Schweizer Industrie-, Landwirtschafts- und Baugeschichte.

Unter «Ausstellung und Messen» sowie «Personal und Fabrik» rücken neben Maschinen die Menschen ins Zentrum des Interesses: Das «Bürofräulein» am Telefon, die Lehrlinge in der Werkstatt, die Messehostessen beim Kaffeeausschank oder der (unblutige) Unfall an der Drehbank sind nur eine kleine Auswahl aus der Vielfalt an Situationen, die die Werkfotografen mit ihrer Kamera einfingen. Diese Bilder sind eindrückliche Zeugnisse des Arbeitsalltags in einem Schweizer Grossbetrieb und führen den Betrachtenden ein Stück Sozialgeschichte vor Augen.

Das Kapitel «Erinnerung an fotografische Zeiten» entstand aus einem Gespräch mit der Ehefrau des zweiten Werkfotografen Gottfried «Godi» Geiser und gibt den technischen Fotografien aus dem Archiv ein Gesicht. Meeri Geiser-Theiler, die durch die Tätigkeit ihres Mannes ebenfalls ein Interesse für Fotografie entwickelte und sich ihr Handwerk autodidaktisch aneignete, fotografierte vor allem Menschen und dabei auch Mitarbeitende der Firma Ammann oder deren Angehörige. Dabei wird auch der Unterschied zwischen ihren Aufnahmen und denjenigen ihres Mannes deutlich: Während Meeri Geiser-Theiler auf Licht und Schatten und damit auf einen gewissen künstlerischen Ausdruck achtete, lag der Fokus des Werkfotografen auf der möglichst vollständigen und detailreichen Wiedergabe der technischen Aspekte. Dies erklärt sich einerseits aus Gottfried Geisers Bildungshintergrund und andererseits aus seiner Tätigkeit im Unternehmen. Keiner der beiden Werkfotografen verfügte über eine professionelle Ausbildung zum Fotografen, sondern sie übten ihre Tätigkeit «en passant» neben ihrer üblichen Funktion im Unternehmen aus. Robert Sohm fotografierte bis ungefähr 1940 neben seiner Arbeit im technischen Büro Maschinen, das Firmengelände sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Autoren schliessen aus den Bildern, dass schon dieser erste Werkfotograf über keine fotografische Ausbildung verfügte. Ab Mitte der 1930er- Jahre wurde er vom intern ausgebildeten Zeichner und Amateurfotografen Gottfried Geiser schrittweise abgelöst. Mit der expandierenden Entwicklung der Firma wuchsen auch die fotografischen Aufgaben, und so gab Geiser seine Tätigkeit als Zeichner auf, um sich nebst der Fotografie der Planung und Organisation von Messeauftritten zu widmen. Bis 1981 war Gottfried Geiser als Firmenfotograf tätig. Er hinterlässt einen Bestand, der heute fast 60 000 Aufnahmen umfasst, nach seiner Pensionierung aber nicht mehr mit der gleichen Akribie weitergeführt wurde.

Die Tatsache, dass das Fotoarchiv der Ammann Unternehmungen in seiner Vollständigkeit erhalten ist, verdanken die Autoren dem besonderen Unternehmensklima und der Organisation als Familienbetrieb, dessen Entwicklung ohne grössere Umbrüche verlief. Der grosse zeitliche Umfang und der inhaltliche Reichtum des Archivs widerspiegeln die Firmengeschichte und vermitteln gleichzeitig exemplarisch ein Stück Schweizer Technik-, Industrie- und selbst Sozialgeschichte.

Während die gezeigten Fotografien klar dokumentarischen Charakter haben und in erster Linie wohl Interessierte der Technik- und Industriegeschichte ansprechen werden, kommen auch künstlerische und fotografiehistorische Aspekte nicht zu kurz. Der Fotoband über die im Kunsthaus Langenthal ausgestellten Fotografien spricht auch technische Laien an. Charme und eine gewisse surreale Ästhetik strahlen Bilder wie die Luftaufnahme einer Handwalze im Einsatz oder das Titelbild «Steinbrecher Nr. 6 mit Herrn Bär» aus, der in seiner Hand einen überdimensionierten Gabelschlüssel hält.

Zitierweise Aline Minder: Rezension zu: Schürpf, Markus: Das Fotoarchiv der Ammann Unternehmungen Langenthal. 1900 – 1990, Langenthal, Verlag Merkur Druck AG, 2008. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 1, Bern 2010, S. 112-113. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=16549>