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Geschichte allgemein

Bern statt fern: fünf thematische Stadtspaziergänge

 

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Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 2, 2011, S. 38-39.
Titel:Bern statt fern: fünf thematische Stadtspaziergänge
Herausgeber:StattLand, Renate Schär
Ort:Bern
Verlag:Palma3
Jahr:
ISBN:978-3-9522814-2-0
Umfang/Preis:158 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Weber Berchtold
E-Mail: </>

Seit über zwanzig Jahren bietet der Verein StattLand thematische Stadtrundgänge an. Im Vorfeld seiner Gründung ging es auch in anderen Städten Europas, zuerst 1983 in Berlin, darum, auf andere, unkonventionelle Art Leben und Geschichte einer Stadt zu vermitteln, als das damals von offizieller Seite her noch üblich war. Wenn wir ehrlich sind, zeigen selbst heutige City-Tours, wo immer man auch ist, eine unproblematische Welt des Schönen, Berühmten, Erhabenen. Die thematischen Stadtrundgänge von Statt-Land versuchen jedoch, den Bewohner der Stadt quer über alle Zeiten weg in seinen Freuden und Nöten, in seinem Alltag zu zeigen. Und da staunt man immer wieder, an wie vielen Spuren des täglichen Lebens früherer Zeiten wir je und je achtlos vorübergehen. Wer nach längerem Aufenthalt in der Fremde in die Heimatstadt zurückkehrt, hat vielleicht für ein paar wenige Tage noch den Blick des aufmerksamen Touristen, der die eigene Stadt mit fremden Augen sehen kann. Aber dieser Zustand verfliegt sehr bald, der Alltagstrott hat uns wieder.

StattLand versucht aufgrund sorgfältiger Recherchen die eigene Stadt neu erlebbar zu machen. Der Verein hat aus seinem in zwei Jahrzehnten sehr gross gewordenen Fundus für das vorliegende Buch fünf thematische Rundgänge zusammengestellt, durchaus vergleichbar mit den vier mentalitätsgeschichtlichen Themenblöcken, die zur 800-Jahre-Feier von Kanton und Stadt Bern 1991 in einem als Festzug bezeichneten Strassentheater durch die Stadt geführt wurden.

Betrachten wir die fünf im Buch durch dezent gefärbte Seiten gut unterscheidbaren Themen im Einzelnen. Der erste Rundgang mit dem Titel Bern in Person führt zu Menschen, die in der Stadt gelebt haben. Vom Schultheissen Peter Kistler im fünfzehnten, über Casanova und Haller im achtzehnten, Clara Winnicki im neunzehnten bis zu Mani Matter im 20. Jahrhundert sieht der Spaziergänger Orte der Erinnerung. Sorgfältig redigierte detailreiche Texte helfen den historischen Zusammenhang zu erfassen. Der zweite Stadtbummel unter dem Titel Berna in Bewegung führt zu zwölf Schauplätzen der Frauenemanzipation, wobei hier Bern durchaus in seiner Rolle als Bundesstadt gesehen wird. Helene von Mülinen, Margarethe Faas-Hardegger, zwei Frauen, die in den letzten Jahren in Bern mit einem Strassennamen geehrt wurden, sind nur zwei Beispiele aus der Reihe der Mutigen, die uns vorgestellt werden.

Der dritte Spaziergang, Bern auf der Bühne, führt zu Kulturstätten der Stadt. Dampfzentrale, Kunsthalle, Stadttheater, aber auch das in der Lorraine gelegene Café Kairo werden einfühlsam vorgestellt.

Der Aarespaziergang Bern am Fluss beginnt oberhalb des Fähribeizlis in der Gemeinde Muri. Der Leser nimmt zur Kenntnis, dass das Wasser von 43% des schweizerischen Territoriums aus in die Aare fliesst. Dann erlebt der Wanderer die Aarekorrektur des 19. Jahrhunderts, Aareauen, ein Aarepicknick, Aarebäder, Aaresprachen und weitere Besonderheiten unseres Flusses, bis er bei der Untertorbrücke über die Aarequerungen nachdenken kann.

Das letzte Kapitel, Berner Inseln, führt vom Rosengarten aus mit dem Blick auf die Halbinsel bis zur neu geschaffenen grünen Insel im überbauten Gebiet, der Parkanlage Brünnengut. Dazwischen finden sich die Bildungsinsel Universität, das Inselspital und viele weitere Inseln mehr.

Dass bei einer so ungeheuren Fülle von Informationen die eine oder andere nicht ganz richtig oder doch unvollständig ist, verwundert nicht und lässt auf eine zweite, verbesserte Auflage hoffen. So liest man etwa auf Seite 50, das Franziskanerkloster habe sich von 1483 an beim heutigen Kulturcasino befunden. Dass die Franziskaner schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf diesem Platz ihr Kloster gebaut haben, bleibt unerwähnt. Oder bei der Frage des Frauenstimmrechts (Seite 8) findet die in den 1920er-Jahren erfolgte Einführung des Frauen-Stimm- und -Wahlrechts in Schul- und Kirchensachen – ein Novum in der damaligen Schweiz – leider keine Erwähnung. Und wem ist es noch nie passiert, dass die Fehler bei den banalsten Dingen auftreten? So auch hier bei den Literaturhinweisen, wo für die Kunstdenkmäler des Kantons Bern die Inhalte von Band 1 und 2 verwechselt wurden.

Im Ganzen aber ist der Schreibende davon überzeugt, dass dieses Buch sehr vielen Bernerinnen und Bernern, aber auch Auswärtigen einen neuen Blick auf die Geschichte und die Schönheiten unserer Stadt schenken wird. Es ist dem ansprechenden Band mit seinen sorgfältig redigierten Anmerkungen, dem Nachweis der teils sehr originell ausgewählten Abbildungen und dem auf weiterführende Informationen ausgelegten Literaturverzeichnis eine grosse Verbreitung zu wünschen.

Zitierweise Berchtold Weber: Rezension zu: Bern statt fern: fünf thematische Stadtspaziergänge. Hrsg. von StattLand; Projektleitung Renate Schär. Bern, Palma3, 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 2, 2011, S. 38-39. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=18748>
 
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