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Zeitgeschichte (nach 1945)

Architektur in Köniz

 

Informationen zu diesem Beitrag

Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 44-47.

Berner Heimatschutz (Hrsg.): Akzent Baukultur: Köniz. Bern: Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Bern 2012. ISBN 1664-6843; 124 S..

Tobler, Konrad; Uldry, Dominique: Planung in der Agglomeration. Architektur in Köniz 1990 – 2015: Eine Dokumentation. Bern: Stämpfli Verlag 2013. ISBN 978-3-7272-1358-8; 160 S..

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Daniel Marc Segesser, Historisches Institut, Universität Bern
E-Mail: <daniel.segesserhist.unibe.ch>

Die Vergabe des Wakkerpreises an die Gemeinde Köniz im Jahre 2012 führte nicht nur zu einer hohen Anzahl von Veranstaltungen, Führungen sowie einem grossen Fest, sondern brachte auch eine Reihe von Publikationen hervor, mit welcher die verantwortlichen Politiker sowie Publizisten, Historiker, Archäologen, Denkmalschützer, Architekten und Raumplaner in ihrer Art und Weise einen Akzent zu setzen versuchten. Den Anfang machte eine Publikation des Berner Heimatschutzes, mit welcher gleichzeitig unter der Bezeichnung «Akzent Baukultur» eine neue Reihe begründet werden soll. Die Ausführungen über den Sinn und Zweck der Publikation finden sich im abschliessenden Nachwort und Dank der Herausgeberschaft aus der Feder von Dorothée Schindler- Zürcher, der Präsidentin des Berner Heimatschutzes. Darin macht sie deutlich, dass weder «Wissenschaftlichkeit noch Vollständigkeit» das Ziel waren, sondern dass es vor allem darum ging, «in verschiedenen kürzeren Beiträgen […] die vorbildliche Siedlungsentwicklung, die klare Abgrenzung zwischen Siedlungsgebiet und Kulturlandschaft, die auf Koexistenz aufbauende Verkehrsplanung sowie die Bewahrung der Ortsteile» zu thematisieren. «[I]m weitesten Sinne [soll der] an Baukultur interessierten Öffentlichkeit eine Gemeinde [vorgestellt werden], deren Besuch sich lohnt, wo Hingucken Spass macht und Unbekanntes entdeckt werden kann» (S. 118). Eine historische Einordnung der bestehenden Baukultur ist also nur teilweise oder gar nicht gefragt. Vielmehr sollen von interessierter Seite gesetzte Akzente möglichst ins richtige Licht gerückt werden.

In etlichen Teilen beider an dieser Stelle besprochenen Werke hat die Geschichte daher eine klare Funktion. Sie dient nämlich nicht als Grundlage dessen, was geworden ist, sondern bildet die Negativfolie, um die «Verdienste» der Gegenwart (und bei Politikerinnen und Politikern der eigenen Amtszeiten) herauszustreichen. Besonders deutlich wird dies im Abschnitt über die Planung von Akzent Baukultur sowie im Schlusswort von Gemeinderätin Katrin Sedlmayer. Die historische Entwicklung wird hier kaum thematisiert, im Vordergrund steht für die Autorinnen und Autoren vielmehr die Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen. Neben in diesem Sinn zu kritisierenden Beiträgen gibt es in Akzent Baukultur auch eine ganze Reihe von solchen, die der Geschichte von Köniz und deren Baukultur doch erheblich Platz einräumen. Dazu gehört der sehr interessante Beitrag zum Spiegeldörfli von Martin Fröhlich und Manfred Leibundgut, der allerdings nicht mit den ihm unmittelbar vorangehenden Ausführungen von Ueli Läderach verknüpft wird. Das liegt vielleicht auch daran, dass Letzterer – ähnlich wie auch seine Kollegin Veronika Niederhäuser von der Rykart Architekten AG – gerne in allgemeinen Formulierungen schwelgt, ohne konkret zu sagen, was er unter den vom ihm für gutes Bauen als konstitutiv bezeichneten Begriffen wie Verantwortung, Respekt, Charakter und Dauerhaftigkeit zu verstehen gedenkt. Ähnlich wenig verknüpft wie die Beiträge von Fröhlich und Leibundgut ist bedauerlicherweise auch der ansonsten durchaus spannende Beitrag von Elisabeth Schneeberger zum Umbau eines Einfamilien-Reihenhauses auf dem Alten Sprengergut in Wabern. Viel Wert auf die Geschichte legen hingegen die am Anfang der Publikation stehenden Beiträge von Armand Baeriswyl und Christian Lüthi. Beide sind nur kurz, aber sehr gelungen. Baeriswyl gibt einen kurzen Abriss über die Geschichte vor dem Ende der Alten Eidgenossenschaft und präsentiert dabei auch interessante Erkenntnisse aus den von ihm mitbetreuten Analysen der Bauphasen des Schlossareals in Köniz. Das ist zwar nicht neu, aber für das Publikum, an welches sich die Publikation richten soll, doch sehr interessant. Lüthi thematisiert die Entwicklung der grössten Agglomerationsgemeinde der Schweiz. Darin verweist er auch darauf, dass der untere Teil der Gemeinde baulich und gesellschaftlich zu einem Stadtteil von Bern wurde, ein Aspekt, der vom Autor aber nicht weiter ausgeführt werden kann. In einigen anderen Beiträgen, so mit Blick auf die gemeinsame Planung im Raum Weissenstein / Neumatt oder im Beitrag von Jan Remund, wird das Thema kurz wieder aufgegriffen, aber leider nicht vertieft. Gerade hier bestünde Potenzial, um das Verhältnis der Stadt Bern zu ihren Vororten – und dies nicht nur beschränkt auf Köniz – historisch genauer zu untersuchen, als es dies die bisherigen Einzelstudien tun. Das gilt auch gerade für den Wandel der Verkehrsplanung, den Lüthi schon anspricht und mit welchem sich die beiden interessanten Beiträge von Rudolf Käser und Marco Rupp beschäftigen. Besonders spannend sind auch die drei Einzelbeiträge von Jean-Pierre Anderegg zur Erhaltung des Weilers Mengestorf, wo erfolgreich für den Schutz des Kulturlandes und der Lebensgrundlage der Landwirtschaft gekämpft wurde, von Heinrich Christoph Affolter zum Bauernhaus Grossgschneit, einem Hof mit herrschaftlicher Architektur, sowie von Ursula Schneeberger zum Bauerngut Riedburg, wo einige Zeit patrizisches Leben und dann wieder die Bedürfnisse der Landwirtschaft bestimmend waren. Alle drei Beiträge bilden eine gute Mischung von historischer Kontextualisierung und bestehender Baukultur.

Sie trägt den Titel Planung in der Agglomeration: Architektur in Köniz 1990 – 2015 und wurde im Auftrag der Gemeinde Köniz vom Kulturjournalisten Konrad Tobler sowie dem Fotografen Dominique Uldry herausgegeben. Auf dem Hintergrund von Planungsrichtlinien der Gemeinde werden wichtige städtebauliche und architektonische Entwicklungsschwerpunkte vorgestellt, von welchen einige noch im Planungsstadium waren. Themen sind das Gemeindehaus, welches Konrad Tobler in Akzent Baukultur ohne jeglichen Verweis auf die dahintersteckende Debatte einfach als Stadthaus bezeichnet, das neue Ortszentrum, das Dreispitzareal, das ehemals von der Eidgenössischen Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt genutzt wurde, neue Quartiere wie Weissenstein / Neumatt, das Carna-Areal, die Überbauungen in Niederwangen und im Bächtelenacker sowie Bauten auf und am Gurten.

Gleich zu Beginn macht der frühere Gemeindepräsident Luc Mentha klar, dass dieses Buch ein «grosses Dankeschön an Investoren und Eigentümerinnen, Planer und Architektinnen» sein soll und dass « ‹Best Practice› als wegweisendes Konzept für eine Architektur, bei der die Lebensqualität auch für kommende Generationen im Zentrum» stehen soll (S. 8f.). Die Geschichte geht hier fast komplett vergessen. Es zählt primär, «Architektonisches von hoher Qualität zu erstellen» (S. 8), ohne dass genauer bestimmt wird, was darunter zu verstehen ist. Mit Blick auf die Vergangenheit wird primär gewertet. Es werden Begriffe wie «schnelles Wachstum», «beliebiger Siedlungsbrei» oder «gesichtslose Orte» verwendet (ebd.). Eine Reflexion dessen, was damit impliziert wird, fehlt allerdings. Geschichte wird hier nur mehr zur Legitimierung politischer und persönlicher Überzeugungen benutzt.

Wenn also Akzent Baukultur einen gemischten Eindruck hinterlässt, so kommt die Publikation Planung in der Agglomeration wie ein Herold von Behörden und Architekten daher. Das ist auch nicht erstaunlich, denn als Quellen werden primär die verschiedenen Elemente der Homepages der Gemeinde und der beteiligten Architekturbüros verwendet. Es wird fast ausschliesslich der Sicht der Behörden und der beteiligten Fachexperten Raum gewährt. Wer mit den entsprechenden Planungen nicht einverstanden war oder alternative Konzeptionen vertrat, kommt kaum zu Wort. Kritik ist in dieser Publikation nicht erwünscht, ja ihr wird teilweise sogar herablassend und verständnislos begegnet, während das eigene Wirken als «Ausdruck einer gepflegten, ausgefeilten Planungs- und Wettbewerbskultur» (S. 15) gefeiert wird. Der Publikation geht es darum, «das Bewusstsein und die Reflexion über Planung und Architektur in der Agglomeration [zu schärfen]» (S. 11), und dies mit einer ganz bestimmten Zielrichtung. Die historische Rückblende auf die Jahre 1950 bis 1990 dient einerseits als Negativfolie für die Gegenwart und andererseits als Hinweis auf Vorläufer der jetzt gelingenden Planung. Als Instrument kommunalen oder privaten Marketings mag das Buch auch dank der schönen Fotos von Dominique Uldry die Ziele seiner Auftraggeber erfüllen, als Analyse oder auch nur Präsentation baukultureller Aspekte in Köniz kann es dagegen nicht dienen. Etwas mehr kritische Distanz gegenüber Auftraggebern und Untersuchungsobjekten hätte dem Werk gut angestanden.

Zitierweise Daniel Marc Segesser: Rezension zu: Berner Heimatschutz: Akzent Baukultur: Köniz. Bern: Berner Heimatschutz 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 44-47. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=26043>
 
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