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Geschichte allgemein

J. Rascher: Die Kasseler Künstlerfamilie Haag

 

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Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 3, 2014, S. 85-86.
Autor(en):
Titel:Die Kasseler Künstlerfamilie Haag. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte von Kassel, Den Haag und Bern
Ort:Lindenberg
Verlag:Kunstverlag Josef Fink
Jahr:
ISBN:978-3-89870-626-1
Umfang/Preis:541 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Thomas Freivogel
E-Mail: </>

Haag? Ein uns bislang verborgen gebliebener, unbekannter Künstlername, bei dessen Hinweis auf eine Kasseler Verbindung und dem im Untertitel angetönten Bern jedoch bereits erste Vermutungen wach werden: Kam nicht auch Johann August Nahl d. Ä. aus Kassel und war in Bern, Hindelbank und Yverdon tätig – als gefragter Plastiker und in seiner Berner Zeit ein von Emanuel Handmann porträtierter Künstler? Ein erster Anhaltspunkt scheint gegeben und neugierig wirft man einen Blick in das Inhaltsverzeichnis, das elf Kapitel aufweist; eine doppelseitige Genealogie mit deutscher und niederländischer Linie am Anfang, die üblichen Verzeichnisse im Anhang. Jedes Kapitel ist einer bestimmten Künstlerpersönlichkeit in chronologischer Abfolge gewidmet, beginnend mit Johann Ernst Antonius Haag in Kassel Ende des 17. Jahrhunderts, endend mit der Malerin Grietje Schakel-Braakensiek aus dem 20. Jahrhundert, einer Nachfahrin von dem im 18. Jahrhundert nach Amsterdam ausgewanderten Johann David Christian Haag. Der Autor bekennt in der Einleitung freimütig, kein Kunsthistoriker zu sein, aber ein Nachfahre derselben Künstlerfamilie Haag, mit der er sich aufgrund seiner genealogischen Interessen über zehn Jahre lang beschäftigte. Das Fazit dieser Forschungen legt er im vorliegenden Band vor.

Schon beim zweiten der behandelten Künstler, Carl Christoph Haag, ist der Bezug zur Schweiz hergestellt: Zusammen mit dem Berner Johann Friedrich Funk wurde Haag 1730 im Landgut Creux-de-Genthod am Genfersee für bildhauerische Fassadendekorationen wie Giebel, Konsolen, Masken an dem von Blondel konzipierten Bau verpflichtet. Als Quelle dienten dem Autor offensichtlich vor allem Eduard J. Fallets Ausführungen über Nahl (1970), die er neu aufbereitet und akribisch mit ebenfalls neuen Quellenangaben belegt. Es kamen nicht nur hessische Handwerker nach Bern, sondern auch Berner und andere Schweizer nach Kassel. Das Geflecht von künstlerischem Austausch europaweit ist einmal mehr beeindruckend. Das Vorgehen des Autors ist ebenso simpel wie klar: chronologisch gesicherte Daten in biografischer wie auch künstlerischer Abfolge hintereinandergereiht, dokumentiert und kommentiert, aber nicht hergeleitet oder in einen weiteren Kontext gestellt.

Vor allem auch das dritte Kapitel ist für die Berner Kultur- und Kunstgeschichte erwähnenswert. Es behandelt Rudolph Friedrich Haag, 1712 geboren, und ab 1732 in Bern. Als jüngerer Bruder des oben erwähnten Carl Christoph wird er im Manual der Burgerkammer aufgeführt, der städtisch-archivalischen Fundgrube für Aufenthaltsnachweise. Es folgen die Verheiratung mit Elisabeth Mühleisen sowie die Aufenthaltsbewilligung. Als erste Arbeit fertigte Haag 1734 zwei Monumentalvasen für einen Friedhof an. Spontan kommen dem Leser hier die beiden Vasen im Rosengarten in den Sinn – eine diesbezügliche Abklärung wäre schön gewesen. Der Autor nimmt an, dass der Künstler zudem Patrizierhäuser mit ornamentalem Bauschmuck versah; beim Bau des Burgerspitals beteiligte er sich mutmasslich an der Dekorationsplastik. Akurat werden Quellen und Archiveinträge aufgelistet, einzelne andere Künstler damit ausgeschlossen und weitere dafür in Betracht gezogen. Hier wäre eigentlich der Ansatzpunkt gelegen, stilistische Vergleiche anzubringen mit weiteren Künstlern, was aber der Autor ja a priori ausgeschlossen hat. Darum wirken die Erläuterungen gerade in ihrer quellenmässig belegten Fülle etwas unübersichtlich und zusammengewürfelt. Auch gewisse repetitive Wiederholungen von Sachverhalten wirken etwas ermüdend. Eine gesonderte Werkzusammenstellung am Schluss des Kapitels hätte die Bedeutung des künstlerischen Oeuvres akzentuiert.

Im sechsten Kapitel wendet sich Rascher dem niederländischen Hofmaler Tathard Philipp Christian Haag zu und stellt nun einen Werkkatalog mit 110 Einträgen zu Gemälden, vor allem Porträts, und 179 Einträgen zu grafischen Blättern an das Ende seiner Erläuterungen. Technische Angaben, Beschreibung und Erläuterung sind jedem Eintrag zugeordnet.

Bei den in den Kapiteln 7–11 behandelten Künstlern, darunter eine Künstlerin, wirkt die Darstellung uneinheitlich und zufällig. Überhaupt sucht man in der gesamten Publikation nach einem roten Faden, und der liegt wie erwähnt im Stammbaum verwurzelt, was sich jedoch der Leser selber zurechtschustern muss, da ein diesbezüglicher Hinweis resp. eine zusammenfassende, sprachlich formulierte Übersicht fehlt.

Im Nachhinein wird der Zusatz im Titel leider nicht erhellender, sondern im Gegenteil diffuser: der «Beitrag zur Kunstgeschichte» findet höchstens auf der beschreibenden und auflistenden Ebene statt. Die künstlerische Seite lässt der Autor nach eigener Angabe weg – ausser im Titel, und dies ist verwirrend und schade. Ein Fundus von generalstabsmässig zusammengetragenem Kunstexport hätte auch eine diesbezügliche konzisere Betitelung verdient.

Zitierweise Thomas Freivogel: Rezension zu: Rascher, Jürgen: Die Kasseler Künstlerfamilie Haag. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte von Kassel, Den Haag und Bern. Lindenberg: Kunstverlag Josef Fink 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 3, 2014, S. 85-86. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=24039>
 
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