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P. Huber: Die Schweizer Spanienfreiwilligen

 

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Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Peter Haber <peter.haberunibas.ch>

Diese Rezension entstand durch die Kooperation mit Clio-online www.clio-online.de/

Autor(en):;
Titel:Die Schweizer Spanienfreiwilligen. Biografisches Handbuch
Ort:Zürich
Verlag:Rotpunktverlag
Jahr:
ISBN:978-3858693907
Umfang/Preis:geb.; 478 S.; € 36,00

Rezensiert für Clio-online und H-Soz-Kult von:
Laura Polexe, Historisches Seminar, Universität Basel
E-Mail: <laura.polexeunibas.ch>

„Kameraden aus allen Ländern der Welt sind wir hier beisammen. Der Empfang in Barcelona war grossartig. Noch begeisterter wurden wir auf der Strecke Barcelona-Valencia begrüsst. Auf den Stationen, wo der Zug hielt, kam die Bevölkerung freudestrahlend an den Zug. Korbweise wurden die Orangen in die Kippen geleert und das Händeschütteln wollte kein Ende nehmen.“

Dieses Zitat des Schweizer Spanienfreiwilligen Karl Moor steht zu Beginn der Einleitung des erst kürzlich erschienenen Biographischen Handbuches der Schweizer Spanienfreiwilligen, herausgegeben vom Basler Historiker Peter Huber in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Ralph Hug. Sowohl Huber als auch Hug haben sich jahrelang intensiv mit dem Thema des Spanischen Bürgerkriegs und mit den 800 Freiwilligen aus der Schweiz, die in den Internationalen Brigaden gedient hatten, beschäftigt.

Über die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs und der Internationalen Brigaden ist viel geschrieben worden; das Thema ist breit und das Forschungsinteresse immer noch groß. Vor allem Länder, in denen die nach dem Ende des Krieges 1939 zurückkehrenden Freiwilligen geahndet wurden, sind für Historiker interessant, schon allein wegen der Gründe dafür und der Auswirkungen auf das kollektive Gedächtnis der Nation. So wurden beispielsweise in den ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas die Freiwilligen anfangs als Helden gefeiert, um ab 1952 infolge von „Verrat“ alle ihre Posten einzubüßen und langsam aber sicher in Vergangenheit zu geraten.

In der Schweiz wurden 420 der Freiwilligen wegen „Eintritt in fremde Kriegsdienste“ zu Gefängnisstrafen verurteilt und eine Rehabilitierung blieb lange aus, trotz mehrerer entsprechender Initiativen, wie auch Jakob Tanner in seiner Einführung zum Handbuch beschreibt. Rechtzeitig zum Erscheinen des Buches von Huber und Hug stimmte aber der Schweizer Ständerat am 12. März 2009 dem Gesetz über die Rehabilitierung der Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg zu und hob sämtliche zivile und militärische Urteile der Behörden auf. Zwar mag dieser Akt zu spät gekommen sein für die Betroffenen, rechtzeitig aber für die Geschichtsschreibung, die diese „verdrängte Dimension“ der Schweizer Geschichte freigelegt hat und damit den Weg für die Einordnung im europäischen und globalen Kontext ebnen kann (S. 11).

Das „bescheidene“ Ziel des Handbuches ist es, wie die Huber und Hug in der Einleitung schreiben, die Schweizer Spanienkämpfer „in einer soziobiographischen Analyse zu erfassen und gleichzeitig jede und jeden in einer Kurzbiographie zu porträtieren“ (S. 19). So gehen sie dann auch vor: Nach einleitenden Worten und Erklärungen zum Spanischen Bürgerkrieg und den Internationalen Brigaden, folgen über 40 Seiten eines „soziobiographischen Querschnitts“ von 773 Personen und dann, in alphabetischer Reihenfolge, die Biographien.

Der „soziobiographische Querschnitt“ zeigt, dass die meisten Freiwilligen Arbeiter- und Handwerkerfamilien entstammten und die Gründe zur Teilnahme am Krieg sich nicht in der Verquickung politischer und wirtschaftlicher Ursachen erschöpfen: Man war zwar antifaschistisch eingestellt und wollte der „Arbeitslosigkeit und helvetischen Trostlosigkeit“ entrinnen (S. 73), wollte aber auch gegenüber Freunden, Verwandten oder gar dem engen Kreis der Familie ein Zeichen setzen, die Freiheit anderswo suchen, in einem Land, das eine faszinierende Aura besaß (S. 78). Der Querschnitt, bespickt mit Zitaten und Bildern, gibt auch einen Überblick über die Wege nach Spanien, die Rückkehr in die Schweiz und deren Folgen.

Die Biographien wiederum geben ein noch differenzierteres Bild der Schweizer Freiwilligen. Als Quellenbasis dienten Huber und Hug parteiliche Akten, Polizeirapporte, amtliche Leumundsberichte und Zeugenaussagen, wobei über manche Personen nicht viel mehr als die Eckdaten vorhanden waren, andere wiederum mit einem detaillierten Lebenslauf und Bildern aufwarten können. So erfährt der Leser beispielsweise über den „guten, verlässlichen Genossen“ Alfred Hartmann, der 1938 im Krieg fällt, aber auch über den „Globetrotter“ Hans Ulrich Müller, der sich zuerst freiwillig meldet, dann aber eigenhändig zurück in die Schweiz möchte und über viele unterschiedliche Gestalten, die aus so verschiedenen wie vielfältigen Gründen den Weg nach Spanien wählten und bei ihrer Rückkehr in die Schweiz nicht nur mit der Niederlage der Republik zu kämpfen hatten, sondern auch Haftstrafen und gesellschaftliche Schmach ertragen mussten.

Aus der Zusammenarbeit von Peter Huber und Ralph Hug ist ein Handbuch entstanden, das die Türe zu einer der Schattenseiten der Schweizer Geschichte aufstößt und den Leser mittels klar verfasster Texte und eindrücklicher Bilder in die Welt der Schweizer Spanienfreiwilligen eintauchen lässt - ein wichtiges Grundlagenwerk, nicht nur für Historiker.

ZitierweiseLaura Polexe: Rezension zu: Huber, Peter; unter Mitarbeit von Ralph Hug: Die Schweizer Spanienfreiwilligen. Biografisches Handbuch. Zürich 2009, in: H-Soz-Kult, 19.08.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-3-138>.
 
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