J. Inauen: Brennpunkt Schweiz

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Titel
Brennpunkt Schweiz. Die süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern und die Eidgenossenschaft 1815–1840


Autor(en)
Inauen, Josef
Reihe
Religion – Politik – Gesellschaft in der Schweiz 47
Erschienen
Freiburg 2008: Academic Press
Anzahl Seiten
460 S., Abb., Karten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Jürg Stüssi-Lauterburg

Bayern verbietet seinen Handwerksgesellen, im verdächtigen Kanton Bern auf Wanderschaft zu gehen, ja Österreich bricht die diplomatischen Beziehungen zum Kanton Bern ab! Handelt es sich um eine neue Episode aus der humoristischen Welt eines Jost Hürzelers (Zürich 2006)? Weit gefehlt! Die Realität von 1834 war für die Betroffenen bitterer Ernst. Josef Inauen entführt den Leser in eine sehr fremd gewordene Welt, in der bei allen alten und engen wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz die süddeutschen Fürsten und ihre Regierungen einerseits aus eigener Sorge vor der Herausforderung der Demokratisierung, andererseits unter dem Druck der konservativen Grossmächte Österreich und Preussen der Eidgenossenschaft mit verschiedenen Abstufungen der Kälte begegneten. Insbesondere die in der Mediation neu gegründeten, nach 1830 dann die regenerierten Kantone galten als Hort der Revolution. In der Schweiz war Württemberg von den süddeutschen Staaten am populärsten – offenbar nicht zuletzt, weil es nach 1817 keinen diplomatischen Vertreter mehr besass.

Der grosse Wert von Inauens flüssig geschriebener Arbeit ist die Dokumentation andernorts bisher kaum zu findender Persönlichkeiten und Zusammenhänge. So begegnen wir dem bayerischen Gesandten Johann Franz Anton von Olry, einem Seelenverwandten des konservativen schweizerischen so genannten Restaurators und Hegel-Gegners Karl Ludwig von Haller. Die Schweiz war in den Augen zahlreicher süddeutscher Diplomaten und Staatsleute in dieser Zeit ungefähr das, wofür unsere Epoche den Ausdruck Schurkenstaat verwendet. Nicht untypisch ist die im August 1836 vom badischen Gesandten Alexander von Dusch angeregte drohende Demarche, «unmöglich könne Europa dem gegenwärtigen Zustand der Schweiz länger zusehen» (S. 276). Zu diesem konservativen Augen als unerträglich erscheinenden Zustand der Schweiz gehörten stets, wenn auch mit wechselnder Intensität, die liberalen deutschen Flüchtlinge in der Schweiz, unter denen sich Persönlichkeiten fanden wie der erste Rektor der Universität Zürich, der geborene Badenser und dissidente bayerische Professor Lorenz Oken, oder der württembergische Gründer der Helvetischen Militair-Zeitschrift (heute ASMZ) Rudolf Lohbauer. Die Neutralität der Schweiz wurde insgesamt positiv aufgefasst, vermochte aber das stark ideologisch geprägte Misstrauen nicht zu überwinden. Daneben verfochten die Staaten ihre Handelsinteressen (Salz, Getreide), regelten bilateral Rechts-, Grenz- und Hoheitsfragen.

Besonders herauszuheben ist der Schlussteil der Arbeit. Dort verbindet sich die politik- und diplomatiegeschichtliche Darstellung mit ideengeschichtlichen Ausführungen zu einem Gesamtbild. Von grossem praktischem Nutzen ist der umfangreiche Anhang. Rund 30 Seiten werden sieben Dokumenten aus den Jahren 1834 bis 1848 eingeräumt, mehr als 40 Seiten biographischen Notizen. Listen aller diplomatischen Vertreter des Auslands in der Schweiz, der Mitglieder der süddeutschen Regierungen, Porträts und Karten runden das Werk ab. Eine um fassende Bibliografie wird jene, welche sich intensiv mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigen, besonders interessieren. Möge es dem Autor vergönnt sein, die in Aussicht gestellte Fortsetzung der Arbeit für die Jahre 1840 bis 1871 bald seinem vorzüglichen ersten Buch, das auf einer Lizentiatsarbeit bei Urs Altermatt beruht, zur Seite zu stellen!

Zitierweise:
Jürg Stüssi-Lauterburg: Rezension zu: Josef Inauen: Brennpunkt Schweiz. Die süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern und die Eidgenossenschaft 1815–1840. Freiburg (Schweiz), Academic Press Fribourg, 2008. (Religion – Politik – Gesellschaft in der Schweiz, Bd. 47). Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 367-368.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 367-368.

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