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Ur- und Frühgeschichte

O. Wey: Die Cortaillod-Kultur am Burgäschisee

 

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Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 69-70.
Autor(en):
Titel:Die Cortaillod-Kultur am Burgäschisee. Materialvorlage und Synthese zu den neolithischen Fundkomplexen von Burgäschisee-Ost, -Südwest, -Süd und -Nord
Reihe:Acta Bernensia XIII
Ort:Bern
Verlag:Stämpfli Verlag
Jahr:
ISBN:978-3-7272-1263-5
Bemerkungen:mit einem Beitrag von Antoinette Rast-Eicher und Susi Ulrich-Bochsler
Umfang/Preis:28 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Peter Lüps
E-Mail: </>

Jakob Keiser liess 1877 am Nordufer des Burgäschisees Reste einer jungsteinzeitlichen Siedlung ergraben. 1958 war das Bernische Historische Museum verantwortlich für die letzte Grabungskampagne an diesem auf dem Gebiet der Kantone Solothurn und Bern liegenden Mittellandsees. In dieser Zeitspanne von 81 Jahren erfolgten Grabungen an vier Stellen im Uferbereich des wegen einer 1943 vorgenommenen Absenkung des Seespiegels kleiner gewordenen Gewässers. Lokalisiert wurden, in chronologischer Reihenfolge der Grabungen, vier Siedlungsplätze: Bürgäschisee-Nord, -Südwest, -Ost und -Süd. Dokumentiert, gesammelt und publiziert haben die Archäologen entsprechend des jeweiligen Kenntnisstandes und mit den in den verschiedenen Zeiten gängigen Methoden und zur Verfügung stehenden Mittel. Soweit die einführenden Feststellungen Othmar Weys.

Mit dem sehr heterogenen Angebot an Zeugnissen setzt sich der Autor in einem 1997 – 1999 am Bernischen Historischen Museum durchgeführten Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds auseinander. Akribisch versucht er mit Plänen, Tagebüchern, Protokollen, Inventaren und unpublizierten Schriften einerseits, vor allem aber mit Artefakten aus Keramik, Knochen, Geweih und Gestein sowie mit Geweben aus Pflanzenmaterial eine Gesamtübersicht zu verschaffen. Unentbehrlich waren dabei mehr als 50 Burgäschisee-Publikationen (z. T. aus der Reihe der Acta Bernensia II).

Als Erschwernis für die Interpretation erwiesen sich folgende Sachverhalte: Nicht alles wurde jeweils gefunden. Zu oft wurden nur «schöne» Fundstücke dokumentiert und konserviert. Nicht alle fanden den Weg in eine öffentliche Sammlung. Aber auch bei zahlreichen dokumentierten und publizierten Fundstücken musste der Autor feststellen, dass sie «verschollen» sind. Für die Auswertung ist dieser Umgang mit Bodenfunden ein Ärgernis, um einen zuverlässigen Gesamtüberblick zu gewinnen ein Makel. Dennoch gelingt es Wey, ein Bild von der Abfolge der vier Siedlungsplätze zu gewinnen, die jeweiligen Artefakte untereinander zu vergleichen und sie in einen Zusammenhang mit anderen cortaillodzeitlichen Siedlungen im Schweizer Mittelland (v.a. im unteren Zürichseebecken, im Wauwilermoos und im bernischen Seeland mit dem Schwergewicht Twann) zu stellen.

Zeitlich folgten sich vier Siedlungen: Burgäschisee-Ost, -Südwest, -Süd und -Nord. Absolutchronologisch beginnen sie im dritten Viertel des 39. und enden im dritten Viertel des 37. Jahrhunderts v. Chr. Innerhalb der Siedlung Süd lassen sich zudem interne Siedlungsabläufe nachweisen. Bei der Keramik scheint eine lokale Tradition zu überwiegen, bei den Knochen- und Geweihartefakten dagegen besteht eine klare Vergleichsbasis mit der Zentralschweiz. Eindeutige Parallelen mit den Cortaillod-Kulturen am Bieler- und Neuenburgersee sind nicht nachweisbar. Seine Befunde dokumentiert der Autor u.a. mit 62 Tafeln.

Aus naturwissenschaftlicher Sicht mögen zwei Wermutstropfen auf Weys Arbeit fallen: 1) auch bei zahlenmässig genügend Fundgut und Messdaten wurde kein Versuch unternommen, allfällige Unterschiede statistisch abzusichern. So muss man sich mit wenig aussagekräftigen Interpretationen wie «sie zeigen vermutlich keine echte Entwicklungstendenz» zufrieden geben. 2) Zumindest für Burgäschisee-Süd liegen Tierreste in grosser Zahl vor (Boessneck et al. 1963). Ein Hinweis darauf hätte dem Lesenden einen Einblick in die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner (Jagd bzw. Haustierhaltung) ermöglicht und das Bild abrunden können. Dennoch verdient die minutiöse Zusammenstellung und Wertung der vier Stationen innerhalb der Siedlungskammer Burgäschisee grosse Anerkennung und weckt Interesse. Zwischen den vier Siedlungen liegen räumliche Lücken und, wie Othmar Weys Vergleiche zeigen, offensichtlich auch zeitliche Siedlungsunterbrüche. Lassen sie sich eines Tages schliessen?

Zitierweise Peter Lüps: Rezension zu: Wey, Othmar, mit einem Beitrag von Antoinette Rast-Eicher und Susi Ulrich-Bochsler: Die Cortaillod-Kultur am Burgäschisee. Materialvorlage und Synthese zu den neolithischen Fundkomplexen von Burgäschisee-Ost, -Südwest, -Süd und -Nord. Acta Bernensia XIII. Bern: Stämpfli 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 69-70. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=23838>
 
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