P. Manning: Navigating World History

Titel
Navigating World History. Historians Create a Global Past


Autor(en)
Manning, Patrick
Erschienen
New York 2003: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
384 S.
Preis
$ 79.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dominic Sachsenmaier, Global and International Studies Program, University of California, Santa Barbara

„Navigating World History“ ist keine historische Darstellung, sondern ein methodologisches Werk. Wie der Titel ausdruckt, möchte Patrick Manning in seinem recht umfangreichen Buch weniger Geschichte schreiben als vielmehr durch die weltgeschichtliche Forschung und Lehre navigieren. In seiner Reise zeichnet er die Konturen des Faches nach, erklärt deren historische Entstehung, zeigt Irrwege auf und weist auf Passagen zu bislang unerkundeten fruchtbaren Forschungsfeldern hin.

Konkret geschieht dies in 23 Kapiteln, die in fünf Hauptteile gegliedert sind. Der erste Teil bietet einen Überblick über die Geschichte welthistorischer Konzeptionen, der in recht raschen Schritten Stationen von der Antike über die Aufklärung, den Historismus und die großen Strömungen des 20. Jahrhunderts abschreitet. Mit Ausnahme eines zweiseitigen Abschnitts über vormoderne Geschichtstraditionen außerhalb des Westens beschränkt sich Manning auf die europäische Historiografie. Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg werden nahezu ausschließlich Entwicklungen innerhalb der amerikanischen Geschichtswissenschaften nachgezeichnet.

Der zweite Teil bietet einen Überblick über – in Mannings Worten – jüngere „revolutionäre“ Entwicklungen in historisch orientierten Forschungsgebieten. Neben einem breiten Fächerkanon, der von den Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Anthropologie reicht, geht Manning insbesondere auf die amerikanischen „Area Studies“ und die Globalwissenschaften („Global Studies“) ein. Dabei bleibt vieles vage, und so bedeutende Entwicklungen wie etwa die zunehmende Abkehr der Area Studies von eurozentrischen Analysemodellen hätten stärker akzentuiert werden können.

Speziell auf interkulturelle oder gar globale Neuansätze innerhalb der Geschichtswissenschaften geht der dritte Abschnitt des Buches ein. Zum einen werden hier neue Forschungsrichtungen sowie Methoden in etablierten Feldern wie etwa der Diplomatie-, Sozial- oder Kulturgeschichte zusammengefasst sowie kurz auf ihre Relevanz für die Weltgeschichte hin interpretiert. Zum anderen präsentiert Manning jüngere Subdisziplinen wie zum Beispiel die global ausgerichtete Umweltgeschichte, die durchaus auch sozial- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen einschließt. Auch der Gang der amerikanischen Debatten zur Weltgeschichte wird zusammenfassend dargestellt (Kapitel 14). Obwohl sich im dritten Teil des Buches Themen des historischen Überblicks (Teil 1) wiederholen, bildet er den gehaltvollsten Abschnitt des Buches. Der Leser kann sich hier vergleichsweise schnell über den Status Quo der US-amerikanischen Entwicklungen in den einzelnen Forschungsgebieten informieren.

Teil vier bietet einen Überblick über Forschungsmethoden des Historikers und wendet sie auf die Weltgeschichte an. Insgesamt hat das Kapitel Einführungscharakter und ist eher an Studenten und Laien adressiert. Wesentliche methodologische Debatten wie zum Beispiel die Diskussionen zum Verhältnis zwischen historischen Vergleichen und geschichtlicher Transferforschung werden entweder nicht erwähnt oder nur gestreift. Dafür erfährt der Leser von (recht konventionellen) Methoden zur Verifizierung der eigenen Hypothesen oder auch von der Wichtigkeit, das eigene Forschungsfeld zeitlich und räumlich genau zu umreißen. Erwähnt werden sollte, dass Manning zu der Gruppe von Welthistorikern gehört, welche ihr Fachgebiet thematisch sehr breit definieren und jede auch nur trans-regionale Fragestellung mit einschließen. Dies soll auch für überregionale Kontakte innerhalb einzelner Großräume wie etwa Afrika, Ostasien oder dem Nahen Osten gelten. Dabei geht Manning der Frage, ob hiermit westliche Geschichte zu einem großen Teil ebenfalls der Weltgeschichte zuzuordnen sei, bewusst aus dem Wege (S. 102).

Im fünften und letzten Teil seines Buches stellt Manning Weltgeschichte als Fach an amerikanischen Universitäten und Colleges dar. Recht detailliert geht er auf die institutionelle Entwicklung des Faches ein und präsentiert die Forschungs- und Lehrschwerpunkte einzelner Hochschulen und Colleges, was vor allem für den nicht in den USA tätigen Leser nur bedingt von Interesse ist. Allgemein wertvoll sind die Abschnitte, welche Archive, Bibliotheken und andere Sammlungen wie zum Beispiel Internet-Ressourcen beschreiben. Für Dozenten hilfreich ist auch der Überblick über die Landschaft von Lehrbüchern und –materialen aus dem Internet

Doch bleiben auch diese Ressourcenhinweise genauso auf die USA beschränkt wie das gesamte Buch. Überblickswerke über die Forschungen in einzelnen Ländern sind durchaus gängige Praxis. Befremdlich an Mannings Buch ist jedoch die Tatsache, dass Manning den auf die USA beschränkten Darstellungsrahmen nicht explizit erwähnt. Offensichtlich wurden europäische, asiatische und andere Forschungen nur dann berücksichtigt, wenn sie in englischer Sprache vorliegen. Hierdurch entsteht der Eindruck, dass es sich bei der Weltgeschichte nur um ein recht isoliertes amerikanisches Phänomen handelt, europäische Forschung allenfalls historisch relevant sei und andere Ansätze nicht existieren.

Zweifelsohne ist die transkulturelle Geschichtsschreibung in den USA stärker ausgebaut als in anderen Ländern, doch werden Debatten um eine neue Weltgeschichte oder Globalgeschichte zur Zeit auch intensiv in Europa und Asien geführt. Die Chance eines internationalen Vergleichs und Dialogs welthistorischer Konzeptionen und Ansatze ergreift Manning in seinem Buch nicht. Auch bleiben die vielfältigen internationalen Forschungsprojekte, welche von historischen Seminaren in den USA ausgehen, nahezu unbeleuchtet.

Alles in allem bleibt „Navigating World History“ ein wichtiges Nachschlagewerk für Leser, welche sich einen Überblick über kulturübergreifende Forschungstrends in den USA verschaffen möchten. Auch leisten die Erörterungen zu den Wegen, die das Fach der Weltgeschichte während der vergangenen Jahre in den USA beschritten hat, einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der amerikanischen Historiografie. Sie tun dies zu einem Zeitpunkt, da kulturübergreifende Fragestellungen nicht mehr vornehmlich von der „klassischen“ Weltgeschichte betrieben werden.

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