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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2004

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Offene Kategorie
Geschichte der Geschichtsschreibung
Thematischer Schwerpunkt 2006
Publikumspreis

Zeitgeschichte

Essay von Vera Ziegeldorf für H-Soz-Kult

1. Rang (45 Punkte, 8 Voten)

Jarausch, Konrad H.: Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945 - 1995. München 2004.


 

2. Rang (21 Punkte, 5 Voten)

Reulecke, Jürgen (Hg.): Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert. München 2003.

Generationen sind in aller Munde. Auf dem Büchermarkt und im Feuilleton, von den elektronischen Medien ganz zu schweigen, springen uns immer neue modische Generationsetiketten und -einfälle an. Marc Szydlik hat unlängst einmal eine versucht, eine "Generationenstandsmeldung" abzugeben und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit über 100 Bezeichnungen zusammengetragen. Ist dieser Boom der Generationenrhetorik eine Modeerscheinung? Das ist er zweifellos, schnelllebige und flüchtige "Marken" zeugen davon. Doch zugleich verbirgt sich dahinter ein tiefgehendes Interesse auf der Suche nach eigenen und kollektiven Identitäten. Haben wir es womöglich bei "Generation" auch mit einem jener wissenschaftsförmigen "Plastikwörter" zu tun, deren Erfolg sich darin begründet, dass sie nicht definiert werden können? [...] Es geht auch mit diesem Sammelband darum, den "Generationenansatz als anregendes Konzept neben anderen kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Zugriffsweisen" zu etablieren. Dabei wird zugleich deutlich, dass neue Erkenntnisse nicht allein aus den einschlägigen Impulsen der neueren Kulturgeschichte gewonnen werden können, sondern es der interdisziplinären Zusammenarbeit und Anregung bedarf. Dies demonstriert der Sammelband auf beeindruckende Weise. Gerd Dietrich für H-Soz-Kult


 

3. Rang (20 Punkte, 4 Voten)

Reichel, Peter: Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater. München [u.a.] 2004.

Reichel untersucht in drei großen Kapiteln die "Kriegsbilder der Nachkriegszeit", die "Ansichten von Auschwitz" und das "Theater als Tribunal", und in jedem dieser Kapitel kann man reiche Entdeckungen machen. [...] Reichel vollendet mit diesem Band seine Trilogie, die er 1991 mit "Der schöne Schein des Dritten Reichs" begann. "Politik mit der Erinnerung", die 1995 erschien, setzte das Vorhaben fort. Die drei Bände bilden ein imponierendes Panorama deutschen Vergangenheitsbewußtseins und stehen selbst dabei am Ende jener Epoche öffentlicher Erinnerung, die fixiert bleiben mußte auf die Nationalgeschichte. http://www.buecher.de/w1100485faz3446204814

Dass Reichel die Darstellung der (vergangenheits-)politischen Entwicklung vor allem der Bundesrepublik mit der Untersuchung der Filme und Theaterstücke verzahnt, ist sehr fruchtbar und so bisher noch nicht geleistet worden. Auf diesem Wege wird die wechselseitige Beeinflussung der geschichtspolitischen Felder erst richtig offenbar. Zusammen mit seinen beiden vorangegangenen Büchern hat Reichel einen überzeugenden Überblick zur Nachgeschichte des Nationalsozialismus vor allem in der Bundesrepublik geliefert. Markus Roth für H-Soz-Kult


 

4. Rang (18 Punkte, 4 Voten)

Thum, Gregor: Die fremde Stadt. Breslau 1945. Berlin 2003.

Was wird aus einer Stadt, wenn sie ihre alten Bewohner auf einen Schlag verliert und neu besiedelt wird? Die ehemaligen deutschen Ostgebiete bieten unendlich viele Möglichkeiten, die faszinierenden Prozesse von Neuaneignung und Konstruktion lokaler bzw. regionaler Identität zu untersuchen. Gregor Thum hat sich westlich der Oder als erster der Aufgabe gestellt, in extenso aufzuzeigen, welche mentalen und sozialen Prozesse nach 1945 in den nunmehrigen polnischen Westgebieten vor sich gingen. Peter Oliver Loew für H-Soz-Kult

Thum gelingt in seiner Dissertation das Kunststück, verschiedene historische Forschungsfelder fruchtbringend zu verbinden. Detailreich, stilsicher, mit Mut zum eigenen Urteil und mit der gebührenden Sensibilität hat er eine faszinierende Fallstudie zu einem der düstersten Kapitel des 20. Jahrhunderts komponiert. Sein Buch ist ein Beleg dafür, dass das Ende des Kalten Krieges, die Öffnung der Archive, die methodischen Innovationen der Kulturgeschichte und eine neue Generation von Historikerinnen und Historikern der historischen Osteuropaforschung entscheidende Impulse gegeben haben. http://www.sehepunkte.historicum.net/2004/02/5209.html

Diese Atmosphäre, in der die polnischen Ansiedler in einer für sie zunächst völlig fremden Stadt allmählich heimisch wurden, findet man in Gregor Thums sorgfältig recherchiertem Buch Die fremde Stadt wieder. Es liefert eine vorzügliche Biografie Breslaus seit 1945 – das Sterben, den Scheintod, das Wiedererwachen und die Vitalität einer Stadt, die alle Chancen hat, demnächst zu einer mitteleuropäischen Drehscheibe zu werden. Sie selbst ist der Hauptakteur dieses Buches, weniger die Deutschen, die diese Stadt mit der "Festung Breslau" zugrunde richteten, auch nicht die zugewanderten Polen, die sie nicht nur als fremd, sondern als abweisend erlebten, bis sie dann einen eigenen Zugang zu ihr fanden und Wurzeln schlugen.
[...]
Die fremde Stadt kann gerade für deutsche Leser eine spannende Lektüre sein. Zum einen, weil der Autor sehr gut und anschaulich schreibt, zum anderen, weil er ein Deutscher ist und sehr gelassen und präzise Fakten darstellt, die immer noch stark emotionalisiert werden. Thum beweist, dass die Zeit der Historisierung und einer unparteiischen, grenzüberschreitenden, also "europäischen" Analyse gekommen ist. Und schließlich hat er mit seinem Buch riskiert, an Norman Davies’ und Roger Moorhouse’ Geschichte Breslaus gemessen zu werden, ein Vergleich, den er nicht zu scheuen braucht, auch wenn das geistige und das kulturelle Leben Breslaus bei ihm ein wenig zu kurz gekommen sind. Er veranschaulicht gerade dem deutschen Leser sehr heikle Probleme der polnischen Nachkriegsgeschichte, und er tut dies elegant, einfühlsam und kenntnisreich. Nach der Lektüre seines Buches kann man die polnischen Breslauer wirklich besser verstehen und vielleicht sogar mögen.
http://zeus.zeit.de/text/2003/42/P-Breslau


 

5. Rang (17 Punkte, 3 Voten)

Mann, Michael: Fascists. Cambridge [u.a.] 2004.

This is by far the best comparative study in recent years of interwar fascisms, an analytical tour de force in which Michael Mann, a sociologist, insists on sufficiently empirical answers to such questions as who were the fascists? What motivated them? Were "class" or material motivations stronger than other motivations? What did fascists believe? How and why did fascists in some countries differ from those in others? Why did fascism succeed in some European countries during the interwar period and not in others? http://www.historycooperative.org/journals/ahr/110.2/br...html


 

5. Rang (17 Punkte, 3 Voten)

Heer, Hannes: Vom Verschwinden der Täter. Der Vernichtungskrieg fand statt, aber keiner war dabei. Berlin 2004.

Die klare Positionierung Heers ist wohltuend im Vergleich zu den immer häufiger zu lesenden und zu hörenden, mehr oder weniger verdeckten Relativierungen der deutschen Verbrechen im Hinblick auf die Kriegsleiden der deutschen Bevölkerung. Natürlich stellen Kollektivzuschreibungen ein Problem dar – das liegt in der Natur der Sache. Begriffe wie "Täter" und "Opfer" bleiben tatsächlich für beide Seiten zu eindimensional: für die Seite der Opfer allerdings nicht etwa deswegen, weil sie in Wirklichkeit selbst Täter gewesen sind, sondern vielmehr, weil der Begriff ihre angeblich völlige Passivität fortschreibt; für die Täter, weil damit sehr verschiedene Formen von Tatbeteiligung und sehr verschiedene Motivationen zusammengefasst und widerständige Haltungen und Handlungen von vornherein ausgeblendet werden. Dirk Rupnow für H-Soz-Kult