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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2006

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Bildgeschichte - Geschichte der Bilder
Thematischer Schwerpunkt 2007
Publikumspreis

Bildgeschichte - Geschichte der Bilder

Essay von Jens Jäger für H-Soz-Kult

1. Rang (31 Punkte, 9 Voten)

Burke, Peter: Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen. Berlin 2003.

Die entscheidende Stärke des Buches von Peter Burke ist darin zu sehen, dass es sich um eine Pionierleistung handelt: Ein fast essayistisch geschriebenes, gut lesbares, einführendes Kompendium in die Quellenkritik visueller Spuren in die Vergangenheit. Die Abhandlung stützt sich auf einen riesigen Erfahrungsschatz, eine Fülle an bibliografischen Anregungen wird präsentiert (wie bei Burke üblich). Ganz besonders positiv sind die ständigen Verweise auf andere Kulturen hervorzuheben (besonders auf den fernostasiatischen Kulturraum), nicht minder die Einbeziehung der bewegten Bilder, des Films (auch wenn Burke von "guten historischen Filmen" spricht).
Heinrich Lang (sehepunkte, 4 (2004), Nr. 2)
http://www.sehepunkte.de/2004/02/3932.html

Bilder als geschichtliche Quellen - Burke stellt dieses Thema mit erfrischender Prägnanz und überraschenden Pointen dar.
Martin Meyer (Neue Zürcher Zeitung, 12.07.2003)


 

2. Rang (26 Punkte, 7 Voten)

Belting, Hans: Das echte Bild. Bildfragen als Glaubensfragen. München 2005.

Belting versteht sein neues Buch als Fortsetzung seines fulminanten Standardwerks «Bild und Kult», das 1990 die Fachwelt begeisterte. Anders als dieses aber kreist es um Fragen, die sich nicht in einer linearen «Geschichte des Bildes» (so der Untertitel) abhandeln lassen. Tatsächlich geht es auf verschiedene Vorträge und Aufsätze aus fünf Jahren zurück, die die von Belting entwickelte «Bildanthropologie» und seine Schlüsselbegriffe von Bild, Körper und Medium unter immer wieder neuer Perspektive akzentuieren. Umso erstaunlicher ist, dass dem emeritierten Professor für Kunstwissenschaft und Medientheologie damit ein so komplexes wie schlüssig entwickeltes Porträt der Kunstgeschichte gelungen ist, das anschaulich illustriert, wie stark selbst unser Bilddenken den damaligen Glaubensfragen geschuldet ist.
Thomas Köster (Neue Zürcher Zeitung, 25.12.2005)

Dabei fällt es Belting leicht, die Brücke in die Geschichte zu schlagen, da er es als (Kunst-) Historiker sachlich wie als Autor sprachlich bestens versteht, die Jetztzeit auch dann nicht aus dem Blick zu verlieren, wenn er gerade von den Bildmythen um wundertätige Tuchbilder des sechsten Jahrhunderts oder von der Bildpolitik mit gedruckten Porträts des sechzehnten Jahrhunderts spricht. (...) Es gelingt dem Verfasser glänzend, Geschichte gegenwärtig zu machen und im gleichen Zuge die Gegenwart historisch abzurücken. Die Fülle der diskutierten Beispiele und Aspekte, darunter Bild und Zeichen, Idol, Ikone, Corpus Christi, Vera Icon und Volto Santo, Maske, Gesicht und Karikatur, ist beeindruckend. Die zahlreichen, qualitätsvollen Abbildungen stützen die Argumentation und regen dazu an, auch punktuell in den Text einzusteigen, der angesichts der Ikonolatrie der Gegenwart als Vademecum fungiert.
Michael Diers (FAZ, 19.10.2005)
http://www.buecher.de/w1100485faz3406534600

Belting legt dem visuell verwöhnten Publikum von heute ein gelehrtes, durchaus auch belehrendes Buch vor, das sich als Warnung vor unkontrolliertem Bildhunger und zugleich als Anleitung zu einem reflektierten Genuss der Betrachtung verstehen lässt. Dass der Bezug von der Geschichte des Sehens zur Gegenwart des Bildkonsums anfangs vehement eingefordert, später aber nur noch selten explizit hergestellt wird, gefährdet zuweilen die Balance der Textkomposition. Ein Nachteil ist der Verzicht auf allzu vordergründige Aktualisierung der historischen Problemanalysen aber kaum. Gewinnen diese doch für Leser, die sich mit Belting in Tiefen und Untiefen der Bildgeschichte vorwagen, aus sich selbst heraus eine Evidenz, die den stetigen Verweis auf das Heute entbehrlich macht.
Andreas Tönnesmann (Süddeutsche Zeitung, 24.10.2005)
http://www.buecher.de/w1100485sz3406534600


 

3. Rang (25 Punkte, 8 Voten)

Roeck, Bernd: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit ; von der Renaissance zur Revolution. Göttingen 2004.

Kein Zweifel: hier schreibt ein profunder Kenner vor allem der italienischen Renaissance und der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, dem die Kunst dieser Kulturen aus eigener Anschauung ebenso vertraut ist wie die ästhetische Debatte von Leon Battista Alberti bis zu Roger de Piles. Zugleich umsichtig aus der weit verstreuten Forschungsliteratur schöpfend, beschreibt er prägnant nicht nur die Säkularisierungstendenzen in der Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts oder die "Sprache der Dinge" in holländischen Genrebildern, nicht nur die Konstruktivität alter Stadtansichten oder die politische Kunstpatronage und die neuzeitliche Erweiterung des Kunstmarktes, sondern im Anschluss an neuere kulturhistorische Fragestellungen betrachtet er die Bildwerke und ihre Details auch als Zeugnisse für mentale Vorgänge wie den "Prozeß der Zivilisation" oder die Aufwertung der Sinnlichkeit und der Intimität, als vernachlässigte Quellen der Ereignis-, der Geschlechter- und der Familiengeschichte.
Rolf Reichardt (sehepunkte, 5 (2005), Nr. 10)
http://www.sehepunkte.de/2005/10/6517.html

Bernd Roecks Buch ist die Rettung für verzagte Historiker. Die methodischen Barrieren, die man zwischen Kunst-, Bild- und Textinterpretation vermutet, räumt er kurzerhand aus dem Weg: Das Handwerk des Historikers bleibt gleich, ob er sich nun auf Texte oder Kunstwerke stützt. Roeck, Mitherausgeber der Werke von Jacob Burckhardt und Kenner der Kunst- und Kulturgeschichte, verharmlost dabei weder die hermeneutischen Schwierigkeiten, noch spielt er das Spezialwissen der Kunstgeschichte herunter.[...] Auf diesem Streifzug durch Forschungsgebiete und die Kunst von der Renaissance bis zur Revolution ist das Buch Anleitung und Anregung zugleich: Es weist auf divergierende Positionen hin - so am Beispiel der realistischen oder allegorischen Deutung der niederländischen Malerei; auf Lücken - etwa in der Nutzung der Kunst für die Geschlechtergeschichte; auf Grenzen der Interpretation - besonders in Bezug auf die Wirkungen der Kunst auf die Betrachter; und schliesslich auf Quellenbestände, die noch systematisch ausgewertet werden könnten, wie etwa anatomische Bilder.
Caroline Schnyder (Neue Zürcher Zeitung, 1.12.2004)


 

4. Rang (21 Punkte, 6 Voten)

Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München 2003.

Also doch "spatial turn"? Schlögel geht es erklärtermaßen nicht darum, ein neues geschichtswissenschaftliches Paradigma auszurufen und mit großem Echo eine neue Theoriedikussion anzufachen. Das ist seine Sache nicht. Mit kaum kaschierter Geringschätzung bekundet er in Richtung theoriegeleiteter Geschichtswissenschaft, 'turns' seien Moden und etwas für Epigonen. Sein Anliegen ist die Erweiterung des geschichtlichen Erkenntnisspektrums um die so wichtige Raumkomponente, mithin eine veränderte Wahrnehmungsweise, die besondere Beschreibungskünste erfordert. [..] Nur schwer gelingt es, sich seinem souveränen Narrativ zu entziehen. Denn insbesondere seine literarischen Darstellungsfähigkeiten sind es, die von diesem Autor jenseits von disziplinimmanenten Theoriediskussionen noch manch spannendes Lektüreerlebnis bei der Fährtenlese im weiten Raum der Historie erwarten lassen. Albrecht Weisker für H-Soz-Kult


 

4. Rang (21 Punkte, 6 Voten)

Knoch, Habbo: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2001.

Wie können wir die Verbrechen des Nationalsozialismus visuell beschreiben und vergegenwärtigen? Auf diese Frage liefen zentrale Debatten über Geschichte und Erinnerung des "Dritten Reiches" in den vergangenen Jahren immer wieder hinaus. [...] Die visuelle Repräsentation der Tat ist selbstverständlich kein Produkt der Neunzigerjahre, sondern hat sich bereits in der Nachkriegszeit der frühen Bundesrepublik und DDR zu ersten einflussreichen Mustern verdichtet. Dies ist das Thema eines weit ausgreifenden Buches von Habbo Knoch, das auf über tausend Seiten eine subtile Bildgeschichte des Holocaust in den deutschen Nachkriegsgesellschaften entwirft.
Paul Nolte (taz, 9.4.2002)
http://www.taz.de/pt/2002/04/09/a0166.1/text.ges,1

Die Bedeutung von Fotografien für und deren Einbindung in diese öffentlichen Selbstverständigungsprozesse gezeigt sowie materialreich und differenziert beschrieben zu haben, ist ein unbestreitbarer Verdienst von Knochs Darstellung.
Ulrich Baumgärtner (sehepunkte 2 (2002), Nr. 6)
http://www.sehepunkte.de/2002/06/2988.html


 

4. Rang (21 Punkte, 7 Voten)

Conter, Claude D.: Jenseits der Nation - das vergessene Europa des 19. Jahrhunderts. die Geschichte der Inszenierungen und Visionen Europas in Literatur, Geschichte und Politik. Bielefeld 2004.

Für das Thema der Europadiskurse in der ersten Hälfte des deutschen 19. Jahrhunderts bedeutet das Buch zweifellos die bisher umfassendste und breiteste Untersuchung,[...] Das Buch bietet eine Fülle von Erkenntnissen und Einsichten, die hier leider nicht annähernd vollständig zusammengefasst werden. Claude D. Conter setzt sich zudem mit Fragen von Gedächtnis und Erinnerung in Bezug auf Europavorstellungen auseinander, ein Ansatz, der die komplexe Parallelität von Nationsbewusstsein bzw. Nationalismus und Europäismus möglicherweise besser begreifbar macht. Für die Europadiskurse der ersten Hälfte des deutschen 19. Jahrhunderts stellt diese Arbeit nun zunächst einmal ein Referenzwerk dar. Wolfgang Schmale für H-Soz-Kult

Inhaltlich legt Conter die Bandbreite der Europavorstellungen offen, die vom Einheitsstaat bis zur kosmopolitischen Gesellschaftsordnung reichten, von der sendungsbewussten Kolonialmacht bis zur europamüden Idealisierung Amerikas. Zugleich verweist er auf die Varianz der deutschen mental maps von Europa. Ob das Zarenreich und das Osmanische Reich zu Europa gehören sollten, war durchaus umstritten, und spannender Weise konnte gerade letzteres beides zugleich sein: Fluchtraum europäischer Sehnsüchte und Projektionsfläche für Feindbilder. Conter hat recht, dass sich aus diesen Vorstellungen keine konsistente Phänomenologie einer europäischen Identität ergibt. Sehr wohl lassen sich aber Tendenzen eines deutschen Bewusstseins europäischer Identität ausmachen, wie etwa der Übergang von der ,,Europamüdigkeit" der 1830er Jahre zu einem neuen Selbstbewusstsein im Folgejahrzehnt zeigt. Aufgrund der Breite der analysierten Quellen ebenso wie aufgrund ihrer Ergebnisse wird künftig niemand, der sich für jenes vergessene Europa "jenseits der Nation" im Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts interessiert, an Conters Studie vorbeikommen.
Kiran Klaus Patel (Archiv für Sozialgeschichte)
http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80628.htm