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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2004

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Offene Kategorie
Geschichte der Geschichtsschreibung
Thematischer Schwerpunkt 2006
Publikumspreis

Publikumspreis

Essay von Rüdiger Hohls für H-Soz-Kult

1. Rang (48 Punkte, 12 Voten)

Marx, Christoph: Geschichte Afrikas. Von 1800 bis zur Gegenwart. Paderborn [u.a.] 2004.

Die Stärken dieses Buches liegen auf drei Ebenen: die Breite der Themen erlaubt einen tieferen Einblick in das Leben der Menschen, lässt sie stärker als Handelnde und Denkende erscheinen, deren Lebensbedingungen sich verändern und deren Welt in Frage gestellt wird, und die versuchen, diesen Veränderungen aktiv zu begegnen. Eine Gegenüberstellung von "Kulturleben der Kolonialzeit" (218-221) und "Das Kulturleben am Ende des 20. Jahrhunderts" (357-365) zeigt die Veränderungen besonders augenfällig auf. Besonders gut gelungen ist der große Bogen, der in Brüchen und Kontinuitäten gespannt wird vom vorkolonialen Staat als Personenverbandsstaat und den staatlichen Reformen im 19. Jahrhundert, über den kolonialen Staat, der zunächst ein "Terrorstaat" war und stets mit einem umfassenden Herrschaftsanspruch und dem Gewaltmonopol auftrat, bis zum Patronagestaat und der Symbolik personalisierter Herrschaft im unabhängigen Afrika.
Die zweite Ebene ist die Ergänzung allgemeiner, strukturgeschichtlicher Darstellungen und Typologien durch die Skizzierung von regionalen Besonderheiten, wie dem Zusammenhang zwischen Sklavenhandel und politischer Zentralisierung in Dahomey und Oyo, oder die Präsentation von Personen. Schließlich ist die sehr flüssige und bildreiche Sprache anerkennend zu erwähnen.
http://www.sehepunkte.historicum.net/2005/01/7082.html


 

2. Rang (42 Punkte, 11 Voten)

Daniel, Ute: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter. 4. verb. Aufl. Frankfurt am Main 2004.


 

3. Rang (36 Punkte, 8 Voten)

Laak, Dirk van: Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960. Paderborn [u.a.] 2004.

Von einem "Umweg" in van Laaks Analyse kann man auch insoweit sprechen, als er sich weniger mit Infrastrukturen als solchen oder ihren Folgen für die betroffenen Menschen in Afrika beschäftigt, sondern die Perspektiven derjenigen rekonstruiert, die den Erschließungsprozess über drei Generationen und wechselnde politische Konstellationen hinweg vorantrieben. Er skizziert die geistigen Horizonte der Kolonisatoren, ihre Phantasien, Projektionen, Planungen und Praxen. Mit Ferdinand von Richthofen, Paul Rohrbach, Arthur Dix, Erich Obst oder Karl Krüger lässt er Figuren wieder auferstehen, die heutzutage allenfalls Spezialisten noch geläufig sind. Ungeachtet aller Zäsuren, taktischen Wendungen und internen Differenzen im Denken und Handeln der Kolonial-Lobby macht van Laak Kontinuitätslinien sichtbar, die weit über das Ende der deutschen Kolonialgebiete hinausreichen und erst um das Jahr 1960 zu einem Ende kommen. Was er schildert, ist insoweit zwar eine versunkene Epoche, doch zugleich auch die Vorgeschichte dessen, was wir heute als "Globalisierung" bezeichnen. Die aktuelle Misere vieler afrikanischer Staaten ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die technische Erschließung nicht die Ergebnisse hervorbrachte, die sich ihre Promotoren erwarteten, dass sie, im Gegenteil, die Keime der Unterentwicklung einpflanzte. http://www.buecher.de/w1100485sz3506717456


 

4. Rang (35 Punkte, 9 Voten)

Eckert, Astrid M.: Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg. Stuttgart 2004.

Eckert gebührt das Verdienst, in einer spannenden und anschaulichen Weise die unterschiedlichen Motivationen das deutsche Archivgut in Besitz zu halten oder zu bekommen dargestellt zu haben. Sowohl für die deutschen Archivare wie für die deutschen Historiker der frühen Nachkriegszeit war dies sicherlich kein Ruhmesblatt. Andererseits zeigt die Studie sehr deutlich, dass auch die Positionen der westalliierten Historiker zum Teil nicht stets redlich waren und natürlich machtpolitische Erwägungen auf beiden Seiten eine zentrale Rolle in den Rückgabeverhandlungen spielten. Sebastian Barteleit für H-Soz-Kult

Ihre Studie ist außergewöhnlich gut geschrieben und liest sich streckenweise wie ein spannender Kriminalroman. Eckert hat ein hervorragendes Buch geschrieben, das auch von Laien mit Genuss zu lesen ist. Historiker, die sich mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland befassen, werden an einer Lektüre ohnehin nicht vorbeikommen. http://www.sehepunkte.historicum.net/2005/02/7070.html


 

4. Rang (35 Punkte, 8 Voten)

Groebner, Valentin: Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Europa des Mittelalters. München 2004.

Wer wir sind, bestimmen die anderen. Sie sind es, die uns den Namen, den sie uns gegeben haben, nennen müssen, damit wir uns selbst kennen. Wenn sie uns unter diesem Namen verleugnen und hartnäckig behaupten, wir seien andere, haben wir keine Chance der Selbstbehauptung. Glücklich ginge die Sache aus, wenn sie uns eine andere Identität anböten, aber heillos würde unsere Lage, wenn sie kein Wissen von uns hätten noch annähmen. Weniger radikal hat diese "conditio humana" Joyce Carol Oates ausgedrückt: "For what is ,identity' but our power to control others' definitions of us?"
Das Zitat stammt aus der brillanten Studie des Luzerner Mediävisten Valentin Groebner über die Geschichte des Identifizierens zwischen dem dreizehnten und siebzehnten Jahrhundert, die von Bezügen auf die Gegenwart ihre Brisanz bezieht. Dabei geht es um das Erkennen von Personen, die man noch nie gesehen hat, anhand von Zeichen, Bildern und schriftlichen Dokumenten, vor allem der Steckbriefe und Pässe.
Michael Borgolte in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2004, Nr. 233 / Seite L32

Groebner schreibt eben keine Erfolgsgeschichte der staatlichen Personenidentifikation, sondern hat über das gesamte Buch hinweg auch das unsichtbare Andere im Blick, das in der alternative Bedeutungsebene von ‚Schein’ zum Ausdruck kommt: Unwirklichkeit, Fiktion, Simulation. [...] Mit der zunehmenden bürokratischen Erfassung der Einzelperson betritt im späten 16. Jahrhundert die Figur des Hochstaplers die literarische Bühne, der eine falsche soziale Rolle spielt und die „Grenzen menschlicher Wahrnehmungs- und Unterscheidungsfähigkeit“ aufzeigt. [...] Gerade diese Passagen sind es, die den stärksten Leseeindruck vermitteln und den größten analytischen Wert aufweisen. Aber nicht nur diese, das ganze Buch liest sich spannend wie ein Roman und bietet den notwendigen kulturwissenschaftlichen Chic auf, um auch ein breiteres Publikum anzusprechen. Christian Jaser für H-Soz-Kult