Forum: Zeitgeschichts-Forschung lebt von Kooperation und Wettbewerb

Von
Hans-Hermann Hertle, Zentrum fuer Zeithistorische Forschung

PRESSE-INFORMATION, 26.1.2004

„Zeitgeschichts-Forschung lebt von Kooperation und Wettbewerb“
Zu den Presseberichten der letzten Tage über die institutionelle Zukunft der deutschen Zeitgeschichtsforschung gaben die Direktoren des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Prof. Dr. Konrad H. Jarausch und Prof. Dr. Christoph Kleßmann, am Montag in Berlin folgende Stellungnahme ab:
„In den letzten Tagen ist in der Presse behauptet worden, Hintergrund der Debatte über die Zukunft der Zeitgeschichtsforschung und besonders des Münchner Instituts für Zeitgeschichte sei die Konkurrenz um Forschungsgelder zwischen dem IfZ und dem auf demselben Feld tätigen Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Zudem wurde prophezeit, daß nun ein Verteilungskampf zwischen dem eher „rechten“ Münchner und dem eher „linken“ Potsdamer Institut ausbrechen werde.

Diese Interpretation ist so schief wie die Faktengrundlage, auf die sie sich stützt. Mit Kategorien wie „links“ und „rechts“ läßt sich die heutige Zeitgeschichtsforschung nicht mehr adäquat erfassen. Politischer Bindung unterliegen weder das Münchner noch das Potsdamer Institut, und sie konkurrieren aufgrund ihrer ganz unterschiedlichen Finanzierungsstruktur auch nicht um Fördergelder. Wohl aber kooperieren sie auf zahlreichen Feldern der zeithistorischen Forschung und geben unter anderem gerade zusammen einen Tagungsband zur vergleichenden Geschichte und Interpretation des Juni-Aufstandes von 1953 heraus.

Das Mißverständnis, dem der „Welt“-Artikel (v. 20.1.2004) unterliegt, besteht in der Auffassung, fachliche Konkurrenz bedeute Verdrängungswettbewerb. Das Gegenteil trifft zu: Die in Deutschland lange stiefmütterlich behandelte Zeitgeschichte hat nach 1945 und wieder nach 1989 zwei mächtige Entwicklungsschübe erfahren. Die historische Leistung des IfZ besteht darin, die NS-Zeit für die Zeitgeschichte wissenschaftlich erschlossen zu haben. Das ZZF hat dagegen vor allem mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte Ansehen erworben.
Die Geschichte der Jahrhundertkonkurrenz von Diktatur und Demokratie in Deutschland und Europa kann nur multiperspektivisch durch eine Pluralität inner- und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen erschlossen werden. Fachlicher Wettbewerb ist dafür eine wesentliche Voraussetzung.“

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