Giphanius und die Herkunftslegende der Welser

Von
Hartmut Bock

Liebe Listenmitglieder,

Im Rahmen meiner Beschäftigung mit den bebilderten Geschlechterbüchern- konkret derzeit denen der Großkaufmannsfamilie Welser in Augsburg und Nürnberg - spielt die kunstvoll erfundene Herkunftslegende der Welser eine Rolle. Laut Ludwig Frhr. von Welser (in: Jahresbericht Verein f. Geschichte d. Stadt Nürnberg 36, 1913, S. 30-32) hat der Ingolstädter (früher Altdorfer) Professor Hubert (Obertus) Giphanius (Hubert van Giffen, 1534-1604) wohl zuerst ausgesprochen, daß der Name Welser und Belisar (Feldherr Kaiser Justinians) identisch seien. Die Familienüberlieferung postuliert dann die Abstammung der Welser von Belisar. Wo läßt sich die Vermutung Welser = Belser = Belisar bei Giphanius oder anderen finden?

Bebilderte Geschlechterbücher der deutschen Renaissance sind eine bisher wenig beachtete, gleichwohl faszinierend vielfältige Quellengattung. (Die Mitglieder der Familie werden in genealogischer Folge in Text und Kostümbildern vorgestellt, ergänzt durch weitere Texte und Bilder. Es gibt nur Exemplare aus dem Patriziat von Nürnberg, Augsburg und Frankfurt sowieaus demAdel; außerhalb Deutschlands deuten sich Beispiele nuraus Italien an.) Öffentliche Ausrichtung dieser Bücher war es, Aufstieg und erreichtes soziales Ansehen der Familie zu präsentieren (auch schon mal vor Gericht), und private Ausrichtung die Sorge um eine gute Memoria. Das Motto der Chronik Eisenberger (s. unten),eine zeitlos-aktuelle, universelle Grundlage sozialen Handelns, giltfür die ganze Gattung: "Es saget Cicero der weyse Heyde und berumbte Redner, Das der Menschen Natur nichts kostbarlichers achte, und mehr begere, dan großes lob, ehr und wurde."

Eine Übersicht zu bebilderten Geschlechterbüchern liefert (mit Abbildungen) www.hartmut-bock.de, basierend auf der ersten Edition eines patrizischen Exemplars mit erstmaligem Vergleich der Gattung (40 Beispiele plus 50 verwandter Gattungen): Hartmut Bock, Die Chronik Eisenberger. Edition und Kommentar. Bebilderte Geschichte einer Beamtenfamilie der deutschen Renaissance - Aufstieg in den Wetterauer Niederadel und das Frankfurter Patriziat (Schriften des Historischen Museums Frankfurt a.M. 22) Frankfurt 2002.-- Zu Geschlechterbüchern allgemein vergleiche auch heute noch: Helmut Frhr. Haller von Hallerstein, Nürnberger Geschlechterbücher, in: Mitt. d. Vereins f. d. Geschichte d. Stadt Nürnberg 65, 1978, S. 212-235. Leonie von Wilckens, Das "historische" Kostüm im 16. Jahrhundert, in: Zs. f. Waffen- u. Kostümkunde 3, 1961, S. 28-46.Desweiteren: Harald Tersch, Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (1400-1650). Wien, Köln, Weimar 1998. Urs Martin Zahnd, Einige Bemerkungen zu spätmittelalterlichen Familienbüchern aus Nürnberg und Bern, in: Rudolf Endres (Hrsg.), Nürnberg und Bern. Zwei Reichsstädte und ihre Landgebiete. (Erlanger Forschungen A, 46) Erlangen 1990.Zum Umfeld vergl. auch: Kurt Andermann, Peter Johanek (Hrsg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel. (Vorträge und Forschungen 53) Stuttgart 2001. -- Einzelne bebilderte Geschlechterbücher behandeln u.a.: Rolf Walther, Das Hausbuch der Familie Melem. Ein Trachtenbuch des Frankfurter Patriziats aus dem 16. Jahrhundert. Frankfurt 1968. Pierre Monnet, Führungseliten und Bewußtsein sozialer Distinktion in Frankfurt am Main (14. u. 15. Jahrhundert), mit einem Exkurs: Das Melemsche Hausbuch, eine Quelle für die Geschichte der Frankfurter Stadteliten im 15. und 16. Jahrhundert. In: Archiv f. Frankfurts Geschichte u. Kunst 66, 2000, S. 12-77. - Gregor Rohmann, "Eines Erbaren Raths gehorsamer amptman", Clemens Jäger und die Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. (Studien zur Geschichte des bayrischen Schwaben 28) Augsburg 2001. --Hinweise zu Giphanius von Claude Brügger: http://home.datacomm.ch/ccbruegger/Claude/giphan.htm.

Mit freundlichem Gruß Hartmut Bock

Zitation
Giphanius und die Herkunftslegende der Welser , In: H-Soz-Kult, 30.04.2002, <www.hsozkult.de/query/id/anfragen-62>.
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